• Startup Incubator Berlin, HWR Berlin, Brain City Berlin

    „Wir bringen Ideen an den Markt“

Start-ups profitieren in der Gründungshauptstadt von der großen Nähe zu Wissenschaft und Forschung. Denn der Transfer von Wissen aus den Hochschulen heraus in Wirtschaft und Gesellschaft wird immer wichtiger. Der Startup Incubator Berlin (SIB) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin unterstützt diesen Prozess besonders erfolgreich – wie die Top-Platzierung der HWR Berlin im jüngst veröffentlichten „Gründungsradar 2020“ des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft belegt. Das Team um SIB-Leiter Christian Gurol setzt dabei vor allem auf eins: methodische Förderung.   

Ein Businesstool zur automatischen Dokumentation von Meetings, ein Roboter zur Unterstützung von Senior*innen im eigenen Heim, eine Brustkrebs-App mit Informationen für erkrankte Frauen und deren Angehörige – das sind nur drei der Produkte und Services, die Gründer-Teams im Startup Incubator Berlin (SIB) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) aktuell entwickeln. Insgesamt 18 solcher Teams werden derzeit am SIB systematisch gefördert – von der Gründungsidee bis über den Markteintritt hinaus: durch gezielte Qualifikationsmaßnahmen, Coachings, fortlaufende Evaluation und Monitoring. „Unsere Partner aus Wirtschaft und Forschung sind eng in den gesamten Prozess eingebunden. Wir nennen das ‚Ideen an den Markt bringen’“, so der Leiter des SIB, Christian Gurol. Und HWR-Vizepräsident Prof. Dr. Hartmut Aden, an der Hochschule verantwortlich für die Bereiche Forschung und Transfer, ergänzt: „Wissenstransfer ist für uns in den letzten Jahren wichtiger geworden. Es kommt darauf an, dass wir das Wissen unserer Forscher*innen und Lehrenden gezielt für Wirtschaft und Zivilgesellschaft nutzbar machen. Hierfür entwickeln wir Strukturen wie den SIB.“  

Christian Gurol, Leiter des Startup Incubators Berlin (Foto: SIB)

Klarer Fokus auf Methodik

Das Besondere an der Vorgehensweise am Startup Incubator Berlin, der seit Anfang 2018 auf dem Gelände des neuen Berliner Zukunftsorts Siemensstadt² sitzt, ist der Fokus auf Methodik. Und das ist zugleich einer der Gründe, warum sich die HWR Berlin im jüngst veröffentlichten „Gründungsradar 2020“ des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft als führende Berliner Hochschule und bundesweit auf Rang 7 unter den Hochschulen mit 5.000 bis 15.000 Studierenden platzieren konnte. „Bei der Überführung von  Forschungsergebnissen in ein Start-up liegt der Schwerpunkt der Betreuung an den meisten Hochschulen auf der Entwicklung der Technologie. Wir machen uns sehr viele Gedanken darüber, welche Entwicklung Wissenschaftler*innen durchlaufen müssen, damit aus ideenreichen Daniel Düsentriebs später wirtschaftlich erfolgreiche Dagobert Ducks werden können“, erläutert Christian Gurol. 

Zusammen mit Dr. Sven Ripsas, Professor für Entrepreneurship an der HWR Berlin, konzipierten Gurol und sein Team eine Begleitplattform, die verschiedene methodische Ansätze verknüpft. Um möglichst flexibel auf die Bedürfnisse der einzelnen Gründer-Teams eingehen zu können, wurde der Gesamtprozess bewusst nicht als stufenartiger Ablauf aufgebaut, sondern als eine Art Trichter (Funnel) mit verschiedenen Bausteinen, in den anfangs viele Startup-Ideen einfließen und der am Ende marktgerechte Produkte entlässt. „Wir sammeln zunächst Ideen aus dem akademischen Umfeld ein, die meist über Abschlussarbeiten kommen, und versuchen diese dann im SIB zügig und unter möglichst geringem Ressourcenbedarf zur Marktreife zu bringen. Im Idealfall hat ein Team dann bereits gegründet, technische Einkäufe getätigt und einen Pilotkunden gewonnen. Danach kommen die klassischen Finanzierungsrunden ins Spiel.“

Make it lean

Der Kern des SIB-Prozesses ist die „Lean-Startup-Methodik“: Sämtliche Produkte werden zyklisch in ständigem Feedback mit potenziellen Kunden entwickelt. Die Einbindung von Wirtschaftspartnern beginnt bereits in der ersten Prozessphase, die von der Idee zur Entwicklung eines Prototypen reicht. Im Rahmen des von der HWR Berlin seit 2018 jährlich ausgeschriebenen „Make It Lean Contest“ können Absolvent*innen der HWR Berlin, aber auch anderer Hochschulen, ihre Gründungsideen in dreiminütigen Video-Pitches vorstellen. Die Gewinner*innen werden anschließend über ein Online-Voting ermittelt und erhalten ein Preisgeld. Aber auch die Platzierten profitieren, denn sie können sich für Anschlussprogramme am SIB bewerben und so weiter an ihren Ideen arbeiten. Niedrigschwellige Starthilfe gibt auch das HWR-Programm „JumpStart“ in dieser ersten „Sensibilisierungsphase“ durch die Übernahme von Sachkosten. 

