• Romantischer Gender-Gap

Sind feste Beziehungen wichtiger für Frauen oder für Männer? Eine internationale Studie, an der das Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin federführend beteiligt war, hat diese Fragestellung untersucht. Mit überraschendem Ergebnis.

Immer mehr Menschen leben heute vorübergehend oder dauerhaft allein. Rund 5,19 Millionen „überzeugte Singles“ gab es laut einer Allensbach-Umfrage 2024 in Deutschland. Und nach Angaben führender Dating-Portale ist inzwischen jede und jeder dritte Deutsche zwischen 18 und 69 Jahren Single. Der Männeranteil liegt dabei leicht über dem der Frauen.

Doch wer hat mehr Probleme damit, allein zu sein? Romantische Filme und Gender-Stereotype legen nahe, dass Frauen stärker darunter leiden. Iris Wahring, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) ist zusammen mit ihren Kollegen Jeffry Simpson von der University of Minnesota und Paul van Lange von der Vrije Universität Amsterdam zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen. Das Team führte Befunde aus mehr als 50 wissenschaftlichen Studien zu Geschlechterunterschieden in heterosexuellen Beziehungen zusammen und analysierte sie. Dabei gewannen die Forschenden überraschende Einsichten. Die wesentlichste Erkenntnis: Feste Beziehungen sind psychologisch wichtiger für Männer als für Frauen. „Männer sind offenbar tendenziell stärker darauf fokussiert, feste Beziehungen einzugehen“, sagt Iris Wahring, Hauptautorin der Untersuchung. Außerdem wirkten sich feste Beziehungen bei Männern positiver auf Wohlbefinden und Gesundheit aus als bei Frauen. „Selbst die Lebenserwartung von Männern hängt stärker davon ab, ob sie in einer festen Beziehung leben, als das bei Frauen der Fall ist“, so Wahring. Ein weiteres Schlüsselergebnis der Untersuchung: Männer initiieren bei einer festen Beziehung seltener als Frauen die Trennung. Außerdem empfinden sie nach einer Trennung eher Einsamkeit und neigen weniger dazu, die positiven Seiten der Trennung zu sehen.

In einem theoretischen Modell zeigte die drei Forschenden außerdem verschiedene Erklärungsansätze für diese Verhaltensunterschiede auf. Leicht nachvollziehbar: Emotionale Bedürfnisse definieren das Beziehungsverhalten entscheidend. „Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass Frauen typischerweise mehr emotionale Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld erhalten als Männer“, erläutert Iris Wahring. „Daher sind heterosexuelle Männer stärker von ihrer festen Partnerin abhängig, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen als heterosexuelle Frauen.“ Den wesentlichen Grund für dieses emotionale Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern sieht Ko-Autor Paul van Lange in sozialen Normen. Diese hätten Einfluss darauf, dass Frauen häufiger Emotionen mit anderen teilten und einander stärker unterstützten als Männer. „Schon kleine Kinder erleben diese Normen, denen zufolge es für Mädchen viel üblicher und angemessener ist als für Jungen, Emotionen und Verletzlichkeiten zu teilen“, so van Lange. Ohne eine feste Partnerin fehle es Männern daher oft an sozialen Kontakten. An Menschen, denen gegenüber sie sich öffnen können und die sie emotional unterstützen. Das könne weitreichende Konsequenzen für Gesundheit und Wohlbefinden haben.

Das von den Forschenden auf Basis der analysierten Befunde entwickelte theoretische Modell berücksichtigt Geschlechtsunterschiede in verschiedene Phasen von Beziehungen. Bislang existierte ein solches Modell nicht – obwohl beispielsweise der geschlechterspezifische Zusammenhang zwischen Beziehungen und Gesundheit gut dokumentiert ist. Die Studie beruht allerdings ausschließlich auf Befunden zu heterosexuellen Beziehungen, zumeist in westlichen Industrieländern. Van Lange: „Welche geschlechtsspezifischen Unterschiede es bei Männern und Frauen in homosexuellen Beziehungen oder in anderen Kulturen gibt, diese Fragen müssen zukünftige Studien beantworten.“

Die Ergebnisse der Studie mögen manchen Single überraschen. Dass sich aus einem Flirt eine feste Beziehung entwickelt – das wünschen sich trotzdem Frauen ebenso wie Männer. Jetzt ist sogar die beste Zeit für Romantik und rote Rosen. Denn: In einem Monat ist Valentinstag! (vdo)  

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