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© SCC Events/Norbert Wilhelmi
20.05.2022„Großveranstaltungen betreffen das Leben der Stadt auf unterschiedlichen Ebenen“
Der „Smart City Event Incubator“ (SCEI) der VICTORIA | Internationale Hochschule Berlin fördert Geschäftsideen mit Fokus auf die Entwicklung von digitalen Services für Veranstaltungen, die sich nachhaltig auf das Mobilitätsverhalten und die soziale Teilhabe in Städten auswirken. Das Programm umfasst u.a. ein monatliches Stipendium, Co-Working-Spaces, Mentorings, Coachings und Workshops.
Die Hochschule schärft mit dem Projekt nicht nur ihr Profil als „Entrepreneurial University“, sondern bringt damit auch Forschung zur Anwendung – und macht innovative Ansätze des Wissenstransfers sichtbar. Mehr über den SCEI und die Auswirkung von Großevents auf das Lebensumfeld in Städten erzählt Brain City-Botschafterin Prof. Dr. Gabriele Mielke, Vizepräsidentin der VICTORIA | Internationale Hochschule und zugleich Programmdirektorin des Smart City Event Incubator.
Frau Prof. Dr. Mielke, warum wurde der SCEI ins Leben gerufen?
Der Smart City Event Incubator (SCEI) wurde in erster Linie gegründet, um Gründerinnen und Gründer mit einer Geschäftsidee zur Smart City und der Veranstaltungswirtschaft zu unterstützen, ihre Unternehmensidee umzusetzen. Da die VICTORIA | Internationale Hochschule in ihrem Bachelorstudiengang „Business Administration“ einen Studienschwerpunkt im Bereich Event, Messe und Kongressmanagement, aber auch die Themen nachhaltiges Wirtschaften sowie im Bereich Entrepreneurship Innovation adressiert, profitieren auch unsere Studierenden von dem SCEI-Projekt. Sie können die öffentlichen Veranstaltungen des SCEI besuchen und sich von dem Erfahrungsschatz der Referierenden inspirieren lassen. Innovative Studienformate verbessern die Qualität in Lehre und Forschung an einer modernen Hochschule. Zudem gewinnen Wissenstransfer und Vernetzung zunehmend an Bedeutung. Der SCEI steht für Entrepreneurship & Innovation an der VICTORIA und vereint auf einzigartige Weise die Felder Forschung, Lehre und Wissenstransfer. Unser zentrales Ziel ist es daher, über den SCEI exzellente, international sichtbarer Grundlagen- und Anwendungsforschung sichtbar zu machen, Gründungs- und Innovationsfähigkeiten aufzubauen sowie die Innovations- und Zukunftsfähigkeit sowohl von etablierten Unternehmen als auch von neuen Existenzgründungen in Berlin nachhaltig zu steigern.
Bis zu 28 Bewerberinnen und Bewerber werden durch das Programm gefördert. Was erwartet sie?
Die Bewerberinnen und Bewerber erhalten ein monatliches Stipendium in Höhe von 1.500 Euro für sechs Monate, ein One-on-One Mentoring und Coaching und Workshops zu Gründungsthemen. Zudem bieten wir ihnen eine räumliche und technische Infrastruktur. Der Campus der VICTORIA wurde extra umgebaut, um den Stipendiatinnen und Stipendiaten einen modernen Co-Working-Space zur Verfügung stellen zu können. Neben der Kompetenzvermittlung dient der Incubator auch zum Netzwerken, was für junge Unternehmen extrem wichtig ist. Wir vermitteln Kontakte zu Förderinnen und Förderern, Investorinnen und Investoren, Branchenverbänden, Unternehmen, Kundinnen und Kunden, zukünftigen Mitarbeitenden und der wissenschaftlichen Community.
Der SCEI ist europaweit das einzige Start-up-Programm, das in seiner inhaltlichen Ausrichtung die Eventbranche und das Thema smarte Stadtentwicklung verbindet. Inwiefern greift die VICTORIA | Internationale Hochschule diese Schnittstelle in Forschung und Lehre auf?
Forschung und Lehre der VICTORIA zeichnen sich durch eine spezifische Anwendungsorientierung aus. Unser Fokus auf Anwendung geht sogar darüber hinaus, Praxiswissen in der Lehre zu vermitteln. Stattdessen bestehen Rückkopplungen zwischen Forschung, Lehre und den Kooperationsunternehmen der Hochschule. Das heißt, das Wissen zirkuliert nicht nur zwischen Forschung und Lehre, sondern fließt auch in die Unternehmen ein und dann wieder in Forschung und Lehre zurück. Wir wollen so neue Erkenntnisse für die unternehmerische Praxis unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Reflexion gewinnen und damit Innovationen und Unternehmen explizit fördern. Inhaltlich sind Forschung und Lehre zur Veranstaltungswirtschaft und zu Nachhaltigkeitsstrategien an der VICTORIA bereits vertreten. Der Incubator verbindet jedoch auf einzigartige Weise beide Bereiche. Wir versprechen uns davon neue Impulse sowohl für die Forschung als auch die Lehre.
Wird Berlin ebenfalls vom SCEI profitieren?
