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© Berlin University Alliance / Stefan Klenke
09.04.2025„Forschungstransfer durch Agilität“
Mit dem innovate! lab will die Berlin University Alliance (BUA) Spitzenforschung schnell und zielgerichtet in die Praxis bringen. Die Ende März gegründete 100-prozentige Tochter des Exzellenzverbunds aus Freier Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technischer Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin soll sich in spätestens vier Jahren selbst tragen. Finanziell angeschoben wird das Projekt durch die Hamburger Joachim Herz Stiftung. Dr. Alexandra-Gwyn Paetz, Geschäftsführerin der BUA erzählt im Brain City-Interview mehr über die Zielsetzung der gemeinnützigen GmbH. Und sie erläutert, warum das Konzept des innovate lab! gerade in der Brain City Berlin Erfolge verspricht.
Frau Dr. Paetz, mit dem innovate! lab startet die Berlin University Alliance etwas völlig Neues. Warum gerade jetzt – und mit welchem Ziel?
Lassen Sie mich dazu etwas ausholen: Die Einrichtungen der Berlin University Alliance betreiben, nicht zuletzt durch die Exzellenzförderung, in allen Bereichen zukunftsorientierte Forschung auf international hohem Niveau und zunehmend auch gemeinsam. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen sind mittlerweile so komplex und weitreichend, dass es des Zusammenspiels verschiedener Perspektiven, Disziplinen, Akteure und Institutionen bedarf. So braucht es einerseits die intensive Zusammenarbeit in der Wissenschaft – das ermöglichen wir bereits strategisch und strukturell über die BUA. Andererseits braucht es aber auch den Austausch mit Wirtschaft und Gesellschaft, um das Wissen nutzbar zu machen. Auch hier sehen wir als BUA eine relevante Aufgabe darin, genau für diese Austauschprozesse Strukturen zu schaffen. Das innovate! lab setzt hier an und soll gezielt den Transfer aus der Spitzenforschung beschleunigen. Das ergänzt das Transferportfolio in Berlin ideal – wie etwa Science & Startups, den gemeinsamen Gründungsservice der BUA-Universitäten. Berlin gilt zu Recht als eines der besten Innovations-Ökosysteme Deutschlands.
Bestehen denn bereits Kontakte zur Wirtschaft?
Selbstverständlich – das macht ja unter anderem das großartige Innovations-Ökosystem Berlins aus. Ein prominentes Beispiel ist das gemeinsame Center for Gene and Cell Therapies, das die Bayer AG und die Charité im vergangenen Jahr gegründet haben. In der Tat ist es uns ein zentrales Anliegen, auch im innovate! lab genau hinzuhören: Was sind konkrete Bedarfe von Industrie und Wirtschaft und wie können wir diese aufnehmen? Diese Kultur, frühzeitig und auf Augenhöhe in Austausch zu gehen, ist Teil der DNA der BUA. Ein Beispiel sind Workshops, in denen wir Schülerinnen und Schüler gefragt haben: Was treibt euch eigentlich um? Daraus wiederum haben wir im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft Forschungsfragen generiert und konkret dazu passende Forschungsprojekte auf den Weg gebracht, die alle einen Innovationsbezug haben.
Das innovate! lab fokussiert sich vorerst auf Grüne Chemie. Warum gerade dieser Bereich?
Hier kommt vieles ideal zusammen im Sinne von „Science Push“ und „Industry Pull“. Die Chemie gehört zweifelsfrei zu den forschungsstarken Bereichen Berlins, vor allem im Kontext nachhaltiger Materialien und Technologien. Entsprechend gibt es hier auch Forschungsstrukturen, wie etwa den Exzellenzcluster „Unifying Systems of Analysis“ oder das BMBF-Projekt „greenChem“, auf denen wir aufbauen können. Gleichzeitig ist der Bedarf an Lösungen unter anderem in der Chemieindustrie selbst sehr groß, auf erneuerbare Ressourcen und kreislauffähige Produkte umzustellen. Diese Kombination hat auch unsere Förderin überzeugt.
... die Joachim Herz Stiftung …
Exakt. Die Joachim Herz Stiftung setzt sich sehr für den Transfer von Ergebnissen aus der Spitzenforschung in die Praxis ein und ist auch an innovativen Organisationsstrukturen interessiert. Insofern konnte unser inhaltliches und strukturelles Konzept überzeugen, das wir im Lauf der Förderung parallel validieren werden. Die Stiftung fördert den Aufbau des innovate! lab über einen Zeitraum von maximal vier Jahren mit bis zu fünf Millionen Euro. Danach soll sich das innovate! lab als gemeinnützige GmbH und einhundert-prozentige Tochter der BUA selbst tragen. Indem es sich beispielsweise an Ausgründungen beteiligt oder von Lizenzeinnahmen profitiert. Wenn man unternehmerisches Feuer entfachen möchte, ist es gut, selber unternehmerisch agil aufgestellt zu sein.
