• SAGE – ein soziales Dreier-Bündnis

2019 schlossen sich die Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH Berlin), die Evangelische Hochschule Berlin (EHB) und die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin (KSHB) zum SAGE-Verbund zusammen. Mit dem Dreier-Bündnis wollen die Hochschulen ihre Verbindung stärken. Und das Akronym SAGE, das für Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung steht, soll nach außen hin sichtbarer und zugänglicher werden. Die drei beteiligten Hochschulen qualifizieren in Studium und Weiterbildung für Berufe in den SAGE-Bereichen. Mehr über Inhalt, Ziele und bisher Erreichtes erzählt Prof. Dr. Bettina Völter, Rektorin der ASH Berlin.

Frau Prof. Dr. Völter, welche Zielsetzung verfolgt der SAGE-Verbund?

Ähnlich wie vor Jahren die MINT-Fächer, stehen auch die SAGE-Disziplinen vor spezifischen Herausforderungen, die für die Zukunft unserer Gesellschaft von größter Bedeutung sind. Auch im SAGE-Bereich gibt es ja einen erheblichen Fachkräftemangel, der unmittelbar und unterschiedslos alle Menschen betrifft – beispielsweise in der Pflege, in Kitas, bei der Ganztagsbetreuung oder in der Sozialen Arbeit. Wir sprechen deshalb von „systemrelevanten Berufen“. Wie die MINT-Fächer werben wir daher um Studierende, allerdings sprechen die SAGE-Disziplinen seit jeher überwiegend Frauen an.

Und wie engagiert sich der Verbund konkret?

Wir setzen uns  für gute Rahmenbedingungen im Studium ein. Für die Voll-Akademisierung der SAGE-Berufe, inklusive der Promotion in SAGE-Fächer, und für bessere Bezahlung. Außerdem engagieren wir uns für mehr Verantwortung und Rechte der SAGE-Absolventinnen und -Absolventen in den Hierarchien des Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystems sowie für bessere Arbeitsbedingungen in diesen systemrelevanten Berufen. Seit die nach wie vor überwiegend von Frauen geleisteten SAGE-Tätigkeiten in der häuslichen Pflege, Kinderbetreuung, Wohlfahrt etc. explizit zu Berufen mit Ausbildung und Studium geworden sind, werden die Absolventinnen und Absolventen vergleichsweise sehr schlecht bezahlt. Dabei können die Betroffenen oft mehr als sie in den Hierarchien dürfen. Sie haben allerdings zu selten Aufstiegschancen.

Inwiefern stellen sich die drei Hochschulen als Ausbildungs- und Forschungsstätten über SAGE gesellschaftlicher Verantwortung?

Als SAGE-Hochschulen verbinden uns Themen wie: soziale und globale Gerechtigkeit, Gendergerechtigkeit, die Förderung von Diversity, Anti-Diskriminierung und Anti-Rassismus, Inklusion, soziales Engagement, Nachhaltigkeit im Sinne von Bildung für nachhaltige Entwicklung, Klimagerechtigkeit, soziale Sicherheit und gute Lebensbedingungen für alle. Gemeinsam haben wir einen Master of Social Work mit dem Titel „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ aufgebaut. Dieser läuft bereits seit vielen Jahren erfolgreich. Und er bildet Studierende wissenschaftlich für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen – im Sinne der Menschenrechte und ihrer Anwendung im sich wandelnden global-gesellschaftlichen Kontext.

Was hat der Sage-Verbund darüber hinaus erreichen können?

Wir haben zum Beispiel erreicht, dass der SAGE-Begriff in der Berliner Wissenschaftspolitik und zwischen den Hochschulen heute selbstverständlich verwendet wird. Gemeinsam mit den anderen Berliner Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) haben wir bewirken können, dass das Promotionsrecht heute im Berliner Hochschulgesetz verankert ist. Dazu trugen unter anderem die Argumente und Erfahrungen aus den SAGE-Disziplinen bei.

Corona hat die Situation von Menschen in Pflegeberufen und anderen systemrelevanten Berufen noch verschlechtert. Welche Ansätze verfolgt der SAGE-Verbund, um die Situation in den Sozial- und Pflegeberufen zu verbessern?

Unsere Ansätze sind breit gefächert: Wir erforschen, warum Menschen den Pflegeberuf verlassen, auch wenn sie diesen mit großem Engagement über viele Jahre hinweg ausgeübt haben, und wie viele Menschen das sind. Und wir beschäftigen uns auch mit Fragen der Inklusion und Vielfalt der Nutzerinnen und Nutzer unserer Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssysteme. Wir machen außerdem deutlich, wie sich Konzepte und Einrichtungen verändern müssen, um den Bedarfen gerecht werden zu können. Aktuell setzen wir uns mit Nachdruck und vielen Kontakten zur Politik und Verwaltung für die Studierbarkeit und für zukunftsfähige Rahmenbedingungen des Bachelor Pflege an der EHB und der ASH Berlin ein. Dazu gehören die finanzielle Vergütung des Pflegestudiums – äquivalent zur Ausbildungsvergütung – ebenso wie die finanzielle Anerkennung der kooperierenden Praxiseinrichtungen sowie eine auskömmliche finanzielle Zuwendung an die Hochschulen: für die wissenschaftliche Praxisbegleitung, für die simulationsbasierte Lehre und für die Abnahme der staatlichen praktischen Prüfungen.

