• Viele kreative Ideen und Ansätze

Im IFAF-Projekt Fairfaktur erforschen Lehrende und Studierende der ASH Berlin und der HTW Berlin in einem interdisziplinären Team, wie insbesondere kleine Unternehmen aus dem Bereich Fair Fashion ihre Produkte besser vermarkten können und unterstützen sie auch dabei. Zum Beispiel durch die Entwicklung von Toolkits und Prototypen. Prof. Dr. Uwe Bettig, Professor für Management und Betriebswirtschaft an der ASH Berlin, leitet das Projekt.

Weltweit steigt das Interesse an nachhaltigen Mode- und Designprodukten, die unter menschenwürdigen Bedingungen fair produziert werden. „Fair Fashion“ versteht sich als Gegenbewegung zur massenproduzierenden „Fast Fashion“. Doch insbesondere kleinere Fairtrade-Anbieter profitieren bisher kaum von dieser Entwicklung. Der Grund: Mangelnde Erfahrung in Design und Marketing hindert die Unternehmen daran, neue Zielgruppen zu erschließen und ihr Marktpotenzial auszuschöpfen. Das vom Institut für Angewandte Forschung Berlin (IFAF) geförderten Projekt Fairfaktur will Fairtrade-Unternehmen aus den Bereichen Crafted Fair Fashion und Home Decor dabei unterstützen, für neue Zielgruppen ansprechende Produkte zu entwickeln und neue Verkaufskanäle zu erschließen. Mehr darüber erzählt Projektleiter Prof. Dr. Uwe Bettig. Der Brain City Botschafter leitet das Ende 2022 angelaufene Projekt Fairfaktur zusammen mit Prof. Johanna Michel vom Studiengang Modedesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin).

Herr Prof. Dr. Bettig, bisher war Ihre Forschung vorrangig auf das Gesundheits- und Sozialwesen fokussiert. Wie kamen Sie zum Projekt Fairfaktur? 

Richtig, mit Mode habe ich mich bislang in meiner Forschung nicht beschäftigt. Das Konzept der IFAF-Förderung ist es jedoch, hochschulübergreifend und interdisziplinär zu forschen. Daher musste ich nicht lange nachdenken, als ich gefragt wurde, mich mit Geschäftsmodellen im Bereich fair produzierter Mode zu befassen. Tatsächlich beschäftige ich mich seit vielen Jahren auch mit den Themen Unternehmensgründungen und Geschäftsmodellentwicklungen. Ich selbst lerne in dem Projekt sehr viel.

Mit welchen Unternehmen arbeiten Sie im Rahmen des Projekts zusammen – und wonach erfolgte die Auswahl?

Das Projekt Fairfaktur führen wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen an der HTW Berlin, Prof. Johanna Michel und Lina Pfeifer, durch. Zu unseren Praxispartnern zählen FOLKDAYS, ein Berliner Sozialunternehmen für Contemporary Fair-Trade Design und der Fairtrade-Pionier El Puente. Beide bieten fair und kunsthandwerklich produzierte Produkte an und haben die Seminare inhaltlich bei der Prototypenentwicklung an der HTW unterstützt – ebenso wie das Forum Fairer Handel. Die Berliner Startegieberatung studio mm04 und die World Fair Trade Organization (WFTO) werden uns bei der Verbreitung der Projektergebnisse helfen. Darüber hinaus hat uns die WFTO Kontakte zu produzierenden Fairtrade-Unternehmen vermittelt, die als Interviewpartnerinnen und -partner im Rahmen der Prototypenentwicklung mitgewirkt haben. Sämtliche Projektpartner stehen darüber hinaus bei der Entwicklung der Toolkits mit ihrer Expertise zur Verfügung, um zielgruppengerechte, praxisrelevante Outputs zu gewährleisten. 

Welche Fragen stellt das Projekt? 

Wir gehen von der Annahme aus, dass kleine, Fairtrade-produzierende Unternehmen aus den Bereichen Crafted Fair Fashion und Home Decor im Markt für sozial-ökologische Produkte nur eingeschränkt Zugang finden. Hier setzt Fairfaktur an. Wir stellen dabei folgende vier Forschungsfragen: Wie können die Ansprüche der Zielgruppen besser adressiert und neue Zielgruppen erreicht werden? Wie können Fairtrade-Unternehmen bei Modernisierungsprozessen unterstützt werden, um ästhetisch ansprechende und marktfähige Produkte zu entwickeln? Welche Kompetenzen benötigen Fairtrade-Unternehmen, um ihre Produkte und Marketingstrategien kontinuierlich an Marktbedürfnisse anpassen zu können? Und: Wie können die aufstrebende Social-Entrepreneurship-Szene in Berlin und traditionelle Fairtrade-Unternehmen besser kooperieren?

