• Cartoons aus dem Comic der Charité, Brain City Berlin

    Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Mit einem Comic will die Charité-Universitätsmedizin Berlin Patientinnen und Patienten künftig vor einer Herzkatheteruntersuchung aufklären. Im Rahmen einer Studie untersuchten die Kardiologinnen Prof. Dr. Verena Stangl und Dr. Anna Brand, ob die Methode funktioniert. Das Ergebnis: Die bunten Bilder helfen tatsächlich dabei, Betroffene auf einen Eingriff vorzubereiten. Und sie bauen Ängste ab.

„Ich spüre einen Druck auf der Brust“, sagt der Patient, der mit einem etwas sorgenvollen Gesichtsausdruck auf dem OP-Tisch liegt. „Ja, das kann vorkommen“, beruhigt ihn der Chirurg. „Keine Sorge, das Gefühl wird gleich wieder abklingen.“ Vor einer Operation müssen Patienten über den geplanten Eingriff aufgeklärt werden. Den wissenschaftlichen Fachsprech und komplexe Inhalte allgemein verständlich rüberzubringen, ist für Medizinerinnen und Mediziner ebenso wie Expertinnen und Experten anderer wissenschaftlicher Disziplinen nicht leicht. Einen neuen Weg geht hier die Charité–Universitätsmedizin Berlin: ein Comic zum Thema Herzkatheter-Untersuchung soll die Patientinnen und Patienten bildhaft und leicht verständlich über den Ablauf der Behandlung aufklären. Auch der medizinische Nutzen und das potenzielle Risiko des Eingriffs werden in den Zeichnungen erläutert. Denn Erfahrungswerte zeigen, dass das Grundprinzip einer anstehenden Herzkatheter-Untersuchung trotz mündlicher und schriftlicher Aufklärung von den Betroffenen häufig nicht vollständig erfasst wird.

„Nach dem Grundsatz ‚Ein Bild sagt mehr als tausend Worte‘ wollten wir diesen Patientinnen und Patienten mithilfe einer bildlichen Darstellung das Begreifen der Aufklärungsinhalte erleichtern“, erklärt Prof. Dr. Verena Stangl von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie am Campus Charité Mitte. Im Team mit ihrer Kollegin Dr. Anna Brand, der Wissenschaftskommunikatorin Alexandra Hamann und der Illustratorin Sophia Martineck entwickelte sie eine 15-seitige Bildergeschichte, die den häufigsten Eingriff in der Kardiologie veranschaulicht: die Herzkatheter-Untersuchung und eine sich gegebenenfalls anschließende Implantation einer Gefäßstütze, eines sogenannten Stents.

Den Aufklärungs-Comic testeten die beiden Kardiologinnen anschließend im Rahmen einer Pilotstudie, die inzwischen in der Fachzeitschrift „Annals of Internal Medicine“ veröffentlicht wurde. Insgesamt 121 Patientinnen und Patienten der Charité wurden dafür vor der Herzkatheteruntersuchung wie bisher üblich in einem ärztlichen Gespräch anhand des offiziellen Aufklärungsbogens informiert. Zusätzlich konnten sie den Comic lesen. Mit Fragebögen vor und nach dem Gespräch werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anschließend aus, wie gut die Betroffenen den Eingriff verstanden hatten, wie stark ihr Angstgefühl ausgeprägt war und ob sie mit der Aufklärung zufrieden waren. Der Comic erwies sich eindeutig als hilfreich.

Das Ergebnis der Pilotstudie – Patientinnen und Patienten fühlen sich gut vorbereitet:
 

  • Patientinnen und Patienten, die zusätzlich zur mündlichen und schriftlichen Aufklärung die bebilderte Broschüre bekommen hatten, konnten im Schnitt knapp 12 von 13 Fragen zur Vorgehensweise, den Risiken und wichtigen Verhaltensregeln nach dem Eingriff korrekt beantworten.
     
  • Patientinnen und Patienten, die klassisch über den Eingriff aufgeklärt wurden, konnten nur etwa 9 von 13 Fragen korrekt beantworten.
     
  • Insgesamt zeigten sich rund 72 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Comic-Aufklärung zufrieden und fühlten sich gut auf die Herzkatheter-Untersuchung vorbereitet. Nach der Standard-Aufklärung waren es lediglich 41 Prozent. Die Befragten gaben außerdem an, nach der Comic-Lektüre weniger besorgt zu sein als vor dem Aufklärungsgespräch.
     

„Wie wir in unserer Pilotstudie jetzt zeigen konnten, eignet sich dieser Comic tatsächlich dazu, die Betroffenen besser auf den Eingriff vorzubereiten“, so Verena Stangl. Ihre Kollegin Anna Brand führt dies vor allem darauf zurück, dass die Patientinnen und Patienten komplexe Inhalte über eine Bildergeschichte sowohl textlich als auch visuell erfassen. „Außerdem lässt ein Comic – im Gegensatz zu einem Video – der Leserin oder dem Leser so viel Zeit zum Erfassen der Inhalte wie individuell nötig.“

Dass medizinische Comics als ergänzendes Aufklärungsmaterial in diesem Fall wirkungsvoll sind, konnten die beiden Kardiologinnen in ihrer Studie somit nachweisen. „In Zukunft wollen wir untersuchen, ob sich diese positiven Effekte auch auf andere medizinische Eingriffe übertragen lassen“, erläutert Anna Brand. Der in dem Piloten getestete Comic soll bald schon in der Charité eingesetzt werden – als ergänzendes Aufklärungsmaterial vor Herzkatheter-Untersuchungen. So haben dann auch Patientinnen und Patienten mit Herzproblemen zwischenzeitlich etwas zum Schmunzeln. (vdo)
 

“Brand A et al., Medical Graphic Narratives to Improve Patient Comprehension and Periprocedural Anxiety Before Coronary Angiography and Percutaneous Coronary Intervention: A Randomized Trial.” Ann Intern Med. 2019 Apr 9. doi: 10.7326/M18-2976

Mehr Stories