• Hund vor dem STOFF2-Schriftzug, Brain City Berlin

    Der kleine, feine Zwischenschritt

Die berühmte Gründer-Garage, in der Start-ups ihren ersten Schritt tun, kann manchmal auch eine Küche sein. Wie im Fall von STOFF2. Einer der beiden Gründer, der Elektroingenieur Andrew Zwinkels, führte dort 2020 erste Versuche in einem Whisky-Glas durch. Inzwischen ist das junge Unternehmen auf rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsen. Das Team entwickelt auf dem Gelände des Berliner Zukunftsorts „Berlin TXL – Urban Tech Republic“ eine neue Technologie zur Herstellung von grünem Wasserstoff: STOFF2 will die „Zink-Zwischenschritt-Elektrolyse“ (ZZE) zur Marktreife bringen und arbeitet dabei auch eng mit der Technischen Universität Berlin zusammen. Was genau ZZE ist und warum das Techprodukt von STOFF2 die Nutzung der Energie aus Wind und Sonne revolutionieren kann, erzählt Christian Friebe, Head of Public Affairs, im Brain City Interview.

Herr Friebe, was ist das Besondere an dem Produkt von STOFF2?

Normale Elektrolyseure – das sind Anlagen, die Wasser mit Hilfe von Strom in Wasser- und Sauerstoff zerlegen – erzeugen grünen Wasserstoff in dem Moment, wenn erneuerbarer Strom zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass der klassische Elektrolyseur immer nur dann Wasserstoff erzeugen kann, wenn fluktuierende erneuerbare Energien auch zeitgleich zur Verfügung stehen. Unser System kombiniert die Elektrolyse mit einem Energiespeicher in einer Anlage. Das heißt: In jeder Zelle unserer Zink-Zwischenschritt Elektrolyse wird der grüne Strom zunächst über vier Stunden geladen. Das System speichert die aufgenommene Energie in Form von festem Zink sicher über Stunden, ja sogar Tage. Im dritten Schritt wird grüner Wasserstoff bedarfsgerecht entladen – und das 12 bis 24 Stunden lang.

Welche konkreten Vorteile hat das System für Kunden?

Gleich mehrere: Zum einen laden unsere ZZE-Anlagen durch den ‚Zwischenschritt‘ der Energiespeicherung den erneuerbaren Strom aus Wind und Sonne nur dann, wenn er im Überfluss zur Verfügung steht und damit sehr günstig ist. Der Strombezug ist ein wesentlicher Kostenfaktor bei grünem Wasserstoff. Zum anderen können sie auch ausschließlich erneuerbaren Strom laden, der ansonsten vom Netzbetreiber „abgeregelt“, also gar nicht erst erzeugt wird. Und der damit für die Energieversorgung verloren ginge, weil gerade keine Netzkapazitäten zur Verfügung stehen. Hinzu kommt: Unsere Anlagen produzieren den grünen Wasserstoff zeitversetzt genau dann, wenn der Kunde ihn benötigt. Das kann auch eine kontinuierliche 24/7-Versorgung sein. Diese Flexibilität in der Wasserstoff-Erzeugung hat insbesondere für Industrieunternehmen große Vorteile und ist einzigartig.

Wie entstand die Geschäftsidee? 

Unsere Gründer, Andrew Zwinkels und Alexander Voigt, arbeiten bereits seit vielen Jahren an der Entwicklung und Skalierung von Energiewendetechnologien. Mit dem Hochlauf von erneuerbaren Energien ist auch der Bedarf an Energiespeichern gewachsen. Die beiden haben seit mehreren Jahren umfangreiche Erfahrungen mit Batteriespeichern, Hochtemperaturspeichern und zuletzt Zink sammeln können. Einen der ersten Versuche mit Zink führte Andrew Zwinkels dann in einem Whiskyglas in seiner Küche durch. Wenn Sie zu uns nach Tegel kommen, können Sie eine ganze Reihe von Prototypen sehen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Mittlerweile arbeiten wir mit rund 30 Mitarbeitern am letzten Skalierungsschritt hin zu einem Elektrolyseur, der in einem etwa sechs Meter langen Container Platz hat, in Serie produziert werden wird und damit im industriellen Umfeld eingesetzt werden kann.

Welches waren und sind die größten Herausforderungen bei der Gründung und Weiterentwicklung von STOFF2?

