• Zwei Studenten lernend über den Dächern Berlins.

    Die Zukunft des Lernens erforschen

Das Lernverhalten im digitalen Zeitalter ändert sich grundlegend. Es stellt die Studierenden in den Mittelpunkt und ist technologieorientiert. Unser Gastautor und Brain City Berlin-Botschafter Dr. Petyo Budakov forscht im Rahmen des Erasmus+-finanzierten Projekts CreatINNES. Ziel des Vorhabens ist es, effektive und innovative Programme für Blended Learning zu entwickeln.

©Ludwig Niethammer, FOTOSTUDIOLUDWIG

Dr. Petyo Budakov, DEKRA | Hochschule für Medien

Brain City Berlin-Botschafter Petyo Budakov (Ph.D.) ist Gastdozent an der SRH Berlin Uiniversity of Applied Sciences und Mitglied des europäischen Forschungsprojekts CreatINNES. Als DAAD-Alumni fokussiert er sich in seiner praxisorientierten Forschung auf die Entwicklung innovativer Blended-Learning- und E-Learning-Strategien, die über die traditionellen Ansätze von Online-Learning hinausgehen.

Was bedeutet Lernen für Sie? Vermutlich stellen Sie sich jetzt einen traditionellen Hörsaal mit Hunderten von Studierenden vor, die ihrem Professor zuhören und dabei eifrig Notizen machen. Dabei werden die Lernenden durch ihre Smartphones abgelenkt und verpassen so wichtigen Lehrstoff. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich meine nicht, dass dieses Modell veraltet oder untauglich ist. In machen Zusammenhängen funktioniert es immer noch sehr gut. Die Zukunft des Lernens stellt allerdings die Studierenden in den Mittelpunkt – und sie ist technologieorientiert.

Während meiner zehnjährigen Karriere in der Kreativbranche habe ich einige Probleme herausgefiltert, die wirksame Lösungen erfordern:

  • Es mangelt an interaktiven digitalen Lernressourcen, und das Feedback zu Projekten erfolgt nicht so schnell wie benötigt.
  • Anbieter sind nicht in der Lage, die Lernerfahrung vollständig zu personalisieren.
  • Nachlassendes Engagement der Studierenden stellt eine große Herausforderung dar.
  • Es existiert kein effektives System, über das man nachverfolgen kann, wie sehr sich die Studierenden einbringen. Die Beziehungen zwischen Universitäten, Freiberuflern, Start-ups und Arbeitgebern sind immer noch schwach ausgeprägt. Daher wächst die Kluft zwischen Theorie und Praxis.

CreatINNES – effektives Blended Learning

Um wirksame Lösungen für die obengenannten Probleme zu finden, müssen wir jeder und jedem Zugang zu einer qualitativ hochwertigen, offenen Blended Education ermöglichen. Unser Konsortium betreibt das von Erasmus+ mitfinanzierte Projekt CreatINNES. Zielsetzung ist die Entwicklung hochwertiger Blended-Learning-Programme sowie eines effektiven Blended-Learning-Campus für Studierende, Freiberufler*innen, Unternehmer*innen, regionale Multiplikator*innen und Interessengruppen, die in der Kultur- und Kreativwirtschaft (CCI) tätig sind. Das umfasst ein breites Spektrum unterschiedlicher Bereiche – von der Architekturüber die Musik bis hin zur Werbung.

CreatINNES zielt darauf ab, im Rahmen einer personalisierten Lernerfahrung jeden Studierenden zu motivieren und einzubinden. Eine große Herausforderung, die gründliche Recherchen, Analysen und Handlungsempfehlungen verlangt. Die größte Schwierigkeit liegt hier darin, vorauszusagen, wie sich das Lernverhalten der Millennials und der Generation Z in den nächsten drei Jahren entwickeln wird und was sie tatsächlich momentan lernen möchten.

Eine unserer primären Zielsetzungen war es, relevante Informationen bezüglich der Lern-Bedürfnisse von CCI-Freiberuflern, Start-ups und innovativen Unternehmen in unseren Partnerländern zu analysieren: Deutschland, Bulgarien, Frankreich, Ungarn und Nordmazedonien. Dies sollte uns in die Lage versetzen, zwei maßgeschneiderte Schulungsprogramme zu entwickeln. 55 Prozent der Befragten gehörten der Generation Z an (1996 bis 1999 geboren) und weitere 45 Prozent repräsentierten die Generation Y, auch „Millennials“ genannt (zwischen 1981 und 1995 geboren).

