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15.02.2023Tradition meets Innovation
Der Technologie-Park Humboldthain in Wedding steht für die Blütezeit der Berliner Industriegeschichte, aber auch für erfolgreiche Synergien zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. 150 Unternehmen sind heute am Standort ansässig. In enger Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern entwickeln und produzieren sie hier anwendungsorientierte technische Produkte und Lösungen für das Morgen. Denn der TPH ist einer von elf Berliner Zukunftsorten. Einer, der wächst und sich auch baulich weiterentwickelt.
Dieser Standort atmet Geschichte, genauer: Industriegeschichte. Ende des 19. Jahrhunderts siedelte sich auf dem Gelände des heutigen Technologie-Parks Humboldthain im heutigen Ortsteil Wedding die AEG an. Im Zuge der Industrialisierung und Elektrifizierung Berlins und der Welt wuchs das Unternehmen schnell zum Großkonzern heran. In den imposanten Werkshallen der AEG südlich des Volksparks Humboldthain produzierte das Unternehmen Elektromotoren, Transformatoren, elektrische Eisenbahnen, aber auch Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Bügeleisen oder Föne, die in alle Welt exportiert wurden. 1983 schloss die AEG den Standort. Auf dem Gelände entstand der Technologie-Park Humboldthain (TPH). Auch heute ist das rund 25 Hektar große Areal ein Ort von Innovationen „Made in Berlin“.
„Der Standort steht ganz klar für Technologie – im Sinne von hochspezialisierten Geräten und Produkten“, erläutert Lutz Keßels, Vorstandsvorsitzender des Vereins Technologie-Park Humboldthain e. V.: Das 2012 gegründete Unternehmens-Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, den historisch gewachsenen Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort zu stärken und zu vitalisieren. Viele der am TPH ansässigen 150 Unternehmen zählen zu den Mitgliedern. Darunter das Medizintechnik-Unternehmen SPECS Surface Nano Analysis ebenso wie der Automobilzulieferer Pierburg oder Novozymes Berlin, Weltmarktführer für Biosolutions. Die inhaltliche Ausrichtung am THP ist breit gefächert. Neben Unternehmen aus den Bereichen Elektronik, Optik und Mikrosystemtechnik, Energie-, Gebäude- und Umwelttechnologien, Biotechnologie und Life-Science, Produktions- und Automationstechnik sowie Automotive haben sich hier viele Firmen aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien angesiedelt – ebenso wie Vertreter der Medien- und Kreativwirtschaft, allen voran die Deutsche Welle.
Produktiver Mix aus Wissenschaft, Wirtschaft und Bildung
Ein wesentlicher und zugleich gewachsener Standortvorteil des TPH ist die enge Verzahnung mit Wissenschaft und Forschung. „Industrie, Wissenschaft und Forschung arbeiten hier synergetisch zusammen. Ideen werden direkt zu Prototypen weiterentwickelt und im Idealfall auch produziert“, so Lutz Keßels. Der Austausch zwischen Industrie und Forschung läuft am TPH direkt und auf kurzem Wege, denn das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) forscht hier vor Ort an der Verbindung von mikroelektronischen und mikrosystemtechnischen Bauteilen und Gesamtsystemen. Außerdem ist die Technische Universität Berlin mit dem Institut für Bauingenieurswesen und rund 20 Fachbereichen auf dem TPH ansässig. Die Forschungsschwerpunkte der Universität am Standort: Kraftfahrzeuge und Verkehrssystem, Bauingenieurwesen, Bauphysik und Baukonstruktion, Biotechnologie und Lebensmittelchemie. Und seit die TU Berlin Anfang der 1980er-Jahre zusammen mit dem Land Berlin in der ehemaligen AEG-Apparatefabrik an der Ackerstraße das „BIG“ als deutschlandweit erstes Innovations- und Gründerzentrum ins Leben rief, sind auch zahlreiche Start-ups auf dem TPH gewachsen. Eines der ersten: AVM, die Erfinder der FRITZ! Box. „Es existiert hier eine kreative Mischung mit jungen Menschen, die am Standort ausgebildet werden. Dieses Ambiente ist prädestiniert für Ausgründungen mit zukunftsweisenden, marktnahen Produkten und Lösungen“, so Keßels.