Ein Technologie-Unternehmen ist grundsätzlich kapitalintensiver als andere, und es braucht mehr Zeit bis ein Produkt in industriell relevanter Größenordnung entwickelt ist. Die Technologieentwicklung ist teuer und muss daher möglichst schnell erfolgen. Gleichzeitig sollte das Produkt am Ende stabil und sicher funktionieren und darüber hinaus günstig zu fertigen sein. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns seit dem Tag der Gründung.

Wie wurde das Start-up bisher finanziert?

Durch die Gründer und verschiedene strategische Investoren. In den bisherigen Skalierungsphasen haben wir auch sehr wir darüber hinaus sehr von den öffentlichen Fördergeldern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) profitiert. Wertvoll für uns ist dabei nicht nur die finanzielle Unterstützung, sondern auch die externe Validierung unserer Arbeit. Der Fortschritt und die Realisierbarkeit unseres Systems wurden sowohl zum Zeitpunkt des Förderantrags als auch während der Förderperiode immer wieder von externen Fachleuten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und des Projektträgers Jülich (PtJ) überprüft und begleitet. 

Haben Sie bereits Kunden? 

Wir sind im Moment mit einer Vielzahl von potenziellen Kunden im Gespräch. Das sind Projektentwickler, oft aus dem Bereich Wind- und Photovoltaikparks, Energieversorger, die auch die Strom- und Gasinfrastrukturen im Blick haben, und Industrieunternehmen, die rund um die Uhr eine zuverlässige Versorgung mit grünem Wasserstoff benötigen. Das Interesse an unserem Produkt ist sehr groß. Insbesondere bei denjenigen, die in der Vergangenheit selbst schon Wassererstoff-Projekte umgesetzt haben und so auf eigene Erfahrungen zurückgreifen können. Gleichzeitig möchten alle Kunden die Technologie gerne im Feld im Einsatz sehen. Aus diesem Grunde testen wir die Technologie aktuell auch im Zusammenspiel mit anderen Akteuren der Energieversorgung intensiv: Im Forschungsprojekt Hydrogen Terminal Braunschweig, das wir in Kooperation mit dem Steinbeis-Innovationszentrum energieplus (SIZ) durchführen, möchten wir unser System erstmals im industriellen Umfeld installieren. STOFF2 ist außerdem in das europäische REFORMERS-Projekt  eingebunden. In der niederländischen Stadt Alkmaar entsteht ein „Renewable Energy Valley“. Dort wird der STOFF2-Elektrolyseur im Jahr 2026 installiert und im Zusammenspiel mit anderen Energiewendeinnovationen und Infrastrukturen intensiv getestet werden. 

Gibt es auch Forschungsverbindungen zu Berliner Hochschulen oder wissenschaftlichen Einrichtungen in Berlin?

Bei der Umsetzung des vorerst letzten Skalierungsschritts arbeiten wir am Standort Tegel im Rahmen des Verbundvorhabens ZZE-GREEN-H2 eng mit der TU Berlin zusammen, um den technologischen Reifegrad unseres Produkts zu erhöhen und damit den Grundstein für die Serienfertigung zu legen.

Warum ist Berlin ein guter Standort für Start-ups mit wissenschaftlichem Hintergrund?

Berlin – insbesondere die .GUT Community in der Urban Tech Republic – ist ein hervorragender Standort für die Entwicklung von Klimaschutztechnologien. Am Standort versammeln sich Start-ups, die Werkstätten für den Bau von Prototypen benötigen. Es gibt vor Ort ein Community-Areal, das intensiv von ansässigen Unternehmen wie uns, aber auch von externen Organisationen für Veranstaltungen genutzt wird. Mittlerweile sind gut 20 Start-Ups vor Ort – von nachhaltigen Baustoffen über Hochtemperatur-Energiespeicher bis hin zu Solar-Dachziegeln, Algen und Drohnen ist thematisch alles dabei. Diese Community ist über Berlin und Deutschland hinaus sichtbar.

Welche Vision haben Sie für STOFF2– und wo soll Ihr Unternehmen in fünf Jahren stehen?

In fünf Jahren möchten wir mit unserer Technologie einen relevanten Beitrag zur Energiewende in allen Sektoren leisten. Bis dahin werden wir an mehreren Standorten eine industrielle Serienfertigung unserer ZZE-Elektrolyseure aufgebaut haben und damit gemeinsam mit unseren Partnern und Kunden eine Vielzahl von Projekten für grünen Wasserstoff in Deutschland und Europa umsetzen.

Interview: Ernestine von der Osten-Sacken

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