• „Damit in Berlin wieder Innovationsgeschichte geschrieben werden kann“

Was schätzen „Sciencepreneurs“ an Berlin? Warum ist die Anbindung der Wirtschaft an die Wissenschaft so wichtig? Und welche Rolle spielen die Berliner Zukunftsorte mit ihrem Ökosystem für wissenschaftsbasierte Unternehmen in der Brain City Berlin? Der Kurzfilm „Science-Tech Start-ups in Berlin“ gewährt als Auftakt der „Science-Tech-Kampagne“ Einblicke in die Start-up-Szene an den elf Berliner Zukunftsorten.

Mehr über das Projekt Zukunftsorte, mit denen die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe die Hauptstadt als Standort für Zukunftsindustrien und -technologien weiter stärken möchte, und den neuen Film erzählt Brain City Botschafter Steffen Terberl, Leiter der Geschäftsstelle Zukunftsorte, im Brain City-Interview.

Herr Terberl, in der aktuellen Science-Tech-Kampagne stellen Sie die Berliner Zukunftsorte Berlin-Buch, Siemensstadt Square, den Technologie-Park Berlin-Humboldthain, den Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof, den Campus Charlottenburg und den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Berlin-Schöneweide vor. Was macht diese sechs Standorte besonders? 

Die sechs Zukunftsorte, die im Film vorkommen, zeichnen sich durch zahlreiche vorhandene Wissenschaftseinrichtungen und ihre Start-up-Ökosysteme aus dem Science-Tech-Bereich aus. Sie bieten mit ihren Netzwerken, Gründungszentren und der Transferunterstützung einen idealen Nährboden für Deeptech-Gründungen.

Was wollen Sie mit dem Kurzfilm erreichen?

Mit dem Film wollen wir erreichen, dass noch mehr Menschen dieses Ökosystem kennen und daran mitwirken. Berlin ist ein wichtiger Gründungsstandort für Start-ups aus dem Science-Tech Bereich. Hier werden eben nicht nur Lieferdienste und Onlinehändler gegründet, sondern auch viele innovative Unternehmen, die mit künstlicher Intelligenz, Cleantech und Biotech unsere Zukunft maßgeblich zum Positiven verändern könnten.

Was verbindet die insgesamt elf Berliner Zukunftsorte? Thematisch sind sie ja unterschiedlich definiert. 

Das stimmt, thematisch sind die Zukunftsorte sehr breit aufgestellt und befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Was sie miteinander verbindet, ist das Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft. Durch räumliche Nähe wird die Zusammenarbeit zwischen relevanten Akteuren vereinfacht: Hier passiert die Forschung am Ort der Wertschöpfung, der Weg von der Idee bis zum fertigen Produkt ist kurz und effektiv.

Was ist die Zielsetzung der Zukunftsorte? Und woraus speist sich ihre Innovationskraft?

Um 1900 war Berlin Europas größte Industriestadt; hier wurde damals schon produziert, entwickelt und experimentiert. Ziel der Zukunftsorte ist es, die idealen Bedingungen zu schaffen, damit in Berlin wieder Innovationsgeschichte geschrieben werden kann. Das Nutzen von Synergien spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Heute wissen wir, dass Wissensaustausch und Kollaboration zwischen diversen Teams für höhere Leistung sorgt und die Kreativität fördert. Genau das verkörpern die Zukunftsorte.

Was macht die Brain City Berlin im Bereich Wissens- und Technologietransfer generell so erfolgreich?

Aus meiner Sicht sind das vor allem drei Punkte:

  • Erstens haben wir haben für fast alle Themen eine kritische Masse an Akteuren mit der notwendigen Expertise. Das ist z.B. wichtig für Forschungsverbünde, aber auch um die relevanten Transferthemen unserer Zeit möglichst vollumfänglich mit der notwendigen Expertise abdecken zu können. Die Wissenschaftseinrichtungen stellen sich selbst zunehmend in Verbünden so auf, dass externe Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft möglichst einfach auf das Gesamtangebot zugreifen können – siehe zum Beispiel die Berlin University Alliance, das IFAF als gemeinsame Forschungs- und Transfereinrichtung der angewandten Hochschulen oder BR50 als Netzwerk der außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
  • Zweitens verfügen wir über ein sehr dynamisches Umfeld mit zahlreichen wichtigen externen Akteuren, die als Anwendungspartner in Frage kommen. Das sind etwa die zahlreichenden bedeutenden politischen Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs), herausragende kulturelle Einrichtungen und eine der aktivsten Start-up-Szenen in ganz Europa.
  • Drittens haben wir an den Zukunftsorten die notwendigen Infrastrukturen und Netzwerke, damit der Transfer vor Ort besonders gut und effektiv gelingen kann.  

