• Dr. Anne Schreiter

    „Wissenschaft bedeutet nicht nur Forschung“

Exzellente Forschung ist heute eingebettet in professionelle Managementstrukturen. Projekte müssen koordiniert, Gelder eingeworben und komplexe Sachverhalte allgemeinverständlich kommuniziert werden. Entsprechend steigt der Bedarf an qualifizierten Wissenschaftsmanager*innen, die oft aus der Wissenschaft stammen. Welche alternativen Karrieremöglichkeiten der Bereich bietet – und warum der Umstieg in das Management für viele junge Wissenschaftler*innen immer noch mit dem Beigeschmack des Scheiterns behaftet ist, verrät Dr. Anne Schreiter im Brain City-Interview. Die promovierte Sozialwissenschaftlerin ist Geschäftsführerin der German Scholars Organization (GSO) und engagiert sich als Vorstandsmitglied im Netzwerk Wissenschaftsmanagement.

Frau Schreiter, Wissenschaft ist uns ja allen ein Begriff. Aber was sind eigentlich Wissenschaftsmanager*innen?

Wissenschaftsmanagement umfasst alle Management-, Projektmanagement- und Kommunikationsaufgaben, die dazu beitragen, dass Wissenschaft und Forschung gut funktionieren können. Forschungsprojekte müssen koordiniert, Gelder eingeworben und Personal geführt werden. Die forschungsunterstützenden Strukturen sind sehr breit gefasst. Die Spannweite reicht heute von der Geschäftsführung einer Fakultät über die Forschungsförderabteilung bis hin zum strategischen Kommunikationsmanagement an der Hochschule. Unterschiede gibt es in der beruflichen Eingruppierung. Professor*innen beispielsweise sind ja auch Wissenschaftsmanager*innen. Aber das ist nicht ihr vordergründiges Berufsbild.

Als Karriereoption ist dieser Bereich noch recht jung. Nicht allzu viele junge Wissenschaftler*innen zieht es bisher in den Bereich. Woran liegt das?

In der Wissenschaft existiert häufig noch das Narrativ, dass Forschung und Professur Krone und Zepter für Wissenschaftler*innen sind. Das ist ein sehr antiquiertes Bild. Insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass laut einem Bericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung lediglich 19 Prozent aller Promovierten unter 45 Jahren an einer Hochschule tätig sind. Und davon sitzt nur ein knappes Prozent auf einer Professur. Das zeigt, wie unwahrscheinlich dieser Weg eigentlich ist.

Würden Sie jungen Wissenschaftler*innen demnach eher davon abraten, eine Karriere in der Wissenschaft zu verfolgen?

Auf keinen Fall! Das wissenschaftliche Umfeld hat ausgesprochen positive Seiten. Um in der Wissenschaft erfolgreich zu sein, sollte man allerdings für die Forschung und das eigene Thema brennen. Bei mir war das beispielsweise nicht der Fall. Ein Karriereberater stellte mir während meines Postdoc-Aufenthalts an der UC Berkeley eine entscheidende Frage: „Wie sehr bist du bereit, für die Wissenschaft zu leiden?“ Ich stellte damals fest, dass ich viel lieber Workshops für die Doktorand*innen organsierte als allein vor mich hin zu arbeiten. Zurück in Deutschland bewarb mich auf Jobs im wissenschaftsverwandten Bereich und wurde schließlich fündig. Kurzum: Wenn man den Weg in eine wissenschaftliche Karriere wirklich gehen will, dann sollte man ihn auch beschreiten. Aber für viele ist es eine Verlegenheitslösung, die in einer Sackgasse enden kann. Wichtig wäre es, dass Wissenschaftler*innen bezüglich alternativer Karriereoptionen besser informiert sind.

An den meisten Hochschulen gibt es aber doch gute Karriereberatungen.

Das stimmt. Allerdings schwanken der Umfang und die Reichweite der Angebote natürlich von Hochschule zu Hochschule. Außerdem ist es für viele junge Wissenschaftler*innen ausgesprochen schwierig, sich von ihrem bisherigen Karriereziel zu lösen. Wenn man aus der Wissenschaft heraus einen anderen Karriereweg einschlagen möchte, reagieren Kolleg*innen und Professor*innen häufig mit Unverständnis. Es wird einem das Gefühl vermittelt, dass man es nicht geschafft hat. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich allerdings schon viel getan. 

Ist dieses Gefühl von „Downgrading“ disziplingebunden?

Ich glaube, es hat weniger mit der Disziplin zu tun, sondern damit, wie lange man schon in der Wissenschaft tätig ist. Nach dem Master ist es für die meisten jungen Wissenschaftler*innen kein Problem, sich umzuorientieren. Selbst während der Promotion können sich viele noch vorstellen, beispielsweise als Geisteswissenschaftler*innen in einen Verlag oder als Chemiker*in in die Industrie zu gehen. Das Gefühl des „Downgradings“ betrifft eher Wissenschaftler*innen, die bereits den Postdoc gemacht haben, Nachwuchsgruppenleiter*in werden wollten oder eine Professur anstrebten. Wenn man solche Ziele erst einmal für sich definiert hatte, ist es deutlich schwieriger, die Wissenschaft loszulassen.  