Eine Analyse des Lernens

Die Analyse markierte den ersten Schritt in der Umsetzung unserer beiden innovativen Blended-Training-Programme „Entrepreneurship for CCI freelancers “ und Start-ups sowie „Creative thinking for Innovation“. Wir führten jeweils zwei Umfragen durch, an der sich sämtliche CreatINNES-Partner beteiligten. Die erste richtete sich an die CCI-Freiberufler und -Unternehmer. Die zweite konzentrierte sich auf innovative Institutionen und Unternehmen, die nicht der CCI-Branche angehörten. In beiden Befragungen ging es darum, nicht nur die Bedürfnisse der Lernenden zu erforschen, sondern auch die Art und Weise, wie sie lernen.

Die Analyse markierte den ersten Schritt in der Umsetzung unserer beiden innovativen Blended-Training-Programme  „Entrepreneurship for CCI freelancers “ und Start-ups sowie „Creative thinking for Innovation “. Wir führten jeweils zwei Umfragen durch, an der sich sämtliche CreatINNES-Partner beteiligten. Die erste richtete sich an die CCI-Freiberufler und -Unternehmer. Die zweite konzentrierte sich auf innovative Institutionen und Unternehmen, die nicht der CCI-Branche angehörten. In beiden Befragungen  ging es darum, nicht nur die Bedürfnisse der Lernenden zu erforschen, sondern auch die Art und Weise, wie sie lernen.

Eine unserer größten Herausforderungen war es dabei, eine ausreichende Rücklaufquote zu erzielen. Wir schickten daher bereits im Vorfeld persönliche Nachrichten an alle Teilnehmer*innen, um unsere Umfrage anzukündigen. Auch Informationen zum zeitlichen Rahmen der Befragung wurden dem Schreiben beigefügt. Die Fragebögen wurden in fünf Sprachen übersetzt: Bulgarisch, Französisch, Deutsch, Ungarisch und Mazedonisch. Sie wurden an mehr als 620 Umfrageteilnehmer verteilt. Insgesamt beteiligten sich 218 Personen an der Studie.

Basierend auf den Ergebnissen konnten wir verschiedene Lernprofile identifizieren, die Rückschlüsse auf das Lernverhalten und Lernbedürfnisse unserer Zielgruppen zulassen. So stellte sich beispielsweise heraus, dass der Ausbildungsbedarf der Befragten in sämtlichen Ländern marketingbezogen ist (insb. Forschung, Vertrieb und Werbung). Die Teilnehmer zeigten sich bereit, an Trainings zu den Themen Aufbau von Partnerschaften, Netzwerken und Zusammenarbeit teilzunehmen. Letzteres stand in vier Partnerländern an zweiter Stelle des Ausbildungsbedarfs. Schulungen zur Mittelbeschaffung und Unternehmensfinanzierung waren vor allem in Deutschland, Ungarn und Mazedonien gefragt. In Bulgarien und Mazedonien erhielten Schulungen zu den Themen Unternehmensführung, Zugang zu internationalen Märkten und unternehmerisches Denken besonders viel Zuspruch. Darüber hinaus identifizierten wir Schulungsbedarf in folgenden Bereichen: Entwicklung von Innovationen und Social-Media-Kompetenze (Deutschland), Kreatives Denken (Bulgarien), Zusammenarbeit mit Freiberuflern (Frankreich), Bürokratische Verfahren (Mazedonien).

Die zweite unter Nicht-CCI-Fachleuten durchgeführte Umfrage ergab u.a. folgenden Bedarf: Erwerb von Soft Skills (47 Prozent), Problemlösung (42 Prozent), Designstrategie (37 Prozent ), ein Verständnis für Corporate Identity (37 Prozent) und kritisches Denken (37 Prozent).

Unsere Erkenntnisse: Wie sich das Lernverhalten von Generation Y und Z unterscheidet

