• Roboter assistiert im OP-Saal, Brain City Berlin

    Europäische Testinfrastruktur für KI im Gesundheitswesen

Roboter assistieren im OP-Saal, Monitoring-Systeme helfen, Krankheiten früher zu erkennen und chronische Krankheiten medizinisch zu überwachen: Künstliche Intelligenz ist in Krankenhäusern, Arztpraxen und Laboren zunehmend im Einsatz. Sie unterstützt Arbeitsabläufe im Gesundheitswesen und macht die Versorgung effizienter. Doch wie sicher und vertrauenswürdig sind solche KI-basierten Anwendungen? Derzeit existieren kaum standardisierte Prozesse und Infrastrukturen, um solche Produkte unter realen Bedingungen ausreichend zu testen und zu validieren. Dies ist allerdings auf europäischer Ebene auch für den Gesundheitsbereich inzwischen vorgeschrieben. Hier setzt TEF-Health an, eine länderübergreifende „Test- und Experimentiereinrichtung für KI und Robotik im Gesundheitswesen“. Prof. Dr. Petra Ritter, Leiterin der Arbeitsgruppe Gehirnsimulation am Berlin Institute of Health (BIH) der Charité – Universitätsmedizin Berlin, koordiniert das Konsortium. Im Brain City Interview gibt sie einen Einblick in das Projekt TEF-Health.

Frau Prof. Dr. Ritter: Das Projekt TEF-Health ging Anfang 2023 an den Start. Warum gerade jetzt? 

Das hat einen gewichtigen Grund: 2024 ist europaweit die KI-Verordnung in Kraft getreten. Die Verordnung soll als umfassender Rechtsrahmen dafür sorgen, das Künstliche-Intelligenz-Systeme im europäischen Raum sicher und vertrauenswürdig entwickelt und eingesetzt werden. Das betrifft natürlich auch den medizinischen Bereich. Das heißt konkret: Ab 2026 müssen alle medizinischen Geräte, die KI-Systeme beinhalten – also komplexere mathematische Berechnungen auf Basies der Daten von Patientinnen und Patienten erstellen – auf Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit im Sinne der KI-Verordnung geprüft und zertifiziert werden. Es gibt derzeit noch eine Karenzzeit. Aber insbesondere für Start-ups und KMU stellen diese Vorgaben eine große Herausforderung dar. Auch die Zertifizierer müssen sich auf die neue KI-Verordnung erst einmal einstellen. Es müssen Standards, Normen und Testprotokolle definiert werden. Unternehmen wiederum benötigen sichere Infrastrukturen, in denen sie ihre KI-Systeme testen können und die auch Zugang zu Gesundheitsdaten bieten. Hier kommt TEF-Health ins Spiel.

Was genau bietet TEF Health denn an? 

Mit TEF-Health wollen wir vor allem neue KI-Ansätze in realitätsgetreuen Szenarien testen. Dazu gehören neue Software, die in Bereichen wie Patientenversorgung und Diagnostik eingesetzt wird ebenso wie Operations- und Pflegeroboter. Wir werden prüfen, wie wir den Marktzugang und die Akzeptanz dieser intelligenten Technologien erleichtern können. Benötigt werden dafür beispielsweise Cloud-Infrastrukturen, Hochleistungsrechner, aber auch physische Umgebungen – wie Operationssäle oder Intensivstationen. Als europäische „Testing Experimentation Facility for Health AI und Robotics“ ist TEF Health ein Zusammenschluss von 52 zur Hälfte privaten und zur Hälfte öffentlichen Organisationen unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zusammen bieten wir derzeit ein Repertoire an Dienstleistungen für KMU und Start-ups an. Längerfristig möchten wir den gesamten Bereich der Gesundheitsindustrie ansprechen. Dafür werden viele verschiedene Dienstleistungen benötigt, die wir auf der Plattform zusammenführen.

Und wie bringt die Plattform solche Dienstleister mit Unternehmen zusammen?

Derzeit sind in die Datenbank von TEF-Health rund 340 Dienstleistungen von Anbietern aus acht europäischen Ländern eingespeist. Diese kann man über eine Suche auf der Webseite gezielt nach Kategorien filtern und sichten. Wer sich da durchklickt, erhält schnell sehr detaillierte Informationen mit Preisbeispielen für jede einzelne Dienstleistung. Über den Button „Apply for Discount“ können sich Unternehmen dann für eine Dienstleistung bewerben. Während der ersten fünf Jahre, in denen das Projekt noch gefördert wird, können wir diese Dienstleistungen noch zu reduzierten Preisen anbieten. Der Antrag wird dann von uns auf seine Eignung geprüft und evaluiert. Bei positivem Ergebnis erfolgt danach ein Matchmaking zwischen dem Unternehmen und dem Anbieter der Dienstleistung. Diese Matches können über die Grenzen der Mitgliedsländer hinweg laufen. Das heißt, ein KMU aus Deutschland kann beispielsweise Dienstleistungen aus Portugal oder Schweden in Anspruch nehmen oder umgekehrt. Dadurch kommt es zu einer viel größeren Vernetzung und auch zur Nutzung von Synergien.

Bietet das Projekt ausschließlich Infrastrukturen an – oder sind die Dienstleistungen auch verbunden mit Forschung?

