• Prof. Dr. Florian Koch, Brain City Botschafter

    „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden“

Im Januar 2025 ist die European University Alliance EUonAIR an den Start gegangen. 14 Universitäten und Hochschulen haben sich in dem europäischen Forschungs- und Wissenschaftsverbund zusammengetan, um durch innovative Lern-, Forschungs- und Arbeitsmethoden das Thema Künstliche Intelligenz in Lehre, Wirtschaft und Gesellschaft voranzubringen. Der Verbund arbeitet außerdem an zukunftsfähigen smarten Lösungen für Städte. EUonAIR wird im Rahmen der Leuchtturm-Initiative European Universities 2024 über einen Zeitraum von vier Jahren mit insgesamt 14,4 Millionen Euro gefördert. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin) ist als einzige Berliner Hochschule dabei. Mehr über den aktuellen Umsetzungsstand von EUonAIR und die Rolle der HTW Berlin in der europäischen Allianz erzählt Brain City Botschafter Prof. Dr. Florian Koch, Sprecher des Forschungsclusters „Sustainable Smart Cities“ an der HTW Berlin.

 

Herr Prof. Dr. Koch, Zielsetzung des Verbunds EUonAIR ist es, das Thema Künstliche Intelligenz in Lehre, Wirtschaft und in Gesellschaft zu stärken. Ein hoher Anspruch …

Man kann ihn eigentlich nicht komplett erfüllen. Deshalb haben wir uns überlegt: Welchen Mehrwert kann die HTW Berlin als Hochschule in den Verbund einbringen? Unsere Studierenden wenden Künstliche Intelligenz ja bereits an und werden KI künftig auch im Berufsleben brauchen. Die Frage ist: Wie reagieren wir als Hochschule darauf? Wir wollen ja nicht alle Studierenden zu Informatikerinnen und Informatikern ausbilden, aber eine KI-Grundkompetenz ist inzwischen in allen Studiengängen wichtig. Ansatz von EUonAIR ist zu überlegen, wie KI in die Lehre integriert werden kann. Das ist zugleich der Aufgabenbereich, den die HTW Berlin in dem Verbundprojekt übernommen hat. Wir schauen uns beispielsweise an, welche Angebote zur Vermittlung von KI es bereits gibt und ob sich darüber auch offene Lehrmaterialien, sogenannte Open Educational Resources, entwickeln lassen. Das testen wir dann in Lehrveranstaltungen aus und hoffen, die Materialien dann auch gleich in der Lehre anwenden zu können.

Es gibt also eine Aufgabenverteilung innerhalb der Allianz. Welche Hochschule verantwortet was?

Die Kozminski University in Warschau hat die Projektsteuerung übernommen. Das Warschauer Team ist im Rahmen von EUonAIR auch verantwortlich für den Aufbau des virtuellen Campus „MyAI University“. Auf dieser Plattform sollen später sämtliche Angebote von EUonAIR zu finden sein. Die Luxembourg School of Business ist zuständig für die Kommunikation. Wir kooperieren eng mit der privaten Universitat Abat Oliba CEU in Barcelona, die vor allem für das Thema Smart City verantwortlich ist. Insofern hat jeder Partner einen Hauptzuständigkeitsbereich. Die Grundidee ist allerdings, dass alle an allem mitwirken.

Eine weitere Zielsetzung von EUonAIR ist es, innovative Mobilitätslösungen zu entwickeln und umzusetzen. Inwiefern betrifft das die HTW Berlin?

Das Thema Mobility betreut die Kozminski University in Polen, aber auch Hochschulen aus Litauen oder der Ukraine sind involviert. Hier geht es darum, wie man attraktive Bedingungen für Fachkräfte schaffen kann, die beispielsweise in England, Deutschland oder Frankreich ausgebildet worden sind, um sie in den heimischen Arbeitsmarkt zurückzuholen. Für Deutschland ist dieses Thema nicht so relevant. Spannend für uns als HTW Berlin ist es allerdings zu erforschen, wie Studierende internationale Erfahrung machen können, denen das Geld für Auslandssemester fehlt oder die aus anderen Gründen an den Ort gebunden sind. So etwas ließe sich beispielsweise über einen internationalen Online-Austausch organisieren.

Sie erwähnten bereits die zentrale Plattform des Verbunds, „MyAI University“. Was wird darauf passieren?

MyAI University wird sämtliche Aktivitäten von EUonAIR immersiv integrieren. Ganz lustig ist: Die Gebäude der einzelnen Partnerhochschulen werden auf dem Campus nachgebildet, so dass man sie virtuell betreten und dort auch Kurs belegen kann. Es wird auch Avatare von einigen Professorinnen und Professoren geben, die Inhalte dann in allen Sprachen vermitteln können. Das entsteht jetzt gerade. Es sind aber noch keine Lehrinhalte auf der Plattform hinterlegt.