Die Studie zeigt, dass die Generation Z fast ausschließlich mittels digitaler Geräte lernt, beispielsweise durch Online-Unterricht oder kurze Videos. Auch Online-Video-Chats werden für Gruppenarbeiten genutzt, wobei die Zusammenarbeit vom jeweils eigenen Standort aus erfolgt. Im Gegensatz zu den Millennials, die eher in Bibliotheken oder über über Face-to-Face-Interaktion lernen, erwarteten die befragten Vertreter der Generation Z, dass Lernressourcen, jederzeit und überall verfügbar stehen. Unsere zukünftig Lernenden bevorzugen das sogenannte „Microlearning“, das Lernen in kleineren Abschnitten. Dieses kann durch viele Plattformen unterstützt werden – einschließlich Social Media. Es lässt sich mit dem Medienkonsum über Streaming-Dienste wie Netflix und Spotify vergleichen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die in der Kreativbranche tätigen Umfrageteilnehmer sich neue Fähigkeiten und Kenntnisse vor allem durch das sogenannte „experimentelle Lernen“ aneignen. Dieses wurde von der Simon-Fraser-Universität definiert als aktives  strategisches Sich-Einbringen der Studierenden in Möglichkeiten des praktischen Lernens sowie eine entsprechende Reflexion dieser Aktivitäten. Was sie wiederum befähigt, ihr erworbenes theoretisches Wissen in vielen Situationen auf praktische Vorhaben innerhalb und außerhalb der Lernumgebung zu übertragen.”

Technisch versiert, progressiv, unternehmerisch: Berlin sticht hervor

Als Zentrum der Kreativwirtschaft bringt Berlin bemerkenswerte kreative, soziale und unternehmerische Leistungen hervor. Wir stellten fest, dass Berliner*innen gern Plattformen für den kulturellen und kreativen Austausch und Netzwerke für die digitale und Kreativwirtschaft aufbauen. Sie implementieren innovative Projekte in Wirtschaft und Gesellschaft und zeichnen sich durch ein progressives unternehmerisches Denken aus. Die von uns befragten Berliner*innen waren aurdem sehr interessiert daran, an Blended-Learning-Formaten teilzunehmen. Dies deckt sich mit ihrer Vorliebe für unabhängiges Lernen und Face-to-Face-Treffen mit Gleichgesinnten. Unsere Berliner Teilnehmer*innen sprachen sich außerdem klar dafür aus, mehr über Design Thinking, Visual Branding und den Zugang zu EU-Fördermitteln zu erfahren, um ihre Start-ups finanzieren zu können. Das Profil der befragten Berliner*innen lässt sich wie folgt beschreiben: technisch versiert, fortschrittlich, unternehmerisch, stets bestrebt, Einblicke in neue Themen zu gewinnen und die Vernetzung mit Gleichgesinnten auszubauen.

Basierend auf den Ergebnissen unserer Befragungen wir werden wir Blended-Learning-Inhalte entwickeln, die mit vielen interaktiven, visuell ansprechenden Quellen angereichert sind. In ihrer Struktur werden sie kurz und prägnant sein, um diese Art des Lernens zu unterstützen. Darüber hinaus haben wir auf Grundlage unserer Analyse einen didaktischen Ansatz erarbeitet, der sowohl das Lernen als auch das Lehren einschließt.

Zusammenfassung:

  • Technologien verändern fortwährend sämtliche Aspekte unseres täglichen Lebens, einschließlich der Art und Weise, wie wir lernen und lehren.
  • Studierende haben heute mehr Möglichkeiten als je zuvor. Basierend auf ihren Vorlieben und ihren konkreten Bedürfnissen, gestalten sie ihre Lernerfahrungen im eigenen Tempo.
  • Lernende werden sich künftig in zunehmendem Maße mit gemeinschaftlich bearbeiteten und Multitasking-Aufgaben beschäftigen. Dabei motiviert sie vor allem die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erwerben und Wissen und Fertigkeiten untereinander auszutauschen.
  • Dozent*innen werden künftig Moderator*innen, Mentor*innen und „Sozialingenieur*innen “ in einem sein. Ihre Hauptaufgabe wird darin bestehen, ihre Studierenden enten zu ermutigen, die jeweils für sie effektivste Lernstrategie zu finden.

Kurz gesagt: Das alte Paradigma, wonach Lernen ausschließlich im Klassenzimmer oder Hörsaal stattfindet, existiert nicht mehr.

 

Referenzen:
"Analysis and definition of qualification needs in CCI area, Intellectual Output 1 CreatINNES Project - a European project funded by the ERASMUS+ programme in the period 2018 – 2021", (April 2019), Zusammenfassende Analyse und Redaktion: Maria-Denitsa Georgieva, BIC INNOBRIDGE Angela Ivanova, INI-Novation GmbH. Mitarbeiter des Dokuments: INNOBRIDGE (Bulgarien), INI-Novation GmbH (Deutschland), MEDF (Nord-Mazedonien), Budakov Films (Bulgarien), Alanam (Frankreich), Teleberry (Ungarn).
Abgerufen von: https://a318f76f-d653-4b11-8b6a-fdc71b9ecd7c.filesusr.com/ugd/46e134_65bd0ea43faa460e890ad96371f4c66a.pdf

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