• Porträt Prof. Dr. Reiner Zeichhardt

    New Work – neue Arbeitskonzepte für zukunftsfähige Unternehmenskulturen

Gastbeitrag von Prof. Dr. Rainer Zeichhardt, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Prorektor für Studium und Lehre an der BSP – Business & Law School in Berlin. Im Fokus der Forschung des Brain City-Botschafters stehen moderne Management- und Leadership-Themen wie digitale Führung und Transformation.

New Work ist „in“

Nicht erst seit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen veränderten Arbeitsbedingungen ist das New Work-Phänomen Gegenstand breiter Diskussionen. Seit jeher werden in der Unternehmenspraxis regelmäßig „neue“ Arbeitskonzepte erprobt und in der Managementforschung untersucht.

Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass „New Work“ häufig als Chiffre verwendet wird, die verschiedene Themenbereiche zusammenfasst. New Work-Diskussionen reichen von medienvermitteltem Arbeiten im Homeoffice über selbstbestimmte Arbeitsplatz- und Arbeitszeitorganisation bis hin zur Arbeit in hippen Umgebungen der Co-Working und Start-up-Szene.

Was ist New Work?

Aus Sicht des Philosophen Frithjof Bergmann, der als wesentlicher Begründer der New Work-Bewegung gilt, geht es insbesondere um die Frage, „was die Menschen wirklich wirklich [sic] wollen“. Das „Neue“ im Phänomen der neuen Arbeit bezieht sich damit vor allem auf die Abgrenzung zu klassischen Arbeits- und Organisationsmodellen mit den dahinterliegenden traditionellen Menschenbildern und hierarchischen Führungskonzepten. Bei New Work steht nicht die Lohnarbeit im Vordergrund, sondern ein Verständnis von Arbeit als Möglichkeit der Selbstverwirklichung, des Aufgehens in erfüllenden Tätigkeiten. Die Neue Arbeit ist am „Purpose“, dem tieferen Sinn einer Organisation bzw. dem „Why“ eines Geschäftsmodells ausgerichtet. Damit wird deutlich, dass New Work in einem engeren Verständnis viel mehr umfasst, als Artefakte der Start-up-Kultur wie Obstkörbe und Kickertische.

New Work in Lehre, Forschung und Praxistransfer an der BSP – Business & Law School Berlin

An der BSP – Business & Law School haben wir das Thema New Work in unseren Bachelor- und Masterstudiengängen in Form von modernen Managementmodulen integriert. Inhaltliche Schwerpunkte in der Lehre und auch Forschung sind beispielsweise die veränderten Arbeitsbedingungen und Arbeitsformen im Zuge der digitalen Transformation. Konkret geht es unter anderem um neue Selbstorganisationskonzepte, die Herausforderungen agiler Projektarbeit oder die Bedeutung moderner Leadership-Mindsets für das digitale Zeitalter.

Gerade bei der Auseinandersetzung mit hochaktuellen Themen wie New Work, ist der kontinuierliche Austausch von Wissenschaft und Praxis wichtig. Praxiszugänge ergeben sich für die BSP beispielsweise durch das Berlin Partner Netzwerk und verschiedene Transferprojekte. Die Hauptstadt Berlin bietet hervorragende Rahmenbedingungen, um die Facetten von New Work nicht nur zu erleben, sondern auch zu erforschen und in die Lehre einzubinden. Neben Kontakten zu der quirligen Start-up-Szene und Austauschmöglichkeiten auf Digital-Festivals wie der re:publica oder hub.berlin, ermöglichen die vielen Außenstellen von bundesweit und international etablierten Unternehmen in Form von Digital Units, Labs oder Hubs spannende Einblicke in moderne alternative Arbeitsformen.

Hier zeigen sich auch Trends wie New Pay (alternative Entlohnungsmodelle durch beispielsweise transparente, selbstgewählte Gehälter), zeit- und raumentgrenzte Arbeitsphilosophien wie das digitale Nomadentum oder Konzepte wie Workations, (Verflechtung von Arbeit und Freizeit) und Shared Leadership (Verteilung von Führungsaufgaben und -Verantwortung auf mehrere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen). Die BSP setzt sich zudem mit den spezifischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auseinander. So ist die BSP Konsortialleiterin des Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur. In diesem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekt unterstützen wir zusammen mit unseren Konsortialpartnern KMU dabei, eine zukunftsfähige Unternehmenskultur aufzubauen und zu leben.

New Work als Phänomen der Unternehmenskultur

New Work verstehen wir in diesem Zusammenhang als wichtiges Kulturphänomen. Organisationskulturen sind Ausdruck kollektiver Werte und Verhaltensmuster. Kulturen sind komplexe Phänomene, weil sie sich emergent entwickeln und damit nur bedingt zielgerichtet gestaltet werden können.

