• Die beiden steinernen Köpfe vor dem Forum Adlershof von unten.

    „Wir leben von der Nähe und dem Austausch“

Der Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof ist der größte der insgesamt elf Berliner Zukunftsorte. Inhaltlich ist der Standort im Südosten der Brain City Berlin breit aufgestellt, der Fokus liegt jedoch traditionell auf Naturwissenschaften. Auch die enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist in Adlershof historisch gewachsen.

„Es gab eigentlich schon immer Innovation hier am Standort. Und immer schon kluge Köpfe“, sagt Cindy Böhme. „Das macht Adlershof wirklich besonders“. Die 33-Jährige ist Unternehmenssprecherin der landeseigenen WISTA Management GmbH, die den inzwischen wohl größten deutschen Wissenschafts- und Technologiepark entwickelt und betreibt. Mit der Geschichte dieses heutigen Berliner Zukunftsorts im Südosten von Berlin ist Cindy Böhme bestens vertraut. Denn Historie begegnet einem auf dem 460 Hektar großen Gelände überall. Etwa im „Aerodynamischen Park“ zwischen den Instituten der Humboldt-Universität zu Berlin, der einen schallgedämpften ehemaligen Motorenprüfstand, einen Windkanal und den „Trudelturm“ beherbergt, in dem einst das Trudeln von Flugzeugen simuliert wurde. Oder in den inzwischen modernisierten Gebäuden der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt und im Forum Adlershof – mit den beiden markanten Köpfen auf hohen Säulen davor.

Rund 1.300 Unternehmen sind heute in dem Wissens- und Technologiepark Adlershof angesiedelt und 18 wissenschaftliche Einrichtungen. Darunter renommierte außeruniversitäre Forschungsinstitute wie die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) oder das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) mit der Röntgenquelle Bessy II. Und etwa 28.000 Menschen arbeiten hier an den technologischen Lösungen für das Morgen.

Innovation hat in Adlershof Tradition

„Die Innovationsgeschichte des Standorts beginnt bereits Anfang des 20. Jahrhunderts“, erzählt Cindy Böhme. 1909 starteten auf dem Flugfeld Adlershof-Johannistal die ersten Motorflüge. Kurz darauf wurde dort auf Initiative von Graf Zeppelin die „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“ (DLV) gegründet – als Vorgängerinstitution des noch heute hier ansässigen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Forschung und Industrie im Bereich Luft- und Raumfahrt gab es daher, mit Unterbrechungen in den Kriegs- und Nachkriegszeiten, in Adlershof schon immer.“ Ein weiterer Kern des Standorts ist die Deutsche Akademie der Wissenschaften, die 1946 in Berlin gegründet ­– und 1972 umbenannt wurde in Akademie der Wissenschaften der DDR. Die in Adlershof ansässigen naturwissenschaftlichen Institute der Akademie entwickelten sich schnell zum Zentrum für Physik, Chemie, Material-, Luft- und Kosmosforschung. 

Der Fall der Mauer brachte allerdings auch für Adlershof den Umbruch: Die Einrichtungen in Adlershof – DDR-Staatsfunk sowie die Akademie – hatten ihre Bestimmung verloren. So beschloss der Berliner Senat 1991, am Standort eine „integrierte Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft“ zu errichten. „Es existierten damals auf dem Gelände zwar Gebäude und eine Infrastruktur, es herrschte aber auch große Unsicherheit. Nicht alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Akademie konnten in die neu entstehenden Forschungseinrichtungen übernommen werden“, so Cindy Böhme. „Dem Land Berlin kam daher die Aufgabe zu, darüber zu entscheiden, was mit den bisherigen wissenschaftlichen Einrichtungen passieren sollte und welche Mitarbeiter übernommen werden sollten. Daran hatten natürlich viele zu knabbern. Aber wer blieb, hatte den großen Drang, am Standort etwas zu schaffen und aufzubauen. Viele, die nicht übernommen wurden, nahmen die Sache selbst in die Hand und machten sich selbstständig. Das war sozusagen unsere erste Gründergeneration.“

Aus der ehe­maligen Akademie der Wissenschaften der DDR lösten sich insgesamt acht der heute in Adlershof ansässigen Forschungsinstitute heraus, darunter das Ferdinand-Braun-Institut, das Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH) und das Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI). 1997 beschloss die Humboldt-Universität zu Berlin, ihre mathematisch-naturwissen­schaftli­chen Fakultäten nach Adlershof zu verlegen. Die historische Entwicklung des Standorts gab auch die heutigen inhaltliche Schwerpunkte des Technologieparks vor: Photonik und Optik, Photovoltaik und Erneuerbare Energien, Mikrosysteme und Materialien, Informationstechnik (IT) und Medien sowie Biotechnologie und Umwelt. „Wir sind heute ausgesprochen breit aufgestellt, naturwissenschaftlich ausgerichtet und hightech-orientiert“, erläutert Cindy Böhme. „Das macht uns zugleich weitgehend krisensicher. Denn die Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen am Standort sind in vielen Fällen weltweit einmalig. Sollte eine der Branchen wirtschaftlich einbrechen, schwächt das außerdem nicht gleich den gesamten Technologiepark.“  

