• Prof. Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring, Brain City Berlin

    „Wir wollen, dass Innovationen, die in Berlin entstehen, hier auch umgesetzt werden"

Das Projekt „Zukunft findet Stadt – Hochschulnetzwerk für ein resilientes Berlin“ ist für Berlin bisher einzigartig: Fünf Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften – die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), die Berliner Hochschule für Technik (BHT), die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) und die zwei SAGE-Hochschulen Evangelische Hochschule Berlin (EHB) und Katholische Hochschule Berlin (KHSB) – bündeln ihre Kompetenzen und entwickeln und erproben Transferformate in Kooperation mit Unternehmen, Institutionen sowie den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt.

Gefördert wird das Projekt im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufenen Initiative „Innovative Hochschule“ über einen Zeitraum von fünf Jahren mit insgesamt acht Millionen Euro. Mehr über „Zukunft findet Stadt“ und angedachte Kooperationsmöglichkeiten erzählt Projektleiterin Prof. Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring im Brain City-Interview. Die Brain City-Botschafterin ist Vizepräsidentin für Forschung, Transfer und Wissenschaftskommunikation an der HTW Berlin.

Frau Prof. Dr. Molthagen-Schnöring, was möchten die fünf an „Zukunft findet Stadt“ beteiligten Berliner Hochschulen mit dem Projekt erreichen?

Der Ausgangspunkt unserer gemeinsamen Bewerbung für die Förderinitiative „Innovative Hochschule“ war, dass wir feststellten: An den fünf beteiligten Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften laufen bereits viele tolle Forschungsprojekte. Uns war es ein wichtiges Anliegen, die unterschiedlichen Themen und Forschungskompetenzen zu bündeln, sie sichtbarer zu machen und sie stärker für die Stadt Berlin zu nutzen.

Diese Bündelung erfolgt ja entlang von zwei Themenfeldern: Gesundheit und Klima. Wonach wurden diese ausgewählt?

Beides sind Themenschwerpunkte, die Berlin sehr stark bewegen. Es sind außerdem thematische Bereiche, in denen sich die Forschungskompetenzen der an „Zukunft findet Stadt“ beteiligten Hochschulen perfekt ergänzen. Die HTW Berlin und die BHT sind eher technisch orientiert, EHB und KHSB bringen Zugänge aus dem Bereich Soziales und Gesundheit mit, die HWR Berlin Expertise aus Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften sowie ausgewählten technischen Schwerpunkten. Diese verschiedenen Perspektiven im Rahmen von „Zukunft findet Stadt“ zusammenzubringen – gemeinsam mit der Berliner Stadtgesellschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft – ist für uns ein spannendes Experiment.

Werden bereits bestehende Projekte in „Zukunft findet Stadt“ einbezogen?

Der Förderzeitraum des Projekts hat ja Anfang 2023 erst begonnen. Wir haben jetzt fünf Jahre Zeit und den Anspruch, innerhalb dieser fünf Jahre viele Projekte neu zu entwickeln. Es existieren allerdings bereits ein paar Anker-Projekte: durch Kooperationen, die es schon vorher gab, und auch dadurch, dass wir Partner an Bord haben, die ein Thema vorgeben oder eine inhaltliche Richtung. Als Beispiel nenne ich gern die Pflege-WG, die wir als Projekt zusammen mit dem Evangelischen Johannesstift Pflegen und Wohnen geplant haben. Hier geht es darum, im temporären Zusammenleben von Studierenden, Lehrkräften und Pflegebedürftigen herauszufinden, welche Bedarfe pflegebedürftige Menschen wirklich haben. Auch in anderen Formaten wollen wir auf bestehenden Erfahrungen aufbauen. Für 2024 planen wir ein Transfer-Festival, bei dem wir dann konkrete Projektergebnisse öffentlichkeitswirksam vorstellen wollen. Hierfür werden wir sicherlich auch auf bereits laufende Projekte zurückgreifen. Etwa auf die interdisziplinären Forschungsprojekte des IFAF Institut für angewandte Forschung. Mit der BHT Berlin, der HTW Berlin und der HWR Berlin sind nämlich gleich drei der in „Zukunft findet Stadt“ eingebunden Hochschulen am IFAF beteiligt.

Wie finden Sie Partner für das Projekt?

Alle beteiligten Hochschulen haben natürlich bereits Kooperationen und Kooperationspartner. Inhaltlich sind wir über unsere beiden Schwerpunkte hinaus sehr offen. Es gibt viele Themen, an die wir andocken können und wollen hier künftig insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen ansprechen, die häufig unsicher sind, wo sie ansetzen könnten. Häufig münden solche Kooperationen erstmal in kleineren Projekten. Es können beispielsweise Abschlussarbeiten daraus entstehen, Studierendenprojekte oder eine Promotion. Solche Kooperationen im Kleinen können sich aber durchaus zu größeren Forschungsprojekten entwickeln.

Die Projekte werden also von den Hochschulen angeschoben?