Inwiefern fördert der SAGE-Verbund den Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis?

Die Hochschulen des SAGE-Verbunds sind vielfältig mit der Praxis vernetzt: über Studiengänge, Forschungsprojekte, im Rahmen von Tagungen und vieles mehr. Die Liste der Player ist zu lang, um hier genannt zu werden. Besonders hervorgehoben werden sollten die teilweise kleinen und noch jungen Non-Profit-Organisationen sowie die großen Player. Der Deutsche Caritasverband, die Diakonie Deutschland oder der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband gehören dazu.

Laufen bereits konkrete Projekte?

An den SAGE-Hochschulen laufen bereits zahlreiche eigene Transferprojekte. So arbeiten im Rahmen der BMBF-geförderten Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ die KHSB und die EHB mit der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin), der Berliner Hochschule für Technik (BHT) und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin) unter dem Titel „Zukunft findet Stadt. Das Hochschulnetzwerk für ein resilientes Berlin“ zusammen. Und die ASH Berlin im Projekt „Campus Transferale. Die ASH Berlin auf dem Weg zu einem Transfercampus“. Die Hochschulen wollen sich über Verlauf und Ergebnisse verständigen, um möglichst viel Mehrwert für das Land Berlin zu generieren. Das gemeinsame Auftakttreffen findet am 21. März in Mannheim statt.

Wie positioniert sich der SAGE-Verbund neben dem Verbund der außeruniversitären Forschungsinstitute, Berlin Research 50, und der Berlin University Alliance? Gibt es Schnittstellen?

Eine solche Schnittstelle ist das Kooperative Promotionszentrum (KPB), dass alle sechs Berliner Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) derzeit mit den Berliner Universitäten aufbauen. Wir erhoffen uns hier die Erleichterung kooperativer Promotionen zwischen HAW und Universitäten. Andere nennenswerte Schnittstellen zu den genannten Zusammenschlüssen gibt es noch nicht. Wir würden uns über eine Zusammenarbeit sehr freuen – zum Beispiel im Bereich der Sozial-, Gesellschafts-, Erziehungs- und Gesundheitswissenschaften, in gemeinsamen Promotionskolloquien oder Forschungsprojekten.

Welche Bedeutung hat der Gesundheits- und Wissenschaftsstandort Berlin als Wirkungsfeld für den Verbund?

Berlin ist mit seiner Vielfalt an Bewohnerinnen und Bewohnern, mit seiner Geschichte und den proklamierten politischen Zielen ein hervorragender Standort, um die Anliegen des SAGE-Verbunds voranzubringen. Wir gehen davon aus, dass auch eine neu gebildete Koalition deutliche Schwerpunkte in den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Kindheitspädagogik, Gesundheit/Pflege und Soziale Arbeit setzt. Wir wünschen uns, dass die politischen Entscheiderinnen und Entscheider einen engen Draht zu uns als SAGE-Verbund beibehalten oder diesen neu herstellen. Sie können von unserer Erfahrung und Expertise profitieren – im Sinne der Entwicklung einer sozial gerechten, Bildung und Gesundheit fördernden Stadtgesellschaft sowie im Sinne der nachhaltigen Behebung des Fachkräftemangels im SAGE-Bereich.

Was wünschen Sie sich persönlich für den Gesundheits- und Wissenschaftsstandort Berlin?  

Ich wünsche mir, dass unsere diverse Studierendenschaft noch überzeugender durch das Land Berlin gefördert wird. Denn Studierende aus bildungsnahen und bildungsentfernten Kontexten, mit Rassismus- und anderen Ausgrenzungserfahrungen sowie mit vielfältigen Herausforderungen in ihrer Lebensgeschichte, lernen bei uns miteinander. Möge das Potenzial, das diese engagierten Menschen mitbringen, gesehen werden. Und mögen sie jeden Tag erfahren, dass sie nicht nur wichtig für das Land Berlin sind, sondern dass sie auch entsprechend anerkannt und gehört werden. Ich wünsche mir außerdem, dass auch die SAGE-Berufstätigen durch die Landespolitik dezidierter unterstützt werden – zum Wohle aller Familien, Patientinnen und Patienten und anderer Nutzerinnen und Nutzer der Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsysteme. (vdo)

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