Welche Bedeutung haben die Berliner Universitäten und Hochschulen für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Berlin?

Die deutsche Wirtschaft ist bekanntlich nur noch dann international wettbewerbsfähig, wenn sie sich ständig neu erfindet und Innovationen an den Markt bringt. Wissenschaftseinrichtungen sind hierbei wichtige Partner, um solche Innovationen zu entwickeln. Vor allem aber liefern sie mit ihren Absolventinnen und Absolventen die dringend benötigten Arbeitskräfte. Künstliche Intelligenz und eine zunehmende Automatisierung bedingen, dass der Anteil an kreativer Innovationsarbeit zunimmt und deshalb hochqualifizierte Akademikerinnen und Akademiker unabkömmlich für den Arbeitsmarkt sind. Nicht zu unterschätzen sind außerdem die zahlreichen Ausgründungen aus der Berliner Wissenschaft. Da wir verglichen mit den meisten Regionen in West- und Süddeutschland nur über sehr wenige große Unternehmen in der Region verfügen, benötigen wir für die wirtschaftliche Entwicklung der Region umso mehr die vielen Start-ups.

Können Sie Beispiele nennen für erfolgreiche Gründungen aus der Hochschule heraus?

Einige Beispiele zeigen wir in dem Film. Wobei wir hier bewusst noch sehr junge Gründungen wie das Biotech-Start-up MyoPax oder Yoona.AI ausgewählt haben, die sich erst noch am Markt beweisen müssen. Es gibt in Berlin aber auch wissenschaftsbasierte Ausgründungen wie beispielsweise Sicoya, Xolo oder T-Knife, die schon einen deutlichen Schritt weiter sind, bereits größere Finanzierungsrunden eingeworben haben und international expandieren. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass das Ökosystem der wissenschaftsbasierten Gründungen gerade erst aus den Kinderschuhen herauswächst und erst jetzt so richtig Fahrt aufnimmt.

Wissenschaftliche Spin-Offs haben oft mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen. Rare Laborplätze sind eine davon. Welche spezielle Unterstützung und Förderung erhalten Gründende aus der Forschung an den Berliner Zukunftsorten? 

Ja, fehlende Labore sind ein großer Flaschenhals, der erst mit der kürzlichen Eröffnung des BioCubes in Berlin-Buch und demnächst mit dem Innovationscampus FUBIC in Dahlem obsolet wird. Wichtig sind zudem Infrastrukturen wie Maker Spaces, Testbeds oder 5G-Campusnetze, die innovative Start-ups gerade in der Anfangsphase benötigen. Zudem bekommen sie auch Unterstützung durch die Inkubatoren ihrer Hochschulen und Universitäten. Dazu gehören beispielsweise der Zugriff auf finanzielle Förderung wie beim Berliner Startup Stipendium oder EXIST, wissenschaftliche Expertise, Zugriff auf Räume und Geräte, Mentoring und Coaching sowie Kontakte zu Business Angels und Investoren. Auch die Netzwerke zu den anderen jungen und etablierten Unternehmen in den Zukunftsorten sind von hoher Wichtigkeit.

Wir stehen kurz vor dem Start in das Jahr 2024: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Zukunftsorte?

Die meisten Zukunftsorte stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung. Faktisch gesehen sind die Entwicklungsprozesse sehr langwierig und kompliziert. Das FUBIC wird über ein Jahrzehnt gebraucht haben, wenn es im Jahr 2025 an den Start gehen wird. Und bei der Urban Tech Republic gibt es immer noch viele Fragezeichen bezüglich der weiteren Umsetzung – um nur zwei Beispiele zu nennen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass der Entwicklung der Zukunftsorte eine höhere Priorität in Politik und Verwaltung eingeräumt wird, schließlich hängt unsere Zukunft auch von den Innovationen und Arbeitsplätzen ab, die dort einmal entstehen sollen. (vdo)

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