• Siemensstadt 2.0

    Siemensstadt 2.0: Forschung und Industrie eng verknüpft

Siemensstadt kennt in Berlin jedes Kind. Siemensstadt 2.0 hingegen ist ein Ort der Zukunft. Bis 2030 soll auf dem historischen Firmengelände im Nordwesten der Brain City ein moderner, weltoffener Innovationscampus entstehen, der Forschung, Produktion, Wohnen, Leben und Arbeiten eng verzahnt miteinander verbindet. Eines der ersten Vorhaben, das im Rahmen von Siemensstadt 2.0 Gestalt annimmt, ist das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science. Für dessen erstes Forschungsprojekt „Elektrische Antriebstechnik“ bewilligte der Berliner Senat jetzt 9,9 Mio. Euro.

„Siemensstadt 2.0“ heißt das rund 70 Hektar große Areal, das derzeit in Berlin-Spandau auf historischem Boden entsteht – ein neuer Zukunftsort in der Brain City Berlin. Das Unternehmen Siemens ist hier seit mehr als 100 Jahren ansässig. Bald allerdings soll die traditionsreiche Siemensstadt zu einem Innovationscampus werden; zu einem weltoffenen Stadtteil mit einem dichten Mix von Arbeiten, Wohnen, Lernen, Forschen und Produktion. Die fließende Verbindung von Industrie, Wissenschaft und Lebensraum ist zugleich Kernelement des Konzepts von Siemensstadt 2.0 – ein Ansatz, der viel Raum für Innovationen und Kreativität bietet.

Rund 600 Millionen Euro will das Weltunternehmen in den kommenden fünf bis zehn Jahren in seinen Standort investieren. Für Dr. Karina Rigby, Vice President bei der Siemens AG und verantwortlich für die inhaltliche Ausgestaltung von Siemensstadt 2.0., lag die Entscheidung auf der Hand: „Berlin ist Teil unserer DNA. Wir haben bereits seit einigen Jahren überlegt, wie wir unseren Standort hier zukunftssicher machen. Berlin ist aber auch digitale Hauptstadt sowie eine der führenden Start-up-Städte Europas. Und Siemens erlebt derzeit einen nie dagewesenen Wandel hin zur Digitalisierung unseres Geschäfts. Mit dem Projekt entsteht ein Zukunftsort, mit dem wir die Erfolgsgeschichte von Siemens und Berlin fortschreiben wollen – in moderner Form.“

Offener, bunter Nutzungsmix

Modern, das heißt in diesem Fall auch bewusste Öffnung nach außen. Rigby: „Früher war Siemensstadt eine mehr oder minder geschlossene ‚Siemens-Gesellschaft’. Jetzt öffnen wir die Siemensstadt für alle und schaffen dort ein modernes, weltoffenes Ökosystem. Wilhelm von Siemens, der Sohn unseres Firmengründers, hatte die Vision, auf der grünen Wiese einen neuen Stadtteil zu schaffen und dort die Bereiche Leben, Lernen und Arbeiten zu verbinden. Diese Idee greifen wir auf. “

Noch befindet sich Siemensstadt 2.0 in der Planung. Als Basis dient der Entwurf des Berliner Architekturbüros Ortner & Ortner Baukunst, das Anfang 2020 den städtebaulichen Wettbewerb für das Areal gewann. „Der Entwurf setzt auf die Ausprägung von in sich funktionierenden, verdichteten Stadtquartieren, die durch unterschiedliche, spannende öffentliche Räume miteinander verbunden sind“, erläutert Stefan Kögl, General Manager von Siemensstadt 2.0 und verantwortlich für die bauliche Realisierung. „Diese Idee ist so neu nicht, aber in der Kombination mit einem starken und vielfältigen Nutzungsmix erleben wir die Neugestaltung eines zukunftsfähigen Stadtteils.“ In einer sich rasant verändernden Welt, unterstreiche das Projekt den Anspruch des Unternehmens, technologischer Vorreiter zu sein.

