• Prof. Dr. Andrea Pelzeter (links) und Prof. Dr. Silke Bustamante

    Auf dem Weg zum klimaneutralen Krankenhaus

Mehr als zwei Drittel der CO2-Emissionen in Krankenhäusern sind sogenannte Scope 3 Emissionen, zu denen vor allem Sekundärprozesse beitragen. Letzere umfassen insbesondere Logistik- und Versorgungsdienste. Im Rahmen des Projekts „KlinKe – Klimaneutrale Sekundärprozesse im Krankenhaus“ erforschen Prof. Dr. Silke Bustamante und ihre Kollegin Prof. Dr. Andrea Pelzeter an der HWR Berlin, welche dieser Prozesse einen besonders großen CO2-Fußabdruck hinterlassen – und wie die Abläufe klimaneutraler gestaltet werden können. 

Kantinenlieferungen, Abfallentsorgung, Wäscherei-Betrieb, Einkauf … Die Abläufe in einem Krankenhaus sind vielfältig und komplex. Das gilt nicht nur für interne, sondern auch für externe Prozesse. Und wie die meisten Unternehmen und Einrichtungen emittieren auch Kliniken sehr viel CO2. „Der Healthcare-Bereich trägt in Deutschland rund fünf Prozent zum gesamten deutschen CO2-Fußabdruck bei. In Krankenhäusern mit ihrem rund um die Uhr laufendem Betrieb ist er besonders hoch“, sagt Professor Dr. Silke Bustamante, Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit, Studierendenservice und Hochschulkommunikation an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin). „Doch das Thema Umweltfreundlichkeit fand bis vor Kurzem im Gesundheitsbereich wenig Beachtung. Unter anderem, weil der Fokus der Kliniken bisher primär auf medizinische Kernprozesse ausgerichtet war. Das ändert sich langsam, denn das Thema ‚Global Health‘ wird inzwischen weltweit diskutiert.“

Im Rahmen von Vorträgen hatte sich die Wissenschaftlerin bereits seit Längerem mit dem Thema nachhaltige Beschaffung im Krankenhausbereich beschäftigt. Im Gespräch mit ihrer Kollegin Prof. Dr. Andrea Pelzeter, Fachleiterin Facility Management an der HWR Berlin, entstand die Idee, Sekundärprozesse im Krankenhaus in Bezug auf ihre CO2-Emissionen zu untersuchen – und im Folgeschritt daraus abzuleiten, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Prozesse klimaneutral zu gestalten. Entgegen kam beiden, dass Andrea Pelzeter zuvor ein Instrument entwickelt hatte, mit dem sich der CO2-Fußabdruck von Facility Services messen lässt.

So kam im September 2021 das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „KlinKe – Klimaneutrale Sekundärprozesse im Krankenhaus“ ins Rollen. Im Team mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen analysieren Silke Bustamante und Andrea Pelzeter seitdem detailliert die Abläufe in Kliniken, beispielsweise den Gebäudebetrieb, Krankenhaustransporte, Krankenhauslogistik oder Speisenversorgung. „Rund 70 Prozent der CO2-Emissionen im globalen Healthcare-Bereich sind laut dem internationalen Greenhouse Gas (GHG)-Protocol Scope3-Emissionen, die in solchen sekundären Prozessen entstehen“, erläutert Silke Bustamante, „doch diese wurden bisher kaum erforscht.“

Forschung im Bottom-up-Prinzip

In einem ersten Schritt systematisierte und strukturierte das KlinKe-Team die Sekundärprozesse in den Abläufen der Projektpartner, zu denen u.a. das Evangelische Krankenhaus Hubertus in Berlin-Zehlendorf, die Vivantes Service GmbH, das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und die Charité CFM Facility Management GmbH gehören. Ausgewählt wurden die Kliniken und Dienstleister dabei nach Nähe, aber auch nach ihrer Aufgeschlossenheit bzw. ihrem Entwicklungsstand in Bezug auf die Forschungs-Thematik. Im Rahmen einer „Wesentlichkeitsanalyse“ gliederten Silke Bustamante und Andrea Pelzeter Prozesse hinsichtlich ihres CO2-Fußabdruckes, sonstiger ökologischer und sozialer Wirkungen und auch bezüglich ihres Veränderungspotenzials im Krankenhaus. Zu den „Hot Processes“ (A-Prozesse) zählen so beispielsweise der Reinigungsdienst und die Abfallentsorgung, während Services wie die Wartung und Instandsetzung von Elektro- oder Medizintechnik den B-Prozessen zugeordnet werden. Dienstleistungen wie die Patientenlogistik, die Hygieneüberwachung oder Prozesse der Wartung und Instandsetzung von Sicherheitstechnik wiederum wurden als C-Prozesse kategorisiert.

„Ein wichtiger Punkt ist, dass wir eine Bottom-up-Erhebung durchgeführt haben. Das heißt, wir haben für jeden Sekundärprozess funktionelle Einheiten wie etwa Quadratmeter oder Betten definiert. Daraus ließ sich dann der CO2-Fußabdruck für die Gesamtzahl der jeweiligen Einheiten im Krankenhaus berechnen“, erläutert Silke Bustamante und ergänzt. „Die Erhebung soll vor allem dem Zweck dienen, dass wir uns anschließend mit unseren Praxispartnern den Prozess ansehen und im zweiten Schritt gemeinsam definieren, was jeweils getan werden kann, um die CO2-Emissionen im Partner-Krankenhaus zu senken.“

Nach rund einem Jahr Laufzeit ist die Erhebungsphase des Projekts KlinKe fast abgeschlossen. 2023 soll es dann an die Entwicklung von Optimierungsmaßnahmen gehen. Und für die letzte Projektphase ist die Entwicklung eines Leitfadens sowie von Empfehlungen für einen Change-Managementprozess für Krankenhäuser angedacht. Ende 2024 soll das Projekt abgeschlossen sein.

Projektpartner aus Praxis, Beratung und Verbänden

„Das Besondere am Projekt KlinKe: Wir beschäftigen uns mit Wertschöpfungsprozessen, die nicht ausschließlich von einem Unternehmen bzw. einer Klinik kontrolliert werden, sondern von vielen verschiedenen Akteuren“, sagt Silke Bustamante. Um die komplexen Abläufe im Krankenhaus verstehen zu können, tauscht sich das Klinke-Team daher über regelmäßig stattfindende Workshops immer wieder mit den Praxispartnern aus. In Detailfragen ziehen die Wissenschaftlerinnen außerdem Beraterinnen und Experten aus den Gesundheits-Verbänden hinzu, die ebenfalls zu den Partnern des Projekts gehören.

KlinKe ist zugleich ein Modellbespiel für den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Praxis. „Nur über die enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern kann das, was wir erarbeiten, auch in der Praxis ankommen und erforderliche Veränderungen können über Change Management erfolgreich angestoßen werden. Auch für die Datenerhebung ist die Zusammenarbeit mit unseren Partnern sehr wichtig.“

Mit Initiativen im Gesundheitsbereich wie der NGO „Heath Care Without Harm“ und Forschungsgruppen am Universitätsklinikum Heidelberg oder dem Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, ist das Team ebenfalls eng vernetzt. Die Brain City Berlin bietet dem Projekt KlinKe die wichtige Nähe zur Politik. Silke Bustamante: „Um das Thema CO2-Reduzierung in Krankenhäusern voranzutreiben, wird sicherlich politische Unterstützung nötig sein. Da sind wir in Berlin gut angesiedelt.“ (vdo)

projekt-klinke.hwr-berlin.de

 

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