• See mit Blaualgen-Teppich, Brain City Berlin

    Starkregen, Fische und Bakterien: Was stoppt Blaualgen?

An heißen Tagen ab in den See? Nicht immer eine gute Idee. Wenn grünlich oder bläulich-grün gefärbt Schlieren oder Algenteppiche auf der Wasseroberfläche treiben, kann das Gewässer mit Blaualgen belastet sein. Die Cynaobakterien produzieren Giftstoffe, die für Menschen und Tiere gefährlich sein können. Ein Forschungsteam des „Global Lake Ecological Observatory Network“ (GLEON) hat in einer Übersichtsstudie zusammengestellt, welche Faktoren Blaualgen eindämmen können. Auch Forschende des Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) waren beteiligt.

Ob Wannsee, Krumme Lanke oder Müggelsee – noch ist in den Berliner Badegewässern alles im normalgrünen Bereich. Das kann sich allerdings wie in jedem Sommer schnell ändern. Denn anhaltend hohe Temperaturen, viel Licht und eine hohe Konzentration an Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff führen dazu, dass sich Cyanobakterien – umgangssprachlich auch „Blaualgen“ genannt – explosionsartig vermehren. Wenn grüne Schlieren mit Blaualgenblüten im Wasser treiben, ist Vorsicht geboten. Denn Blaualgen produzieren giftige Stoffe, die Erbrechen, Durchfall und Atemnot verursachen können, wenn man sie schluckt. Im Extremfall können die Bakterien sogar das Nervensystem schädigen.

Blaualgen zu bekämpfen ist nicht leicht. Es gibt nämlich mehrere tausende Arten von Cyanobakterien, die sich in ihrem Aussehen und ihren Eigenschaften stark unterscheiden. Und die Forschung hatte bisher primär im Fokus, unter welchen Bedingungen sich Blaualgen extrem vermehren. Ein Forschungsteam des Global Lake Ecological Observatory Network (GLEON), an dem auch das Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGW) beteiligt ist, machte es andersrum: In einer Übersichtsstudie trugen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen, welche Faktoren das Blühen der Algen beenden können. „Zu wissen, welche Umweltfaktoren und Wechselwirkungen die jeweilige Blaualgenblüte im natürlichen Ökosystem reduzieren, ist entscheidend, um Algenblüten gezielter eindämmen zu können“, so Dr. Stella A. Berger, Forschungsgruppenleiterin in der Abteilung Plankton- und Mikrobielle Ökologie am IGB.

Faktoren, die die Blaualgenblüte eindämmen können

Durchmischung und Starkregen: Wird das Wasser durchmischt, kann das die Vermehrung von Cyanobakterienarten hemmen, da diese sich hauptsächlich an der Wasseroberfläche ansammeln. Wind kann Massenansammlungen zusätzlich zerstreuen und auflösen. Die Gasvesikel einiger auftreibender Cyanobakterien kollabieren außerdem durch den hydrostatischen Druck von Starkregen.

Chemische Stoffe anderer Organismen: Wasserpflanzen, heterotrophe Bakterien, die sich mithilfe anderer Lebewesen ernähren, Pilze und andere Organismen im Wasser können die Blaualgenblüten durch die Produktion chemische Signal- bzw. Botenstoffe ebenfalls hemmen. Diese sogenannten Allelochemikalien schädigen die Zellen verschiedener Cynobakterien.

Natürliche „Krankmacher“: Parasiten, Viren und Bakterien können Cyanobakterien direkt befallen und ihre Vermehrung einschränken. Ein Beispiel sind Cyanobakterien-Phagen. Diese virusähnlichen Partikel befallen ein breites Spektrum von Wirtsarten und können Algenblüten innerhalb weniger Tage stoppen.

Fraßfeinde: Einige größere Lebewesen halten Blaualgen ebenfalls in Schach. Das Zooplankton etwa grast die Algenteppiche regelrecht ab. Wasserflöhe können sich im selben Ökosystem an die Giftstoffe der Cyanobakterien gewöhnen und sie als Nahrungsquelle nutzen. Muscheln filtern die Algenblüten und dämmen so deren Vermehrung ein. Besonders wirksam sind die in Europa und Nordamerika invasiven Dreikantmuscheln, wie die „Quaggamuschel“. Studien belegen, dass sie einen Algenrückgang bis zu 58 Prozent erreichen können. Auch manche Fischarten sind Fraßfeinde der Cyanobakterien.

Nahrungskonkurrenten: Einige Algenarten rauben den Cyanobakterien das für sie lebensnotwendigen Licht und die Nährstoffe, und sie fressen auch kleinere Arten. Bei diesen Konkurrenten handelt es sich um „mixotrophe Algen“. Das heißt, sie betreiben Photosynthese zur Energiegewinnung und ernähren sich von Zellen, um Kohlenstoffverbindungen für ihr Wachstum zu gewinnen.

Einige Studien bewiesen außerdem, dass die künstliche Durchmischung in tieferen Seen eine wirksame Strategie gegen Blaualgen sein kann. In flachen, nicht geschichteten Gewässern hingegen kann die Durchmischung kontraproduktiv wirken, da aus den Sedimenten freigesetzter Phosphor das Wachstum von Cyanobakterien ankurbelt. Chemische Methoden wie das Einbringen von Kupfersulfat und Wasserstoffperoxid in das Gewässer wiederum schaden auch anderen Lebewesen. Gleiches gilt für die biologische Kontrolle durch Fraßfeinde, die sich nur schwer steuern lässt.

Was sich aus der Studie ableiten lässt: Viele der oben genannten Mechanismen können im Prinzip genutzt werden, um Algenblüten zu reduzieren. Die Maßnahmen sind allerdings aufwendig und die Erfolgsaussichten ungewiss. Welche Methode die richtige ist, hängt vom Gewässer, der Cyanobakterien-Art und den Umweltbedingungen ab. Eine weitere Studie belegt jedoch, dass verschiedene Ansätze einzeln oder in Kombination bis zu 100 Prozent der Biomasse der Algenblüte beseitigen können. 

Inwiefern der Klimawandel das Wachstum von Cyanobakterien zum Beispiel durch steigende Temperaturen und eine höhere Nährstoffbelastung der Gewässer begünstigt – dazu gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. So können etwa höhere Temperaturen auch zu hohen Infektionsraten bei Cyanobakterien führen. Und das wiederum hemmt ihre Verbreitung. Dr. Stella A. Berger nennt diese Gegenüberstellung von Wachstums- und Verlustprozessen bei der Erforschung der Entwicklung von Blaualgenblüten den „Nettoeffekt des Klimawandels“.

Wer sich unsicher ist, ob er oder sie dieser Tage in ein unbekanntes Gewässer steigen soll oder nicht, der kann den „Sichttest“ machen: Sind die Füße im knietiefen Wasser noch zu erkennen, besteht in der Regel keine Blaualgengefahr.    

Unser Tipp: Einen aktuellen Überblick über die Wasserqualität der Berliner Badeseen bietet badestellen.berlin.de. Entwickelt wurde die Anwendung im Rahmen des Projekts „Flusshygiene“ der Berliner Wasserbetriebe. (vdo)

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