Verbindendes Element dieses Nutzungsmixes sind durchgängige, öffentlich zugängliche Zonen. Ein markantes Hochhaus mit davor liegendem „Stadtplatz“ soll das neue Zentrum des Areals bilden und die historischen Schaltwerkhallen zum Teil für öffentliche und kulturelle Nutzungen umgestaltet werden. Insgesamt umfasst das Projektgebiet, das von der Nonnendammallee durchschnitten wird, eine Mischung aus Flächen für Wohnungen, Büro- und Gewerbegebäude, industrielle Produktion, Einzelhandel und Gastronomie, Hotels sowie soziale, kulturelle und öffentliche Einrichtungen. Auch Gebäude für Start-ups, Kooperationspartner und Forschungseinrichtungen sind geplant. Ein zentraler Aspekt des Konzepts ist es, dass sich die Nutzung stark durchmischt, um Austausch, Vitalität und Kreativität am Standort zu fördern.   

Mit dem Projekt entsteht ein Zukunftsort, mit dem wir die Erfolgsgeschichte von Siemens und Berlin fortschreiben wollen – in moderner Form.

 (Dr. Karina Rigby, Vice President Siemens AG) 

                                                                                                                                                                     

Schaufenster für den produktionstechnischen Strukturwandel

Der erste technologiebezogene Baustein in der Umsetzung des Areals zum Berliner Zukunftsort ist das „Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science“. Die Forschungskooperation zwischen Siemens, der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), der Fraunhofer Gesellschaft und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) wurde im Sommer 2019 offiziell gegründet. Vorausgegangen war dem Projekt eine Vereinbarung zwischen Siemens, den drei Kooperationspartnern und dem Berliner Senat. Zielsetzung der Kooperation, die Berlin mit Fördergeldern in zweistelliger Millionenhöhe unterstützt: Zukunftstechnologien kollaborativ zu erforschen und entwickeln.

„Das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science versteht sich als offenes Ökosystem für Forschung und Entwicklung, das direkt am Ort der Produktion angesiedelt ist. Wissenschaft und Bildung sollen hier gefördert werden: durch enge Kooperation der Partner, durch Professuren, aber auch durch Netzwerk-Meetings und Best Practice Sharings – alles am offenen Herzen der Produktion, wenn man so will“, sagt Erik Wiegard, Geschäftsführer des Centres und ergänzt: „Unsere Vision ist, dass das Werner-von-Siemens Centre ein Schaufenster für den produktionstechnischen Strukturwandel wird.“

Das Besondere an dem Projekt: Ideen aus Forschung und Wissenschaft können vor Ort direkt und schnell industriell umgesetzt werden – durch Co-Creation und Co-Location der Partner. Denn Innovationen finden heute nicht mehr in abgeschotteten Forschungslaboren statt. Das betont auch Erik Wiegard: „In einer Welt, in der Disruption und Wandel zur Normalität geworden sind, spielen Kooperationen eine wesentliche Rolle. Unsere Partner*innen sind renommierte Forschungseinrichtungen, innovative Unternehmen und vielversprechende Start-ups – also ein sehr bunter Mix. Wir wollen räumlich zusammenkommen und dadurch besonders schnell und effektiv forschen und entwickeln. Die Art der Zusammenarbeit wollen wir ‚auf Augenhöhe’ gestalten“. In der Forschung will sich das Werner-von-Siemens Centre vor allem auf die Bereiche digitale Produktionsprozesse, additive Fertigungsverfahren und neue Werkstoffe fokussieren. „Was die inhaltlichen Themen angeht, so steht aktuell der produktionstechnische Strukturwandel im Fokus. Perspektivisch wollen wir auch Themen der Mobilität und der Infrastruktur adressieren, also Themen, die für wachsende Städte relevant sind“, ergänzt Wiegard.

Siemensstadt 2.0 ist für uns ein Jahrhundertprojekt und in seiner Konstellation in Europa einzigartig.

