• Frau mit Notebook beim Online-Shoppen.

    Grüne Produktempfehlungen per KI

Beim Shoppen im Netz die Nachhaltigkeit im Blick zu behalten, ist nicht einfach. Der KI-basierte Green Consumption Assistant (GCA) soll Konsumentinnen und Konsumenten dabei helfen, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen. Das Kooperationsprojekt zwischen der Technischen Universität Berlin, der Berliner Hochschule für Technik und der grünen Suchmaschine Ecosia ist in der Brain City Berlin am Einstein Center Digital Future angesiedelt. Es wird vom Bundesumweltministerium als KI- Leuchtturmprojekt gefördert.

„Nachhaltigkeit“ steht auf einem kleinen, grünen Label neben dem Produktfoto. Und auch ein Blattsymbol neben dem Listing des Händlers in der Suchmaschine „Ecosia“ verweist darauf, dass es sich hier um einen umweltfreundlich produzierten Artikel handelt. Das Label – ebenso wie Hinweise auf nachhaltigen Produktalternativen wie Repair-, Verleih- oder Sharing-Optionen, werden in die grüne Suchmaschine über eine KI-getriebene Browser-Erweiterung eingespielt: Der Green Consumption Assistant (GCA) generiert seine Empfehlungen mithilfe einer KI, die ihre Daten aus der der „Green Database“ bezieht. Und diese wiederum wird mit ökologischen und sozialen Informationen gefüttert.

Mehr über das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) als KI-Leuchtturm geförderte Kooperationsprojekt zwischen der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), der Berliner Hochschule für Technik (BHT) und Ecosia erzählt Felix Biessmann, Professor für Maschinelles Lernen an der BHT. Im Projekt Green Consumption Assistant ist er als Teilprojektleiter verantwortlich für die Datenbank sowie die Machine-Learning-Komponenten.

Herr Prof. Biessmann, welches Ziel verfolgen Sie als interdisziplinäres Team mit dem Projekt Green Consumption Assistant? 

Übergeordnet geht es uns darum, den Verbraucherinnen und Verbrauchern online zu nachhaltigeren Konsumentscheidungen zu verhelfen. Die Grundlagen für die dafür notwendigen Funktionalitäten schaffen wir durch drei Teilziele: Erstens bauen wir eine KI-basierte Produktdatenbank auf – als zentrale Kompetenzstelle für nachhaltigen Konsum. Dafür extrahieren wir Informationen zur Nachhaltigkeit von Produkten und Dienstleistungen, lassen diese durch Expertinnen und Experten prüfen und bringen die Daten dann in ein einheitliches Format. Diese Daten erlauben es uns, das Angebot von nachhaltigen Konsumoptionen im Online-Shopping umfassend zu analysieren. Außerdem erhoffen wir uns von der Bereitstellung der Nachhaltigkeitsinformationen in der Datenbank GreenDB einen katalysatorischen Effekt für neue innovative KI-Produkte – oft werden neue KI Anwendungen erst durch die Bereitstellung von neuen Datensätzen ermöglicht.

Und die anderen beiden Teilziele?

Wir wollen einen Empfehlungs-Assistenten entwickeln, der nachhaltige Produktoptionen in Echtzeit vergleich- und beziehbar macht. Nachhaltigkeitsinformationen verschiedener Produkte und Produktkategorien werden aggregiert und beim Online-Shopping angezeigt. Auch ressourcenbewusste Konsumoptionen, wie zum Beispiel Sharing oder Gebrauchtkauf, werden stärker sichtbar. Darüber hinaus können weitere Features wie Unternehmens-Ratings entwickelt werden, die nachhaltiges Verhalten unterstützen. Unser drittes Teilziel ist es, das Anwendungsdesign an das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer anzupassen. Erfahrene UX/UI-Designerinnen und -designer von Ecosia und Verhaltensforscher der TU Berlin erarbeiten dafür gemeinsam Methoden und Darstellungen.

Warum ist es für Verbraucherinnen und Verbraucher so schwierig, nachhaltige Produkte im Netz zu finden?

Das liegt vor allem daran, dass Angaben über Produktnachhaltigkeit oft nicht angezeigt werden. Und wenn sie vorhanden sind, ist häufig unklar woher diese Daten stammen. Es gibt Unmengen von Nachhaltigkeits-Labels, die sich auf unterschiedliche Aspekte beziehen und verschiedene Nachhaltigkeitsansprüche voraussetzen – beziehungsweise andere Zertifizierungsanforderungen haben.

Was ist das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse des GCA-Teams?

Im Rahmen des Projekts möchten wir wissenschaftliche Beiträge in mehreren Disziplinen leisten: Zum einen erforschen wir in empirischen Studien wie Experimenten und Befragungen, welche Darstellung und welche Art von Nachhaltigkeitsinformationen am effektivsten zu nachhaltigem Konsum ermutigen. Zum anderen erstellen wir eine für Forschungszwecke offene und stetig wachsende Datenbank: In der GreenDB wurden inzwischen über 220.000 Produkte samt zugehöriger Nachhaltigkeitsinformationen gesammelt. Diese Daten erlauben es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, neue Analysen zu nachhaltigen Konsum-Optionen durchzuführen. Außerdem können Forschende im Bereich Machine-Learning damit neue KI-Systeme trainieren, die nachhaltigkeitsrelevante Informationen automatisiert erkennen und extrahieren.