Es werden Projekte angeschoben, Menschen miteinander vernetzt, und es sollen erste Prototypen entstehen. Daher haben wir auch Formate in „Zukunft findet Stadt“ integriert wie Hackademies oder Labs. Wir wollen unsere Labore öffnen und sie nutzbar machen für Akteurinnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft oder für Unternehmen, die konkrete Fragestellungen haben und vor Ort mit den Studierenden arbeiten möchten. Solche Fragestellungen können übrigens auch in bestehende Lehrveranstaltungen eingebettet werden. Mit einer Roadshow durch Berliner Unternehmen wollen wir außerdem Anknüpfungspunkte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ausloten. Schließlich sind wir als Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften für die Stadt da. Und wir wollen, dass Innovationen, die in Berlin entstehen, hier auch umgesetzt werden – und bleiben.

Die geplante Roadshow erwähnten Sie bereits. Mit welchen anderen Maßnahmen wollen Sie weitere Partner für „Zukunft findet Stadt“ gewinnen?

Bereits existierende Partnerschaften mit Einrichtungen wie der Johannisstift Diakonie, dem Museum für Naturkunde Berlin und dem Impact Hub Berlin haben wir bewusst gewählt, um unsere Sichtbarkeit in der Stadtgesellschaft zu erhöhen und damit auch nach außen hin deutlich zu machen, dass Hochschulen ein wichtiger Standortfaktor für Berlin sind. Für den Aufbau von Partnerschaften mit Unternehmen haben wir andere Wege geplant: Zum einen machen wir über Multiplikatoren wie Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg oder auch die IHK Berlin weitere Unternehmen auf das Projekt aufmerksam. Eine Matching-Plattform soll außerdem Kooperationsprojekte zwischen Wissenschaft und Wirtschaft einleiten. Die Bedarfe der Unternehmen und die Expertisen der Hochschulen sollen über die Plattform gezielt zusammengebracht werden. Die Stadtgesellschaft werden wir über Formate wie die „KiezTalks“ sehr niedrigschwellig einbinden, um gemeinsam mit unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu überlegen, was für den jeweiligen Kiez oder Bezirk getan werden kann.

Das Projekt definiert drei Handlungsfelder: „Kommunizieren“, „Vernetzen & Beraten“ und „Anwenden“. Können Sie diese kurz erläutern?

Das Prinzip folgt im Grunde einem Kreislauf. Über verschiedene Kommunikationsformate wie „KiezTalks“ oder das bereits angesprochene Transfer-Festival möchten wir das Projekt „Zukunft findet Stadt“ zunächst nach außen hin sichtbar machen. Ein Beispiel für Vernetzungsformate ist die Matching-Plattform. Es können aber auch Formate wie das Programm „Researchers and Entrepreneure in Residence“ sein, das wir vor einigen Jahren an der HTW Berlin als internes Format für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt haben. Dieses wollen wir jetzt ausweiten und auch Personen aus der Praxis involvieren. Young Professionals aus Unternehmen könnten dann beispielsweise für ein paar Tage in einer vom Alltag entfernten Umgebung zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern brainstormen, welche Projekte von ihren Unternehmen in Kooperation mit den Hochschulen auf den Weg gebracht werden könnten. Im „Anwenden“-Feld geht es schließlich darum, konkrete Fragestellungen etwa in Hackathons zu bearbeiten. Auch Studierenden-Projekte zählen dazu, die konkrete Fragestellungen fokussieren.

Stichwort „Third Mission“: Warum ist der Transfer von Wissen aus der Hochschule heraus heute so wichtig?

Wir arbeiten ja nicht im luftleeren Raum. Forschung und Wissenschaft sollen der Gesellschaft zugutekommen: Über die Ausbildung von jungen Menschen, die bestmöglich darauf vorbereitet werden, dass sie später im Berufsleben ihren Platz finden. Aber auch dadurch, dass Wissen, das ja auch in Kooperation mit Akteurinnen und Akteuren aus der Wirtschaft, mit anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen etc. erarbeitet wird, der Gesellschaft wieder zur Verfügung gestellt wird. Nehmen wir den Klimawandel: Die Wissenschaft hat inzwischen viele tolle Ansätze entwickelt, die dazu beitragen können, dem Klimawandel zu begegnen. Wir werden ihn nicht aufhalten können, aber wir können versuchen, diese Herausforderung als Gesellschaft gemeinsam meistern. Es mag vielleicht ein bisschen idealistisch klingend, aber das ist für mich ein sehr naheliegender Grund für Wissenstransfer. Der andere ist, klar im Blick zu behalten, dass Forschungsergebnisse der Wissenschaft auch von der Praxis genutzt werden können und Relevanz entfalten.

Warum ist Berlin ein gutes Umfeld für das Projekt „Zukunft findet Stadt“?

Berlin hat sehr viel Potenzial. Es gibt hier unglaublich viel Wissen und viele junge Menschen mit kreativen Ideen. Berlin ist dafür prädestiniert, beides zusammenzubringen. Ich habe bereits eine Reihe von Anfragen Studierender erhalten, die bei „Zukunft findet Stadt“ mitmachen und etwas tun möchten, das ihrem unmittelbaren Umfeld zugutekommt. Ich glaube, aus solchen Projekten heraus erwächst eine sehr starke Kraft an den Hochschulen. Und ich hoffe, dass sich das auf die Stadt überträgt. (vdo)

Projekt „Zukunft findet Stadt“

 

Mehr Stories