Was sollten künftige Wissenschaftsmanager*innen mitbringen?

Ausgebildete Wissenschaftler*innen bringen bereits viel mit – sie selbst mussten ihre eigenen Projekte ja auch managen.  Sie wissen zudem, wie das System tickt und wie Forschung funktioniert. Wichtig ist, dass man sich mit der Aufgabe identifiziert und sich bewusst und informiert für das Wissenschaftsmanagement entscheidet. Man sollte sich auch klar machen, dass man sich in einer unterstützenden Funktion befindet, aber trotzdem ein wichtiger Teil der Forschung ist. Wie in jedem Beruf sollte die angestrebte Position im Wissenschaftsmanagement den eigenen Stärken und Fähigkeiten entsprechen.

Welche Ausbildungsmöglichkeiten gibt es im Bereich des Wissenschaftsmanagements ?

An der Technischen Universität Berlin gibt es den berufsbegleitenden Masterstudiengang „Wissenschaftsmanagement“, der die Themenbereiche Marketing und Kommunikation in den Vordergrund stellt. Berufsbegleitende Studiengänge wie der M. P. A.-Studiengang „Wissenschaftsmanagement“ an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer oder der MBA-Studiengang „Hochschul- und Wissenschaftsmanagement“ an der Hochschule Osnabrück haben andere Schwerpunkte. Ein solches Studium kann eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Ausbildung sein, viele Wissenschaftsmanager*innen erwerben die erforderlichen Zusatz-Skills allerdings on the job.  

In der Wissenschaft hat inzwischen ein Kulturwandel eingesetzt. Stichworte wie Globalisierung und Digitalisierung bestimmen auch die Strukturen der Wissenschaftslandschaft. Ist damit auch der Bedarf an Wissenschaftsmanagement gestiegen?

Das System Wissenschaft kann nicht losgelöst von so großen Themen wie Digitalisierung oder Globalisierung funktionieren. Man braucht daher gute Leute, die diese Prozesse und großen gesellschaftlichen Paradigmenwechsel begleiten und gestalten können. Kooperationen müssen aufgebaut und gemanagt, innovative Wege der Zusammenarbeit und Kommunikation gefunden werden. Die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder ist ein gutes Beispiel dafür. Sie hat Bewegung in den Sektor gebracht. Grundsätzlich lässt sich sagen: Das Berufsbild „Wissenschaftsmanager*in professionalisiert sich zusehends. Es gibt inzwischen attraktive Stellen, die auch mit einem höheren Status verknüpft sind. Management wird zunehmend als integraler Bestandteil des Wissenschaftsbetriebs gesehen. Und es kommen immer mehr Leute, die gezielt genau das machen möchten.

Ist die Brain City Berlin ein guter Standort für Wissenschaftsmanager*innen?

Berlin ist als Wissenschaftsstandort sehr gut ausgebaut – mit seinen renommierten Hochschulen, der Berlin University Alliance und verschiedenen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Hinzu kommen forschungsnahe Unternehmen und wissenschaftsfördernde Organisationen. Über die Berlin University Alliance sind in Berlin außerdem eine ganze Reihe neuer Stellen und Möglichkeiten für Wissenschaftsmanager*innen geschaffen worden, die in Bereichen wie Wissenschaftstransfer, Strategie oder Wissenschaftskommunikation arbeiten. Berlin bietet darüber hinaus den Vorteil, dass Menschen aus der ganzen Welt hier leben und arbeiten möchten. Die Stadt ist als Wissenschaftsstandort international profiliert.

Haben Sie einen Tipp für junge Wissenschaftler*innen, die in das Wissenschaftsmanagement wechseln möchten?

Grundsätzlich ist es wichtig, frühzeitig Netzwerke aufzubauen und mit Menschen zu sprechen, die bereits in dem Bereich arbeiten. Nur so erhält man einen detaillierteren Einblick in die Möglichkeiten und verschiedenen Facetten dieses Bereichs. Darüber hinaus sollte man die eigenen Stärken und Fähigkeiten analysieren und sich fragen: Ist es wirklich das, was zu mir passt? Hilfreich ist es außerdem, die eigenen Fähigkeiten nach außen hin sichtbar zu machen. Das hat auch bei mir gut funktioniert. Ich habe einen Blog gestartet, ein LinkedIn-Profil angelegt und wissenschaftliche Veranstaltungen moderiert. Ich bin dann tatsächlich angesprochen worden, ob ich mich nicht für meine heutige Stelle bei der German Scholars Organization bewerben möchte. Das hat geklappt. Wir beraten und vernetzen Wissenschaftler*innen und bieten gemeinsam mit Partnern Förderprogramme an. Wissenschaftsmanagement ist nicht nur auf Hochschulen und Forschungseinrichtungen beschränkt. 

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