• Beuth-Mitarbeiter Martin Kaiser präsentiert Face Shield.

    COVID-19: Berliner Hochschulen helfen

Gebäude, Hörsäle und Labore in der Brain City Berlin sind zurzeit wegen der Corona-Pandemie für Studierende, Lehrende und Forschende geschlossen. Trotzdem steht die Forschung an den Berliner Universitäten und Hochschulen nicht still: Wissenschaftler*innen unterstützen die Eindämmung des Corona-Virus aktiv in verschiedenen Projekten.

Beuth Hochschule: Visiere schützen vor Atem-Tröpfchen

„Face Shields“ hat das 16-köpfige Team der Beuth Hochschule für Technik Berlin die durchsichtigen Schutzschilde genannt, die wie das Visier einer Ritterrüstung über das Gesicht der Träger*innen geklappt werden können. Praktisch sind diese Schutzvorrichtungen beispielsweise für Ärzt*innen in kleinen Praxen, die derzeit häufig nicht mit Schutzmasken beliefert werden können. Das medizinische Personal kann so nicht „angespuckt“ werden oder sich ins Gesicht fassen. Und dies wiederum senkt das Risiko, sich bei der Behandlung mit Corona zu infizieren deutlich. Zumal das Face Shield auch über einer Filtermaske getragen werden kann.

Rund 12.000 dieser Visiere sollen im Rahmen einer Hilfsaktion an der Beuth Hochschule in den kommenden Wochen laborübergreifend produziert werden. Material für weiterer 20.000 Face Shields, die dann ebenfalls an der Hochschule verarbeitet werden sollen, wird erwartet. Zu den Partnern des Projekts gehören neben der Beuth Hochschule die gemeinnützige Hilfsorganisation CADUS und verschiedene offene Werkstätten in Berlin und Brandenburg, sogenannte Makerspaces. Sie kümmern sich vor allem um die Logistik und den Vertrieb; einige produzieren ebenfalls Visiere. Das für die Produktion der Face Shields dringend benötigte Material stiften Unternehmen. So spendete etwa eine alteingesessene Berliner Wasser- und Pumpenanlagenfirma spontan und unbürokratisch eine Aluminiumplatte zur Herstellung von Gussformen für Silikonbänder.

Die Idee zu dem Projekt „Face Shields“ hatte übrigens keine*r der Hochschulmitarbeiter*innen, sondern ein Student: Paul Jerchel vom Rat für Zukunftsweisende Entwicklung, einer studentischen Initiative der Beuth Hochschule. Gemeinsam mit Laboringenieur Tasso Mulzer koordiniert er die Aktion. Die Hochschule stellt Know-how und Labore zur Verfügung. So wurden im Labor für Produktionstechnik zunächst verschiedene Prototypen entwickelt und erprobt. In der Produktion zum Einsatz kommen Laserschneidegeräte, Stanzscheren, 3D-Drucker und eine CNC-Fräse. Kostenlos verteilt werden die Face Shields beispielsweise an Praxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber auch an bedürftige Trägerinnen.

Humboldt-Universität zu Berlin – Chemiker mischen Desinfektionsmittel

Bis zu 500 Liter Desinfektionsmittel pro Tag produzieren Chemiker derzeit an der Humboldt-Universität zu Berlin. Abnehmer ist vor allem die Charité-Universitätsmedizin Berlin, die Desinfektionsmittel in großen Mengen für Ärzt*inenn und Pfleger*innen benötigt.  „Wir haben Desinfektionsmittel bzw. die Herstellungsmaterialien dafür nicht im Vorfeld gehamstert“, erläutert Michael Bojdys, Junior-Professor am Institut für Chemie der HU im Wissenschafts-Podcast der Hochschule. „Wir verdanken die Möglichkeit vor allem dem Verband der Chemischen Industrie (VCI), der die Hersteller aufgerufen hat, hier die Produktionskapazitäten der Bestandteile von Desinfektionsmitteln hochzufahren und so die kritische Infrastruktur mitzuversorgen.“

Die Bestandteile von Desinfektionsmittel sind Ethylalkohol, Wasserstoffperoxid und das zur Handdesinfektion notwendige Glycerin. Nach Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO mischt ein Kernteam von Chemiker*innen derzeit an der HU Berlin weit über die reguläre Arbeitszeit hinaus die begehrte Flüssigkeit, um so die Corona-Pandemie eindämmen zu helfen. „Die Herstellung von Desinfektionsmittel ist keine ‚Rocket Science’. Man kann sich das vorstellen, wie das Mixen eines Drinks zu Hause“, so Bojdys. Warnend fügt er allerdings hinzu. „Komplex ist für unsere Mitarbeiter*innen die Herstellung in großen Mengen. Dafür bedarf es immer ein Labor.“ Nachahmung also nicht empfohlen!