Die Praxis des Changemanagements zeigt, dass Kulturwandel sehr anspruchsvoll ist. Strukturen und Prozesse von Organisationen lassen sich durchaus in bestimmten Ausmaßen gezielt gestalten. Das garantiert aber noch lange keine Änderung des kollektiven Verhaltensmusters von einzelnen Akteuren und Gruppen. Ein gezielter Kulturwandel, zum Beispiel durch Einführung von einzelnen New-Work-Elementen durch das Management, stößt dann an Grenzen, wenn diese nur oberflächlich implementiert werden. Wenn die in Hochglanzbroschüren und in Sozialen Medien versprochene Arbeitskultur in der Realität ganz anders gelebt und erlebt wird, kann das zu Ablehnung und Reaktanz seitens der Organisationsmitglieder führen.

Schon Frithjof Bergmann hat betont, dass richtige neue Arbeit viel mehr als Lohnarbeit mit Dekoration ist. Neue Arbeit sei vielmehr eine Erlösung. Das deutet darauf hin, dass New Work tief in der Organisationskultur verankert werden muss, um wirklich wirksam zu sein. Der Sozialwissenschaftler Edgar Schein hat mit seinem berühmten Ebenenmodell der Unternehmenskultur darauf aufmerksam gemacht, dass Kulturen vielschichtig sind. New Work als Kulturphänomen umfasst demnach nicht nur die sichtbaren Symbole einer Organisation, wie beispielsweise legere Kleidung, eine „Du-Kultur“ oder coole Büromöbel. New Work basiert auch auf geteilten Normen und Standards. Dazu gehören beispielsweise klare Regeln zur Arbeit im Homeoffice, Frameworks für agiles Arbeiten und Leitlinien für selbstorganisierte Projekte. Vor allem aber fußt sie auf gelebten und oftmals impliziten Basisannahmen – wie etwa ein komplexes Menschenbild, Maxime der Selbstverwirklichung oder ein geteiltes Verständnis bezüglich des Sinns von Arbeit und Leben.

Eine fundierte Auseinandersetzung mit New Work als Teil der Unternehmenskultur erfordert auch eine Sensibilisierung für die Ambivalenz des Phänomens. So kann New Work in Organisationen Spannungsfelder verdeutlichen und Kulturkonflikte verursachen. Konfliktpotenziale könnten sich beispielsweise dort zeigen, wo traditionelle Managementkonzepte auf moderne Leadership-Mindsets prallen, wo die Nutzenmaximierung einzelner Akteure im Homeoffice mit dem Purpose des Unternehmens konfligiert und wo die Arbeits-Mentalität einer Digital Unit nicht auf die Belegschaft der Kernorganisation abfärbt.

Besondere Herausforderungen sind ganz aktuell in der Corona-Pandemie am Beispiel räumlich und zeitlich entgrenzter Arbeit sichtbar geworden. Die Debatte um Digitalisierung und Autonomie verdeutlicht kritisch, dass digitale Selbstbestimmung von unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen abhängt. Privilegien haben sich vor allem in der Wissensarbeit gezeigt, während digitale Selbstbestimmung in Domänen der Produktion und im Dienstleistungsbereich gar nicht oder nur in Ansätzen möglich war. Es besteht die Gefahr, dass eine digitale Klassengesellschaft von Arbeitsdomänen entsteht. Und dass der Graben zwischen digitaler Selbstbestimmung und digitalem Taylorismus – der geistig anspruchsvolle Tätigkeiten von einfachen abgrenzt – wächst. Dies würde die ursprüngliche Kernidee von New Work in Zeiten des digitalen Wandels ins Gegenteil verkehren.

Bedingungen für erfolgreiche New Work Initiativen im Kulturwandel

Wie eben illustriert, ist New Work ein komplexes Phänomen. Damit sie tiefgehend und konstruktiv im Sinne sinnstiftender Arbeit gelten kann, ist es wichtig, sich organisationsweit mit den verschiedenen Aspekten sowie Möglichkeiten und Grenzen von New Work auseinanderzusetzen. Sie wird nur dann wirken, wenn Initiativen nicht nur oberflächlich proklamiert, sondern ganzheitlich implementiert und wirklich gelebt werden. Dies erfordert eine Integration von New Work in die Unternehmenskultur auf allen Ebenen. Der Erfolg von New Work hängt damit nicht nur von den Mindsets und Gestaltungsaktivitäten einzelner Führungskräfte ab, sondern von allen an der Organisation Beteiligten. Dies setzt eine offene Kommunikation, Partizipation und vor allem Vertrauen voraus.
 

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