„Quartier Am Humboldthain“ – ein völlig neues urbanes Stadtquartier
Historisch gewachsen an dem Industrie- und Wissenschaftsareal, das sich zwischen der Ackerstraße im Westen und der Brunnenstraße im Osten erstreckt, nördlich an den Volkspark Humboldthain grenzt und südlich an die Voltastraße, ist allerdings auch die produktions-charakteristische Abschottung nach außen. Die Öffentlichkeit ist hier selten zu Besuch. Ausnahmen schaffen Events wie die jährliche auch hier stattfindende Lange Nacht der Wissenschaften. Das soll sich jetzt ändern. Im nordöstlichen Bereich des TPH, auf dem Gelände der ehemaligen Nixdorf Computer-Fabrik“, soll das „Quartier Am Humboldthain“ (QAH) als „neues urbanes Stadtquartier“ entstehen – und mit einer Geschossfläche von rund 234.000 Quadratmetern den TPH erweitern.
„Wohn-Einheiten wird es am TPH auch in Zukunft nicht geben, denn die städtebaulichen Vorgaben des Landes Berlin für das Areal sind nach wie vor daraus ausgerichtet, industrielle Arbeitsplätze in der Stadt zu halten, um den Pendelverkehr zu reduzieren und den CO2-Ausstoß zu minimieren“, erläutert Keßels, der zugleich Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Quartier Am Humboldthain GmbH ist. Geplant sei aber eine stärkere Einbindung des Zukunftsorts in das städtische Umfeld. „Wir haben im Vorfeld einige Fach- und Bürgerdialoge mit Politik und Verwaltung, lokalen Akteuren sowie Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Die stärkere Vernetzung nach außen war einer der damals geäußerten Ideen und Wünsche.“ Rund 40 Prozent der neuen Flächen sollen künftig produktionsorientierter und 55 Prozent gewerblicher Nutzung vorbehalten sein. Etwa 5 Prozent werden für Kultur, Gastronomie und andere Freizeitangebote zur Verfügung stehen. „Wichtig ist uns, dass der größte Teil der Räume flexibel genutzt werden kann – für Büros ebenso wie für Labore.“
Erweiterte Flächen für Forschung, Produktion und Freizeitangebote
Das künftige QAH soll künftig für die dort arbeitenden und forschenden Menschen ebenso wie für die Anwohnerinnen und Anwohner des angrenzenden Brunnenviertels zu einem attraktiven Aufenthaltsort werden. Nach den Plänen des dänischen Architekturbüros Cobe, das 2022 den städtebaulichen Wettbewerb für das Areal gewann, ist mitten im Quartier ein grüner Platz als zentraler Erholungsort und „Grüne Lunge“ angedacht. Auch Dachflächen sollen begrünt werden und bisher versiegelte Bodenflächen offenen Versickerungsflächen weichen. Ein zentrales Regenwasser-Auffangbecken ist Teil des aufwendigen Regenwasserkonzepts. Kurzum: Das bislang verschlossene Quartier soll modern und klimagerecht umgestaltet werden. Als „Stadt der kurzen Wege“ wird sich das Quartier vor allem in Richtung Brunnenstraße und zum Volkspark Humboldthain hin öffnen und für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Lutz Keßels ist sich sicher, dass das Konzept aufgehen wird. „Neue innerstädtische Wissenschafts- und Produktionsstätten – noch dazu innerhalb des S-Bahnrings – sind anderenorts schwer zu finden.“ Hinzu komme der Berlin-Faktor. „Berlin ist offener, schneller und jünger als andere europäische Städte. Es ist auch eine sehr attraktive Stadt mit einem großen Kreativsektor und einem breiten kulturellen Angebot. Wir haben hier eine gute Basis für Innovationen. Auch für ein internationales Publikum.“
Und wie geht es mit dem Ausbau des TPH weiter? Bis 2025 soll der Bebauungsplan für das neue QAH stehen. Bis circa 2030 soll das Quartier dann fertig sein – und damit das TPH als einer der größten Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorte Berlins. „Eine ambitionierte Planung“, das weiß auch Lutz Keßels. Was genau die Zukunft bringen wird, lässt sich allerdings auch bei einem tradierten Zukunftsort wie dem Technologie-Park Humboldthain nur bedingt vorhersehen. Eines ist jedoch sicher: Neues wird hier weiter entstehen. Den Grund dafür fasst Lutz Keßels in knappe Worte: „Ich bin überzeugt von der Stadt und ihrer Innovationkraft.“ (vdo)
Technologie, die den Bienen hilft: Ziel des Projekt Sens4Bee ist es, über integrierte Sensorsysteme in Bienenstöcken und an Einzeltieren genügend Daten zu erheben, um das Bienenwohl in Verbindung mit Umweltereignissen analysieren zu können. Initiiert hat das Projekt die microsensys GmbH am Zukunftsort Technologie-Park Humboldthain. Partner sind das ebenfalls am TPH ansässige Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) sowie das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.