(Stefan Kögl, General Manager Siemensstadt 2.0)

Die Forschung läuft bereits an

23 Partner*innen kooperieren inzwischen im Rahmen des Projekts miteinander, darunter auch kleine und mittelständische Unternehmen aus der Region. Noch steht die Arbeit am Zentrum in den Startlöchern. Für das erste Forschungsprojekt „Elektrische Antriebstechnik“ wurden am 6. Mai vom Berliner Senat 9,9 Mio. Euro bewilligt. Für zwei weitere Forschungsprojekte zur Produktionstechnik laufen aktuell die Förderanträge. „Sobald Bewilligungen vorliegen, beginnt die konkrete Arbeit in den Verbundvorhaben, mit einer geplanten Laufzeit bis 2022. Parallel werden neue Forschungsvorhaben geprüft und eingereicht, insbesondere zu den Themen Mobilitäts- und Energiewandel“, so Erik Wiegard. Voraussichtlich ab 2022 sollen außerdem drei Professuren an der TU Berlin eingerichtet werden, die sowohl an der Hochschule als auch auf dem Campus von Siemensstadt 2.0 forschen und lehren werden.

Es existieren aber bereits auch konkrete Beispiele für Wissenstransfer zwischen den Projekt-Partner*innen: So kooperiert Siemens beispielsweise mit der TU Berlin im Rahmen des Berliner Forschungscampus Mobility2Grid, um Innovationen voranzutreiben, mit denen die Energiewende und die Mobilität in vernetzten städtischen Gebieten realisiert werden könnte. Partner des Zentrums forschen außerdem an neuen Konzepten, um künftige große Elektroflotten in lokale Smart Grids zu integrieren. „Auch im Bereich der additiven Fertigung gibt es Beispiele für Wissenstransfer“, erläutert Erik Wiegard: „Fraunhofer IPK und Siemens kooperieren in verschiedenen Bereichen, unter anderem bei der Realisierung neuer Designs und Produktionsroutinen von additiven Bauteilen aus der Turbomaschinenbranche oder auch bei der Qualifizierung neuer Hochleistungslegierungen für Gasturbinen.“

Projekt mit Leuchtturmcharakter

Den Wissenschaftsstandort Berlin wird das Kooperationsprojekt ebenfalls voranbringen, davon ist Erik Wiegard überzeugt: „Durch die besondere Verbindung von Wissenschaft und realer Produktion hat das Werner-von-Siemens Centre Leuchtturmcharakter. Wir bemerken schon heute ein großes Interesse von potenziellen Partnern und rechnen damit, dass das Centre weitere, hervorragende Wissenschaftler und junge Talente anzieht.“  Das beziehe sich nicht nur auf den wissenschaftlichen Bereich, sondern auch auf die unternehmerische Ebene. „Wir erhoffen uns eine lebendige Co-Creation mit innovativen Startups. Wenn diese Rechnung aufgeht, wird das Werner-von-Siemens Centre das Innovation Ecosystem in Berlin maßgeblich stärken.“

Bis das Centre innerhalb von Siemensstadt 2.0 auch räumlich fest verortet erstrahlen kann, wird allerdings noch etwas Zeit vergehen. Derzeit arbeitet das Siemensstadt-Team anhand des Entwurfs von Ortner & Ortner einen städtebaulichen Masterplan aus, der konkretisiert, wie Gebäude und Flächen genutzt werden sollen. Voraussichtlich noch in diesem Jahr soll ein Hochbauwettbewerb für den ersten Bauabschnitt ausgeschrieben werden. Der Baubeginn ist frühstens für 2022 geplant. Schritt für Schritt wird es dann weiter in Richtung Zukunft gehen. General Manager Stefan Kögl blickt dem gespannt entgegen: „Siemensstadt 2.0 ist für uns ein Jahrhundertprojekt und in seiner Konstellation in Europa einzigartig.“ (vdo)

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