In innovationsträchtigen DeepTech-Bereichen wie Green Technology liegt die Zukunft. Allerdings benötigt DeepTech lange Entwicklungszeiten. Steht dies nicht einem raschen Transfer im Wege?
Das ist richtig. Und genau deswegen kommt es gerade im Kontext DeepTech verstärkt auf ermöglichende Strukturen an. Da sind wir dann schnell bei der Mission der BUA. Wir haben beispielsweise die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ungeachtet ihrer Heimatinstitutionen, BUA-weiten Zugang zu Forschungs-, Daten- und IT-Infrastrukturen erhalten. Insofern kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Bedarfen und die dafür erforderlichen Ressourcen leichter und schneller zusammen. Forschung und Entwicklung in Berlin eröffnet dies neue Möglichkeiten. Das Beispiel zeigt, dass wir im Verbund weniger institutions- als vielmehr standortbezogen denken. Diese Denkweise kann man auch an der Organisationsstruktur des innovate! lab ablesen. Über eine Gesellschafterin sind alle vier BUA-Institutionen beteiligt, was unter anderem effektive und effiziente Abstimmungsprozesse ermöglicht. Sie sehen also, wie gerade die BUA-Mission Transfer beschleunigen kann – auch im Kontext DeepTech. Unser innovate! lab wird diese Möglichkeiten ausschöpfen.
Die Transferprozesse des innovate! lab sollen wissenschaftlich begleitet, evaluiert und auch auf ihre Nachhaltigkeit hin bewerten werden. Wie genau soll das geschehen?
Erfolgsmessung ist ganz klar ein integraler Bestandteil unseres Programms. Zum einen möchten wir dadurch herausfinden, welche Wege und Instrumente des Transfers wie erfolgsversprechend sind. Wir fördern ja nicht nur Ausgründungen, sondern gezielt auch den Transfer in etablierte Unternehmen, was ich als besonders relevant erachte. Zum anderen evaluieren wir, wie nachhaltig sich die verwendeten Materialien und Technologien auswirken. Wir schauen also quasi mehrere Wertschöpfungsstufen weiter. Das wird sicherlich das Blickfeld weiten. Welche Kriterien wie angesetzt werden, wird die Begleitforschung zeigen.
In den Startlöchern steht in Berlin auch das als Public-Private-Partnerschaft angelegte Transfer-Konsortium UNITE. Die Zielsetzung ist ähnlich, der Fokus liegt allerdings auf wissenschaftlichen Start-ups. Die BUA-Universitäten gehören zu den Gründungmitgliedern. Sehen Sie UNITE als Konkurrenz?
Im Gegenteil. UNITE wird den Standort aus meiner Perspektive heraus wirklich befeuern und das Ökosystem im Berlin-Brandenburg strukturieren. UNITE sehe ich als große Plattform, an die alle Elemente andocken können, die wir im Berliner Innovations-Ökosystem haben. Eine Stärke Berlins ist die sehr hohe Dichte an wissenschaftlichen Institutionen. Die Herausforderung liegt darin, das Potenzial dieser Stärke auszuschöpfen, eine gemeinsame Vision auszuhandeln. Da haben wir in der BUA mit knapp 120.000 Studierenden und 1.500 Professuren eine gewisse Erfahrung. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es aufgrund der Public-Private-Partnerschaft mit UNITE gelingen wird, eine gemeinsame Vision in der Innovation zu verfolgen und so die Stärken des Ökosystems noch besser auszuspielen. Von daher suche ich gar nicht die Trennschärfe zum innovate! lab, sondern verspreche mir durch UNITE einen richtigen Push – auch für die BUA-Strategie.
Sie definieren das innovate! lab als einen Meilenstein in der weiteren Gestaltung Berlins zum führenden Wissens- und Innovationsraum. Soll es auch Impulse über Berlin hinaus setzen?
Zunächst einmal ist die Berlin University Alliance zweifelsfrei fest in der deutschen Hauptstadt verankert. Als Verbund setzt unsere Struktur bundesweit Impulse. Eine Anforderung der Exzellenzförderung ist es ja, über den eigenen Standort hinaus zu wirken. Es ist auch kein Zufall, dass wir über die BUA tragfähige Partnerschaften mit den Universitäten in Oxford und Singapur aufgebaut haben, wo es jeweils sehr starke Innovations-Ökosysteme gibt. Unsere Aufgaben sind alle international verwoben – wie könnte das bei den vielen globalen Themen, wie etwa Klimaschutz oder Gesundheit, auch anders sein. Die politische Situation in den USA zeigt derzeit auf traurige Art, wie international verflochten die Wissenschaft auch in Berlin ist.
Ist das innovate! lab typisch Berlin?
Unbedingt! Jede Innovation lebt vom Austausch – und wo geht das besser als in der Brain City Berlin? Was mich wirklich noch immer fasziniert: So viele Top-Leute aus unterschiedlichen Feldern, viele mit internationalem Background, auf so dichtem Raum.
Interview: Ernestine von der Osten-Sacken / Berlin University Alliance