Welche Zielsetzung hat EUonAIR über die Förderung von KI in der Bildung hinaus? Die Webseite listet verschiedene Ansätze.

Ein solches Ziel ist beispielsweise im Bereich Mobilität, dass künftig 50 Prozent aller Studierenden internationale Erfahrungen gesammelt haben. Wir streben daher eine gewisse Anzahl an offenen Kursen an. Diese sollen als Open Educational Resources frei zugänglich sein. Und wir wollen im Bereich Smart Cities, der ja mein Kernthema ist, sogenannte Smart University Labs gründen. Wo genau, das steht noch nicht fest und hängt davon ab, welchen Mehrwert die jeweilige Partnerhochschule der sie umgebende Stadt bietet.

Werden diese Labs offen für die Zivilgesellschaft sein?

Wir verfolgen hier zwei unterschiedliche Ansätze: Einerseits schauen wir uns an, welche Labs bereits in der Stadt existieren. In Berlin gibt es beispielsweise schon das CityLAB Berlin oder die auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel entstehende Urban Tech Republic. Das heißt, wir müssen hier das Rad nicht neu erfinden, sondern sondieren eher, welche Kooperationsmöglichkeiten es in Berlin bereits gibt. Zum anderen wollen wir physische oder virtuelle Räume schaffen, in denen wir Forschung über KI vermitteln können. Diese werden offen sein für die Zivilgesellschaft. Auch Unternehmen können sich mit Ideen an uns wenden, die sie zusammen mit den Studierenden umsetzen möchten.

Gibt es an der HTW bereits konkrete Umsetzungsbeispiel?

Wir haben zunächst eine Bestandsaufnahme für Berlin gemacht und in der HTW Berlin dann einen physischen Raum eingerichtet. Dort möchten wir unseren Studierenden vermitteln, was es im Bereich Smart City in Berlin bereits gibt und wo sich Möglichkeiten auftun. Zusätzlich haben wir technische Instrumente vor Ort, anhand derer wir den Studierenden konkret zeigen können, wie sie funktionieren und angewandt werden. Ein Beispiel sind Sensoren, die den Verkehr oder Hitze messen und visualisieren. Thematisch sind wir relativ breit aufgestellt. In Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) veranstalten wir demnächst einen Hackathon. Da geht es um das Querschnittsthema Datennutzung. Was wir im kommenden Jahr machen werden, ist noch offen. Aktuell sind wir mit einem Berliner Wohnungsbauunternehmen im Gespräch, um zusammen einen Hackathon für 2026 zu organisieren.

Im Prinzip geht es in den Labs also um Ermöglichung?

Genau. Wie gesagt, wir wollen das Rad nicht neu erfinden und auch schauen, was Berliner Unternehmen im Idealfall schon anbieten, um ein konkretes Problem zu lösen. Die meisten Smart-City-Tools haben inzwischen einen KI-Anteil.

Wie ist die Universitat Abat Oliba in Barcelona als Leiterin des Bereichs Smart City in die Labs eingebunden?

Barcelona hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Labs miteinander zu vernetzen. Es gibt bisher eins in Barcelona, eins in Paris und eins bei uns in Berlin. Eine Idee ist, dass die Gewinner-Mannschaften der diesjährigen Hackathons in Paris, Barcelona und Berlin 2026 gemeinsam zur Smart City Expo nach Barcelona fahren und dort noch einmal prämiert werden. Der Mehrwert entsteht durch den internationalen Austausch.

Welche Vorteile bietet Berlin der Allianz EUonAIR bzw. warum ist die HTW Berlin als eine von zwei deutschen Hochschulen – neben der Hochschule Heilbronn – dabei?

Einerseits passiert in Berlin schon relativ viel im Bereich Smart City. Wie gesagt, wir haben hier bereits Labs mit spezieller Ausrichtung, die sowohl zivilgesellschaftlich orientiert als auch mit den besonderen Herausforderungen Berlins verbunden sind. Darüber hinaus gibt es in Berlin ein großes Smart-City-Ökosystem mit vielen Akteurinnen und Akteuren, darunter viele innovative Start-ups und Unternehmen. In Berlin stellt sich also weniger die Frage, wo man anfängt, sondern eher, wie das alles zusammengebracht werden kann. Was es in Berlin allerdings noch nicht gibt, ist ein Link zur Lehre. Es existiert kein Smart-City-Studiengang in Berlin. Lediglich einzelne Module oder das von mir betreute Forschungscluster „Sustainable Smart Cities“. EUonAIR bietet der HTW Berlin die spannende Möglichkeit, sich als Hochschule zukunftsfähig aufzustellen. Wir können darüber austesten, was wir künftig wie in die Lehre reinbringen müssen. Diese Erfahrungen möchten wir dann auch anderen zugänglich machen. Das ist die Idee dahinter.

Interview: Ernestine von der Osten-Sacken

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