In der zweiten Prozessphase am SIB geht es darum, die Start-up-Teams bei ihren ersten Schritten zu unterstützen. Im Fokus des Programms „Startup Now“ stehen die Entwicklung des Geschäftsmodells und des sogenannten MVP, eines „minimal brauchbaren oder existenzfähigen Produkts“ sowie der Aufbau eines funktionierenden Gründungsteams durch „Co-Founder Matching“: „Wissenschaftliche Teams setzen sich häufig homogen aus Kompetenzen eines Fachgebiets zusammen. Die idealtypische Besetzung eines Start-ups umfasst aber auch Marketingfachleute, technische Expert*innen etc. Im Programm „Startup Now“ fragen wir deshalb: Wie besetzt ihr diese Rollen? Und welches Wertesystem habt ihr im Team? Vor allem Letzteres muss harmonieren, um eine Geschäftsidee langfristig erfolgreich voranzutreiben“, so Christian Gurol. In der dritten Prozessphase bereitet das SIB die Teams schließlich auf den Markteintritt vor – mit Förder-Optionen über das Berliner Startup Stipendium der HWR Berlin oder ein EXIST Gründerstipendium. 

Credit: Startup Incubator Berlin

Der SIB-Erfolgszyklus: Build, Measure, Learn

„Der Lean-Startup-Prozess ist sehr lebendig. Er ist ein Entwicklungszyklus, der auf ständigem Bauen, Messen und Lernen (build, measure, learn) fußt. Das heißt konkret: Unsere Teams bauen etwas, sie präsentieren es potenziellen Kund*innen und messen dann, wie der Markt auf das Produkt oder den Service reagiert und lernen, indem sie das Produkt weiterentwickeln.“ Entscheidend sei es dabei, laufend mit potenziellen Kunden zu reden, weiß Christian Gurol. Denn nach wie vor werde ein Produkt häufig so lange durchoptimiert bis es schließlich am Bedarf des Markts vorbeigehe. „Dieses ‚klassische deutsche Ingenieursdenken’ beobachten wir selbst bei großen Unternehmen.“ In den Prozess am SIB integriert sind daher regelmäßige Meilensteingespräche und „reflektierende Coachings“ mit Expert*innen aus dem Coaching-Pool des SIB, darunter Steuerberater*innen, Rechtsanwält*innen und Marketingexpert*innen ebenso wie Partner aus dem SIB-Netzwerk. Auch das „Peer-Learning“ gehört dazu: der Austausch von Erfahrungen und Skills zwischen den einzelnen Start-up-Teams.

Seit 2009 haben rund 110 Start-ups erfolgreich das Gründungszentrum der HWR Berlin durchlaufen. Darunter „SunCrafter“, ein Unternehmen, das ausrangierte Solarmodule zu freistehenden Solar-Generatoren upcycelt – oder „Lawio“, ein Legal-Tech-Start-up, das Mieter*innen über einen digitalen Beratungsservice zu ihrem Recht verhelfen will.  Nach Anfangsjahren auf dem HWR-Campus Schöneberg sitzt der Startup Incubator Berlin seit 2018 auf dem Gelände in Spandau. Im „A32 Entrepreneurs Forum Berlin Siemensstadt“ stehen den Gründungsteams des SIB nicht nur ein Co-Working Space mit 25 Arbeitsplätzen, sondern auch Eventflächen, eine Prototypenwerkstatt, ein Design Thinking Lab, ein Smart Device Lab mit modernen Testgeräten sowie ein VR/AR Lab zur Verfügung. Das VR-Lab ist zugleich Trainingszentrum von Siemens Energy. Siemens-Mitarbeiter*innen weltweit lernen hier am virtuellen Modell die in Berlin produzierten Gasturbinen zu bedienen. 

Frühe Anbindung an die Wirtschaft

Auch bei Events und Workshops im Co-Working-Space können sich die Gründer*innen unkompliziert mit Mitarbeiter*innen von Siemens und anderen Unternehmen austauschen. Da die Netzwerkmöglichkeiten pandemiebedingt derzeit eingeschränkt sind, nutzen die Teams das neu eingerichtete Video Lab des SIB, um sich im Markt zu präsentieren. „Unsere Zielsetzung ist es, möglichst früh eine Verbindung zwischen dem Bedarf der Wirtschaft und den Problemlösungen der Start-ups herzustellen. Unsere Wirtschaftspartner haben so die Möglichkeit, die Entwicklung von Produkten oder Services im SIB von Anfang an mit voranzutreiben“, erläutert Christian Gurol und betont zugleich: „Das heißt nicht, dass wir die verlängerte Werkbank der Unternehmen sind. Wir wollen vielmehr ein Netzwerk spannen. Da sind wir nach drei Jahren bereits auf einem sehr guten Weg.“ 

Erweitert und zugleich vielschichtig vertieft wird das Netzwerk am Standort Siemensstadt² durch die Nähe zu den Forschungs- einrichtungen des Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science am Standort Siemensstadt² – und durch die zentrale Verortung in der Brain City Berlin. Christian Gurol: „Gründer*innen sind meist Nomaden. Ob in sie in Kopenhagen, Lissabon, München oder Berlin sitzen, ist ihnen daher oft egal. Berlin bietet Start-ups allerdings ein ausgesprochen vielschichtiges Netzwerk. Ganz gleich, ob ich ein Food-Start-up aufbauen möchte oder im Bereich Hochtechnologie gründen möchte – in Berlin finde ich für alle Anforderungen die passenden Partner. Das ist nach wie vor ein klarer Standortvorteil der Stadt. Auch die Größe Berlins ist für Start-ups sehr spannend.“

Einen Tipp für Gründer*innen hat der Leiter des Startup Incubator Berlin ebenfalls: „Wenn ich eine Empfehlung abgegeben darf, dann: Klotzen, nicht kleckern! Nehmt euer Herz in die Hand und legt einfach mit vollem Einsatz los. Denn ein Start-up führt man nicht nebenbei zum Erfolg. Und es gibt für alle Phasen der Gründung die passende Unterstützung in Berlin!“ (vdo)

Bewerbungsfrist für Berliner Startup Stipendium des SIB ist der 11. April. 2021.
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