Toleranz und Weltoffenheit

Ein weiterer gewachsener Vorteil des Wissenschafts- und Technologieparks: Wissenschaft und Wirtschaft sind in Adlershof dicht beieinander angesiedelt und arbeiten eng vernetzt.Wir leben von der Nähe und dem Austausch am Standort“, so Böhme. „Hochtechnologie entsteht ja aus der Zusammenarbeit von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Dies zu pflegen, ist uns wichtig.“ Das Grundraster dafür ist eine funktionierende Infrastruktur. Neben Laboren, Reinräumen, Werkstätten und Büros gehören dazu inzwischen auch eine digitale Infrastruktur, ein 5-G-Campusnetz oder eine Jelbi-Station. Wesentlicher für die Weiterentwicklung des Standorts sind allerdings die hier arbeitenden und studierenden Menschen. Die Talente aus aller Welt sollen sich in Adlershof wohlfühlen, – wollen gefördert und gefordert sein. Cindy Böhme erläutert: „Wir haben bereits vor einigen Jahren damit begonnen, die einzelnen Mitarbeiter mehr in den Fokus zu rücken. So haben wir beispielsweise am Standort ein Fachkräftenetzwerk gegründet und eine Weiterbildungsakademie ins Leben gerufen. KMU und Start-ups verfügen oft nicht über die Ressourcen, Angebote zur Personalqualifizierung selbst zu konzipieren. Mit der WISTA Academy holen wir solche Angebote für die Beschäftigten aller Einrichtungen an den Standort und bündeln die Bedarfe.“ Maßnahmen und Events wie das „Diversity Festival Adlershof“ erhalten und fördern Toleranz und Weltoffenheit am Standort. „Menschen unterschiedlicher Herkunft und Disziplinen sollen am Standort gut und gern miteinander zusammenarbeiten können. Innovation basiert schließlich auf Vielfalt und Offenheit. Und neue Lösungen entstehen in Teams, in die unterschiedliche Perspektiven einfließen.“

Gründung aus der Wissenschaft heraus

Inhaltlich sollen beispielsweise die Entwicklung neuer Materialien und Technologien in Adlershof vorangetrieben werden. Geplant ist unter anderem, ein neues, interdisziplinäres Kompetenzzentrum für die Lösung der „Grand Challenges“, wie Klimawandel oder Ressourcenknappheit zu errichten. „In diesen Bereichen sind die Unternehmen und Forschungseinrichtungen am Standort bereits sehr aktiv“, sagt Cindy Böhme. „Ob sie nun Fleischersatzlösungen auf Pflanzenbasis entwickeln, innovative Verfahren der Grünen Chemie oder neue Speichermöglichkeiten für Solarstrom.“ Start-ups, die als Spin-offs aus der Forschung heraus beginnen, finden zum Beispiel im Adlershofer Gründungszentrum IGZ ein erstes Zuhause. Das junge Unternehmen „Quantune Technologies“ etwa entwickelte hier ein hochpräzises, miniaturisiertes IR-Spektrometer und erhielt dafür 2022 den Innovationspreis Berlin Brandenburg.

Erfolgreicher Technologietransfer passiert in Adlershof auch über die Start-up-Services der Humboldt-Universität oder die am Standort ansässigen außeruniversitären Forschungsinstitute, „Der Transfer zwischen Forschung und Wirtschaft funktioniert besonders gut, wenn jemand aus der Wissenschaft heraus gründet“, sagt Böhme. Erfolgsbeispiele für solche Spin-offs in Adlershof sind „C1 Green Chemicals“, das die weltweit erste Pilotanlage für die Produktion von grünem Methanol entwickelt hat. Oder auch „Xolo“, mit dessen revolutionärem 3D-Druckverfahren Oberflächen äußerst präzise und sehr schnell hergestellt werden können. Innovationen vorantreiben soll auch das Projekt „ST3AM“: Dieser neue Ort an der Rudower Chaussee – im Herzen Adlershofs – bietet auf rund 3.000 Quadratmetern Fläche Makerspaces und viel Raum für kreatives, interdisziplinäres Arbeiten – sowie eine entspannte Atmosphäre zur Entwicklung disruptiver Ideen. Im Spätsommer soll er offiziell eröffnet werden.

„Adlershof ist in der naturwissenschaftlichen Szene über Berlin hinaus bekannt und besitzt international große Strahlkraft. Eben, weil es hier viele herausragende wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen gibt“, so Cindy Böhme. Hinzu komme die hohe Anziehungskraft der Brain City Berlin. „Berlin ist ein ganz besonderer Ort. Die Stadt hat eine exzellente Forschungslandschaft, bietet viel Kultur und ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Davon profitieren wir natürlich, denn Fachkräfte aus aller Welt kommen nach wie vor gern nach Berlin – und es ergeben sich viele Kooperationen.“ Und noch etwas anderes verbindet laut Cindy Böhme den Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof mit der Hauptstadt: „Berlin hat sich in den letzten Jahrzehnten ständig neu erfunden, ebenso wie Adlershof. Da sehen wir Parallelen – und viel Potenzial für die Zukunft.“ 

Text: Ernestine von der Osten-Sacken

adlershof.de

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