Unsere Zielgruppe sind Anbieter von innovativen Produkten, die mindestens einen Technology Readiness Level (TRL) von sechs haben. Das ist die Prototoypen-Phase, in der validiert und zertifiziert wird und klinische Studien stattfinden. Die Forschungs- und Entwicklungsphasen unterhalb von TRL sechs bedienen wir eigentlich nicht. Vereinzelt machen wir Ausnahmen. Aber prinzipiell bieten wir keine Forschungsdienstleistungen an, sondern ausschließlich Validierung, Testung und den Support, um Produktinnovationen marktfertig zu machen.

Wie sind Sie in das Projekt TEF-Health eingebunden? Spielt Ihre Spezialisierung auf Gehirnsimulation eine Rolle? 

Ich koordiniere die europäische Testinfrastruktur. Unsere Arbeitsgruppe entwickelt aufgrund der Anforderungen an Gehirnsimulationen seit vielen Jahren Cloudinfrastrukturen mit Hochleistungsrechenkapazitäten für personenbezogene und Gesundheitsdaten – also für digitale Zwillinge von Gehirnen. Zunächst im Rahmen der European Open Science Cloud (EOSC), aber auch in Folgeprojekten, die mit vielen Millionen gefördert wurden. Wir haben dafür virtuelle, sichere Forschungsumgebungen entwickelt, die für solche Testinfrastrukturen eine wichtige Grundlage bilden. Und natürlich sind Gehirnsimulation und KI eng miteinander verbunden, denn künstliche Intelligenz wird durch die Informationsverarbeitung in neuronalen Netzen inspiriert. Ich fand die Aufgabe, das Projekt zu koordinieren, von Anfang an spannend. TEF-Health hat viele Aspekte, die wir mit unseren Entwicklungen und unserer Expertise bedienen und bereichern können.

Das Projekt TEF-Health ging ja Anfang 2023 an den Start. Wie haben innerhalb von zwei Jahren mehr als 50 Partner zusammengefunden?

Die Information, dass die Europäische Kommission eine entsprechende Ausschreibung plant, habe ich ursprünglich über Berlin Partner erhalten. Das wurde damals über verschiedene Kanäle kommuniziert, denn eine wesentliche Voraussetzung war, dass die Mitgliedstaaten des Projekts zusammen 50 Prozent der Gesamtfördersumme von 60 Millionen Euro aufbrachten. Ich habe dann im Rahmen einer Vielzahl von Meetings Kontakte aktiviert beziehungsweise neu geknüpft und das Konsortium aufgebaut. Dieses stand dann zur Antragsfrist im Mai 2022 bereits in seiner jetzigen Form.

Wie setzt sich das Konsortium zusammen?

Die Zusammensetzung der Partner geht weit über die reine Forschungsexpertise hinaus. Neben Krankenhäusern, Universitäten und klinischen Einrichtungen sind beispielsweise auch Standardisierungsautoritäten der Mitgliedsländer im Konsortium vertreten. Etwa die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) oder ihr französisches Pendant, das Laboratoire national de métrologie et d'essais (LNE). Auch Organisationen von Zertifizierern wie der TÜV Verband und das aus dem TÜV Verband heraus gegründete TÜV AI.Lab sind dabei. Partner aus dem Berliner Raum sind neben der Charité und dem Berlin Institute of Health (BIH) u.a. der KI-Park, das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI) – und natürlich Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie. 

Und wie lange wird das Projekt TEF-Health laufen?

Es gibt kein Ende. Das Projekt soll als Arbeitsnetzwerk nach dem Ende der initial fünfjährigen Förderungen durch die Europäische Gemeinschaft und die Mitgliedsländer weiterlaufen. Dies wurde im Förderbescheid festgelegt. Das Projekt soll Einnahmen erwirtschaften, aber das reicht nicht, um die weitere Entwicklungsarbeit von TEF-Health mit all ihren Facetten zu finanzieren. Deswegen holen wir gerade finanzielle Zusagen von den Mitgliedsländern ein. Hierbei kommt uns entgegen, dass die europäischen Staaten nach der KI-Verordnung verpflichtet sind, Unternehmen für ihre KI-Systeme sogenannte „Regulatory Sandboxes“ zur Verfügung zu stellen. Reallabore, in denen Unternehmen ebensolche Infra- und Supportstrukturen nutzen können, wie wir sie mit TEF entwickelt haben. Hierfür müssen die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten permanente Ressourcen bereitstellen. Das kann auch über die staatlichen Grenzen hinweg in Form von Konsortien sein. European Digital Infrastructure Consortia (EDICs) bieten sich dafür an. Der Vorteil ist, dass die EU-Kommission hier ebenfalls einen finanziellen Beitrag leistet. TEF-Health soll also eine permanente Institution werden. Davon wird nicht nur das europäische Gesundheitssystem profitieren, sondern wir alle. Denn mit TEF-Health wollen wir dazu beitragen, dass die digitale Transformation im Gesundheitsbereich sicher und transparent verläuft.

Interview: Ernestine von der Osten-Sacken

 

Prof. Dr. Petra Ritter, Leiterin der Arbeitsgruppe Gehirnsimulation am Berlin Institute of Health (BIH) der Charité – Universitätsmedizin Berlin, koordiniert das Projekt TEF-Health. (© Charité – Universitätsmedizin Berlin)

Mehr Stories