Der SCEI trägt maßgeblich dazu bei, die Stadt Berlin auch in Zukunft lebenswert zu gestalten. Dabei sind Innovationen – beziehungsweise die digitale Transformation – für uns von zentraler strategischer Bedeutung: Durch die dynamische Entwicklung der technologischen Möglichkeiten sollen „smarte“ Start-up- Projekte und intelligente Lösungen und Geschäftsmodelle entwickelt werden, die auch für die Berlinerinnen und Berliner die Lebensqualität verbessern und knappe Ressourcen oder Kapazitäten effizienter einsetzen. Veranstaltungen, insbesondere Großveranstaltungen mit besonderer Strahlkraft, können den Beginn einer Entwicklung einleiten, die die Stadt künftig stärker prägen wird und sie lebenswerter macht. Im positiven Fall können durch exogene Anfangsimpulse der Veranstaltungsbranche endgene Entwicklungsprozesse auf dem Weg zu einer smarten City ausgelöst werden.
Sie haben ja selbst bereits zu dem Thema geforscht: Wie sehr belasten Großevents das Leben in der City?
Großveranstaltungen betreffen das Leben in der Stadt auf unterschiedlichen Ebenen. Aufgrund der Vielzahl an Menschen wird häufig der öffentliche Nah- und Straßenverkehr extrem belastet. Bei Veranstaltungen im Freien gibt es Probleme mit Ruhestörungen und der Müllbeseitigung. Das ist auch einer der Gründe, warum unter anderem die Love Parade den Berliner Tiergarten verlassen hat. Großveranstaltungen können deshalb jedoch nicht einfach abgeschafft werden. Sie bieten einer Stadt die Chance, international sichtbar zu werden beziehungsweise zu bleiben, ziehen Investorinnen und Investoren in die Stadt und schaffen attraktive Freizeit- und Berufsangebote.
Was kann getan werden, um die negativen Effekte von Großevents abzumildern oder zu beheben?
Wir brauchen dringend eine nachhaltige Strategie, um mit diesem Veranstaltungsformat so umzugehen, dass die Lebensqualität in Städten erhalten bleibt. Viele Mega-Events hinterlassen überdimensionierte Veranstaltungsstätten, für die es danach keinen alltäglichen Bedarf mehr gibt. Diese „weißen Elefanten“ sind zwar nicht der einzige, aber einer der offensichtlichsten Gründe für das gesellschaftliche Misstrauen, das Großveranstaltungen seit einigen Jahren entgegengebracht wird. Hier sind smarte und nachhaltige Lösungen bei der Ausrichtung gefragt, die Folgekosten und somit eine erhebliche Mehrbelastung für die Steuerzahler, vermeiden können. Dass sich Großveranstaltungen belastend auf das Stadtbild auswirken können, zeigen auch meine eigenen Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der Austragung Olympische Spiele unterschiedlicher Austragungsdestinationen, vor allem in Rio de Janeiro.
Vom Berlin Marathon über Fußballspiele bis hin zu Großkonzerten – Berlin ist eine Metropole, in der regulär viele Großevents stattfinden. Welche Auswirkungen hat das auf die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner?
Großveranstaltungen haben – je nach Art, Turnus und Charakter – das Potenzial, bewusst regionales Marketing zu betreiben und damit zum einen die Attraktivität für den Tourismus, aber auch die Freizeitqualität für alle zu steigern. Sehr gelungene Beispiele hierfür sind der Berlin Marathon, aber auch der Karneval der Kulturen. Mega-Events wie eine EM oder WM, bei denen Berlin als Destination Austragungsort ist, haben natürlich denselben Effekt. Wenngleich wir auch hier sehen, dass Bewohnerinnen und Bewohner sich im Sinne sogenannter Crowding-Out-Effekte dafür entscheiden, die Stadt zu verlassen, um woanders Urlaub zu machen. Die Stadt wiederum profitiert durch die sogenannte Umweg-Rentabilität von zusätzlichen Einnahmen – etwa in den Bereichen Hotellerie, Gastronomie oder Shopping. Das steigert auch die Steuereinnahmen der Stadt. Diese Gelder können zum Beispiel für die Digitalisierung der Schulen oder den Straßenbau genutzt werden. Großveranstaltungen haben somit eine hohe regionalökonomische Bedeutung. Die Stadtinszenierung durch Veranstaltungen kann außerdem einen Beitrag zur nachhaltig lebenswerten und zukunftsfähigen Gestaltung einer Metropole als Smart City leisten und innovative Entwicklungsstrategien für eine Stadt liefern.
Berlin entwickelt aktuell nicht nur eine Smart City- und Digitalstrategie, sondern gilt auch als einer der bedeutendsten Forschungsstandorte Europas, als Hightech-Standort und Start-up-Mekka. Prädestiniert das die Stadt für smarte Projekte und Gründungsideen im Umfeld der Eventbranche?
Ganz klar: ja. Berlin ist durch die zahlreichen Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten unglaublich interessant für Start-ups und schafft zudem ein Ökosystem, indem sich alle Cluster der Veranstaltungswirtschaft von veranstaltenden Unternehmen über Locations bis hin zu Dienstleistern mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen vernetzen können. Beide Seiten können so voneinander und miteinander lernen. Und das wiederum fördert die Wettbewerbsfähigkeit der Veranstaltungswirtschaft und Berlin als Standort für Entrepreneurship. Deshalb sind wir auch sehr stolz darauf, mit dem SCEI europaweit – wenn nicht sogar weltweit – das einzige Start-up-Programm initiiert zu haben, das in seiner inhaltlichen Ausrichtung die Eventbranche und das Thema smarte Stadtentwicklung verbindet.
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