Technische Universität Berlin – medizinische Ersatzteile aus dem 3D-Labor

Der Mangel an schnell verschleißenden Ersatzteilen in Medizinprodukten kann bei der Versorgung von Corona-Infizierten schnell zum Problem werden. In Italien beispielsweise haben Kliniken bereits damit zu kämpfen. „Theoretisch ist es möglich, mit sogenannten additiven Fertigungsverfahren entsprechende Ersatzteile herzustellen und Engpässe zu überbrücken“ sagt Dipl.-Ing. Ben Jastram vom 3D-Labor der TU Berlin. Gemeinsam mit seinem Kollegen Joachim Weinhold hat er – angeregt durch eine Anfrage der Europäischen Kommission – zusammen mit dem Verband 3DDruck Ende März ein Netzwerk ins Leben gerufen, das Institutionen und Unternehmen bundesweit zusammenbringen will. Zielsetzung der Initiatoren: Engpässe an Verschleiß- und Ersatzteilen wie beispielsweise Bauteile für Atem- und Schutzmasken oder komplexe Ventilteile in der aktuellen Krise unbürokratisch abzumildern. Unter anderem haben sich das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam und die Charité – Universitätsmedizin Berlin der Initiative angeschlossen, die sich bewusst als Übergangslösung versteht.  

Berlin University Alliance - neues Verbundprojekt

Dass Hilfs-Initiativen wie diese in der Brain City Berlin spontan funktionieren, liegt vor allem an der engen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Region. Ein weiterer Grund sind die exzellenten institutions- und disziplinübergreifenden Verbindungen im Rahmen der Berlin University Alliance. Mit einem neuen Verbundprojekt will diese eine Grundlage für die Forschung zum Coronavirus SARS-CoV-2 legen. Das „Corona Virus Pre-Exploration Project“ wird ein Jahr lang mit insgesamt 1,8 Millionen Euro gefördert. Daran beteiligt sind Wissenschaftler*innen der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Technischen Universität Berlin und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sie werden sich unter anderem mit potenziellen Wirkstoffen, der Entwicklung von Impfstoffansätzen und möglichen gesundheitsökonomischen Folgen beschäftigen. Projektleiter sind der Biochemiker Prof. Dr. Rainer Haag (Freie Universität Berlin), der Chemiker Prof. Dr. Christian Hackenberger (Humboldt-Universität zu Berlin und Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie), der Biochemiker Prof. Dr. Jens Kurreck (Technische Universität Berlin) und der Virologe und Brain City-Botschafter Prof. Dr. Christian Drosten (Charité – Universitätsmedizin Berlin). (vdo)

Weitere Informationen und Kontaktadressen

  • „Face Shields“-Projekt der Beuth-Hochschule: Wer Visiere und Masken braucht, kann sich melden unter: bedarf[at]masken.berlin
  • MakerVsVirus.org vermittelt Face Shields an bedürftige Träger, Praxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.
  • Für die Produktion weiterer Face Shields im Labor benötigt das Team der Beuth Hochschule dringend Gummihandschuhe (Haushaltshandschuhe), Rührwerke für Zweikomponentensilikon und Fräswerkzeuge. Kontakt: Prof. Dr.-Ing. Ralf Förster: rfoerster@beuth-hochschule.de
  • 3D-Initiative der TU Berlin: Institutionen und Organisationen, sich an der Initiative beteiligen möchten, können die Ansprechpartner an der TU Berlin kontaktieren.
  • Desinfektionsmittel: Die Online-Plattform „NOtversorgung DEsinfektionsmittel 2020“ (NODE) des VCI vernetzt Anbieter und Abnehmer von Händedesinfektionsmitteln, Rohstoffen, Gebinden und Dienstleistungen im Bereich Umfüllen und Logistik bundesweit für die Dauer der Coronakrise.
  • Corona Virus Pre-Exploration Project“ der Berlin University Alliance

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