Gibt es bereits konkrete Ergebnisse? 

Aus den qualitativen Interviews konnten konkrete Unterstützungsbedarfe und -wünsche abgeleitet werden. Eine wichtige Grundlage für unsere weitere Arbeit, denn Annahmen und Kompetenzlücken haben sich bestätigt. Mit einer Umfrage unter Konsumentinnen und Konsumenten, die durch einen externen Anbieter mit einer zufälligen Stichprobe von 402 Teilnehmenden durchgeführt wurde, konnten wir außerdem bestehende und potenzielle Zielgruppen samt ihrer Bedürfnisse, Motivation und Anforderungen identifizieren. Sozial und nachhaltig orientierte Berliner Modeunternehmen befragten wir außerdem zu den Themen Förderung von Kooperationen sowie zur Integration von Fairtrade-Strukturen in die aufstrebende Szene von Sozialunternehmen. 

Im Sommersemester 2023 erarbeiteten Sie mit Studierenden des Modedesigns an der HTW Berlin eine Prototypen-Kollektion. Was kam dabei heraus? 

Die Designaufgabe lautete: Wie kann zeitgenössische Fairtrade-Mode aussehen, die neue Zielgruppen anspricht? Und welche Kompetenzen braucht ein Modernisierungsprozess in der Produktgestaltung? Herausgekommen sind Prototypen für Bekleidung und Accessoires, die von den beteiligten Kunsthandwerksorganisationen inspiriert waren. Auch im noch laufenden Wintersemester entwickelt ein Masterkurs verschiedene Produkte aus den Bereichen Mode und Heimtextilien und fertigt Prototypen an. In beiden Seminaren haben sich die Studierenden übrigens auch mit dem Thema kulturelle Aneignung in Textil und Mode und mit den Herausforderungen des fairen Handels auseinandergesetzt. Sie konnten so ihre eigenen Kompetenzen für den Fairtrade-Markt stärken.

Wie werden die teilnehmenden Unternehmen über das Projekt hinaus unterstützt? 

Fairfaktur entwickelt die bereits erwähnten niedrigschwelligen Toolkits. In diesen bereiten wir die Expertise in den Bereichen Design, Marktzugang und Kommunikation für Kunsthandwerksorganisationen und Produzenten des Fairen Handels zielgruppengerecht und praxisorientiert auf. Unsere Ausgangsannahme ist dabei, dass die kleinen Unternehmen aus diesem Bereich wenig finanzielle und personelle Ressourcen haben, um eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Toolkits dienen daher als Leitfaden. Sie umfassen Anleitungen und Werkzeuge, die eigenständig auch branchenübergreifend umgesetzt werden können. Die Toolkits werden über die WFTO, weitere Projektpartner und Netzwerke gestreut und langfristig öffentlich zugänglich sein, denn wir wollen über die teilnehmenden Organisationen hinaus möglichst viele weitere erreichen.

Inwiefern ist die Brain City Berlin ein guter Standort für das Projekt?

Berlin hat nicht nur eine großartige Hochschullandschaft, sondern es finden sich hier auch spannende Unternehmen, die mit den Hochschulen kooperieren und großes Interesse daran haben, Fragestellungen aus und für die Praxis zu bearbeiten. Wir arbeiten an der ASH Berlin mit vielen Unternehmen, Verbänden und Vereinen an gemeinsamen Fragestellungen zusammen. Davon profitieren auch die Studierenden, zum Beispiel im Rahmen von Abschlussarbeiten.

Was hat Ihnen an dem Projekt Fairfaktur bisher besonders viel Spaß gemacht?  

Mir macht der Austausch innerhalb des ASH-Teams viel Spaß. Auch mit den Kolleginnen und Kollegen der HTW Berlin stehen wir regelmäßig und kollegial in Kontakt. Mein besonderes Highlight ist allerdings die Prototypen-Kollektion. Ich war begeistert, welch tolle Ideen die Studierenden in so kurzer Zeit entwickelt haben. Auch im Bereich der Beratung und Geschäftsmodellentwicklung arbeiten Studierende im Rahmen einer Lehrveranstaltung mit. So entstehen viele kreative Ideen und Ansätze, die wir im Projekt weiterverfolgen. (vdo)

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