Woher bezieht das Projekt seine Daten – und wie lernt es?

Die GreenDB sammelt vor allem öffentlich verfügbare Produktdaten im Internet. Daneben werden Daten aus der Bewertung von Nachhaltigkeitsinformationen im Netz verwendet. Diese bauen teilweise auf öffentlich verfügbare Produktdaten von Online-Shops auf. Sie generieren sich außerdem aus dem Machine-Learning-basierten Finden und Extrahieren von Produktattributen – also aus unstrukturierten und semistrukturierten Daten. Bald wollen wir auch Daten aus der KI- basierten Suche von nachhaltigen Produktalternativen mit einbeziehen.

Lässt sich anhand der Ecosia-Daten bereits ablesen, wie der Service des Green Consumption Assistant angenommen wird?

Die Auswertung quantitativer und qualitativer Nutzungsdaten des ersten Prototypen, einer Browserextension, zeigen, dass die Zufriedenheit mit der ersten Version des GCA zwar groß ist, dieser aber keine relevante Anzahl von Benutzerinnen und Benutzerinnen gewinnen konnte. Trotz der geringen Klickraten hat schon diese erste Version des GCA die Bedingungen für effektive Informationsinterventionen erfüllt. Die wichtigsten Komponenten der Browserextension wurden in den letzten Monaten direkt in die Suchmaschine integriert. Im Shopping-Bereich von Ecosia werden seitdem grüne Produktalternativen aus den Bereichen Bekleidung und Elektronikgeräte angezeigt. Diese werden auf Basis von Bewertungen durch die Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten der TU Berlin in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Informationsportal „Siegelklarheit“ in unterschiedlichen Nachhaltigkeitsdimensionen als glaubwürdig eingestuft und ausgewähl. Diese Produkte sind mit dem leicht verständlichen Banner „Nachhaltigkeit“ und einem Blatt-Symbol auf den Produktbildern gekennzeichnet.

Wie könnte eine mögliche Weiterentwicklung des Green Consumption Assistant aussehen?

Angedacht ist, dass in Bezug auf die grünen Produktempfehlungen – neben den aktuellen produkt-basierten Empfehlungen – künftig auch Marken und Unternehmen bewertet werden sollen, und dass Empfehlungen direkt auf der Suchseite erscheinen. Außerdem soll der „Nachhaltigkeit“-Banner auf den Produktbildern differenzierter in der Aussage und mehrdimensionaler visualisiert werden. Geplante Features sind: ein Unternehmens-Rating auf Basis von Klimaversprechen, nachhaltigkeitsbezogene Empfehlungen für Suchbegriffe und Empfehlungen für ressourcenschonendes Verhalten. Nutzerinterviews und A/B-Test zur Bewertung unterschiedlicher Systemvarianten werden die Entwicklung der künftigen Features flankieren.

Wie arbeiten TU Berlin, BHT und Ecosia auf dem Leuchtturmprojekt zusammen?

Der technische Teil der Forschung, besonders der des Maschinellen Lernens sowie und die Bereitstellung der Produktdaten, werden von der BHT übernommen. Die Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten der TU Berlin bewerten die Nachhaltigkeitsinformationen sowie die sozialwissenschaftliche Forschung zum Nutzungsverhalten und zur Akzeptanz des GCA. Und alles was die Produktivsoftware angeht – also das, was die Nutzerinnen und Nutzer von Ecosia sehen – ebenso wie das Backend – wird vom Ecosia Team in enger Abstimmung mit der BHT erarbeitet.

Steht das GCA-Team auch im Austausch mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen?

Das Projekt ist aus dem das Einstein Center Digital Future(ECDF) heraus entstanden, das ins Leben gerufen wurde, um gezielt den transdisziplinären wissenschaftlichen Austausch zu fördern. Der GCA ist ein gutes Beispiel dafür. Am ECDF – und auch unabhängig davon – steht unser Team im ständigen Austausch mit Forschenden sämtlicher Berliner Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen – ebenso wie mit verwandten Projekten der Förderrichtlinie.

Warum ist Berlin ein guter Standort für anwendungsbezogene interdisziplinäre Forschung im Bereich KI und Nachhaltigkeit?

Berlin hat mit dem ECDF hervorragende Voraussetzungen geschaffen für den interdisziplinären Austausch zwischen den Berliner Hochschulen. Außerdem gibt es in Berlin sehr gute Forschung im Bereich des Maschinellen Lernens sowie im Bereich Nachhaltigkeit. Und auch bei vielen Menschen in Berlin, die nicht aktiv daran forschen, ist das Interesse für diese Themen da. Das lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass es in der Stadt viele junge und erfolgreiche Unternehmen in den Bereichen IT und Nachhaltigkeit gibt. (vdo)

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