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© WISTA.Plan GmbH / Dirk Laubner
26.09.2025Blaupause für Zukunft
Wie lässt sich ein Quartier wie der Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof klimaresilient und damit zukunftsstabil aufstellen? Das erforscht die WISTA Management GmbH in der Brain City Berlin in einem interdisziplinären Forschungsverbund mit der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), der Hochschule Neubrandenburg, dem Reiner Lemoine Institut und dem Energieversorger BTB. Das Projektcluster „TransformResQ“ umfasst zwei Forschungsprojekte, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) mit insgesamt 2,8 Millionen Euro gefördert werden. Bis Ende 2027 wird ein praxisnaher „Masterplan für ein Klimaresistentes Technologiequartier“ erarbeitet, der auch auf andere Standorte übertragen werden kann.
Hitzerekorde im Sommer, Starkregen, der Straßen und Keller überflutet, orkanartige Windböen und Dürre, die Pflanzen und Bäumen verdursten lässt. Der Klimawandel hinterlässt inzwischen auch in Berlin deutliche Spuren. Dass die Hauptstadt sich an die rasant ändernden Klimaverhältnisse aktiv anpassen muss, stellte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bereits 2016 im Rahmen einer Studie fest, die es im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erstellte. Wie das PIK berechnete, wird es in Berlin im Jahre 2100 ungefähr so warm sein wie in Toulouse. Auch eine aktuelle Auswertung der Klimadaten für den Standort Berlin-Adlershof zeigt deutlich, dass die Durchschnittstemperatur in der Hauptstadt jährlich steigt. „Die fünf heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen fallen in die letzten sechs Jahre“, erläutert Dr.-Ing. Stefan Bschorer vom Team Innovation der WISA Management GmbH. „Die Analyse der Klimaszenarien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zeigen außerdem deutlich, dass auch in Adlershof immer häufiger Extremwetterereignissen wie Hitze, Dürre und Starkregen auftreten werden. Während sich die Summe des jährlichen Niederschlags kaum ändert, wird es voraussichtlich seltener, aber stärker regnen.“
Bereits seit 2010 initiiert und koordiniert die WISTA als Betreiberin des Wissenschafts- und Technologieparks verschiedene Forschungsprojekte, die Adlershof energieeffizienter und klimaresilienter machen und ihn gegen die Folgen des Klimawandels wappnen sollen. Zwei Projekte gingen im März dieses Jahres offiziell an den Start. Die beiden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) mit insgesamt 2,8 Millionen Euro geförderten Projekte „Transformation zum klimaresilienten Technologiequartier (TransformResQ)“ und „Resilientes Energiesystem für Technologiequartiere (ResQEnergy)“ verfolgen das Ziel, Adlershof an die Folgen des Klimawandels anzupassen. „Dazu wird ein übertragbarer Masterplan entwickelt, der Klimaschutz und Klimaanpassung integriert, innovative Lösungen für Technologiequartiere aufzeigt und Adlershof als Modell- und Referenzstandort etabliert“, so Bschorer.
Der Zukunftsort Adlershof soll somit zu einer Art Blaupause für andere Technologiequartiere in Sachen Klimaresilienz werden. Als größter Technologiepark Europas und eine Art „Stadt in der Stadt“ eignet sich Adlershof bestens dafür: Mehr als 1.300 Unternehmen, elf außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und sieben universitäre Forschungsinstitute haben sich hier auf einer Fläche von 4,6 Quadratkilometern angesiedelt. Rund 35.000 Personen arbeiten und studieren am Standort, und weitere 6.000 Menschen leben in Adlershof. Diese Mischnutzung von Wohnen, Forschen, Produktion und Entwicklung macht den Standort besonders, aber auch anfällig für die Begleiterscheinungen des Klimawandels. „Der Wissenschafts- und Technologiepark Berlin Adlershof steht exemplarisch für die Herausforderungen, die der aktuelle Klimawandel und die dadurch erforderlichen Klimafolgenanpassungen für bestehende Technologiequartiere mit sich bringen“, sagt Stefan Bschorer Es bot sich daher an, anhand dieses Quartiers einen praxisnahen „Masterplan für ein Klimaresilientes Technologiequartier“ zu entwickeln – als internationale Benchmark, die innovative Lösungen im Umgang mit dem Klimawandel aufzeigt.
Zwei Clusterprojekte mit dem Gesamtziel Masterplan
Entwickelt wird der „Masterplan für ein Klimaresilientes Technologiequartier“ im Rahmen des Projekts „TransformResQ“. Als übertragbare Matrix soll er umsetzbare Maßnahmen aufzeigen und diese nach Klimawirkung, Kosten und zeitlicher Umsetzbarkeit priorisieren. „Auf dieser Grundlage können die konkreten Planungen für Klimaanpassungsmaßnahmen gestartet werden“, erläutert Bschorer. „Zusätzlich wird ein Musterprozess definiert, in dem dargelegt wird, welche Stakeholder wann in die Arbeiten beziehungsweise Entscheidungen einzubeziehen sind, welche Rahmenbedingungen gegeben sein müssen und welche Projektlogistik einzuhalten ist, um im vorgesehenen Zeitraum zu verwertbaren Ergebnissen zu gelangen.“
Das Projekt „ResQEnergy“ hingegen fokussiert sich darauf, ein resilientes System für die künftige Energieversorgung von Technologiequartieren zu konzipieren. Denn die Anforderungen an Energiesysteme steigen durch den fortschreitenden Klimawandel. Im Rahmen des Projekts werden Energiebedarfsszenarien sowie die Potenziale erneuerbarer Energien und Abwärme ermittelt und die Strom-, Wärme- und Kälteversorgung modelliert. Die Ergebnisse sollen anschließend in den bereits existierenden Digitalen Zwilling von Adlershof integriert werden, über den sich Energie- und Umweltdaten aus Gebäuden in Echtzeit erfassen und aufbereiten lassen.
Innovative Lösungen im fachübergreifenden Verbund
Interdisziplinär in die beiden Projekte eingebunden sind vier Forschungspartner: Die TU Berlin unterstützt mit den Fachgebieten „Stadtplanung und Bestandsentwicklung“ sowie „Klimatologie“ vor allem die Entwicklung des „Masterplans für ein Klimaresilientes Technologiequartier“. Zentrale Aufgaben der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich Stadtplanung sind dabei die Aufstellung eines Handlungsrahmens sowie die Entwicklung von Bewertungsfaktoren für Resilienzmaßnahmen. Das Fachgebiet „Klimatologie“ hingegen ist vor allem für die Konzeption und Implementierung eines Monitoringnetzwerks zuständig, das klimainduzierte Störungen wie Hitzewellen, Dürreperioden und Starkregen erfasst und deren Auswirkungen auf den urbanen Raum quantifiziert. Der Fachbereich Landschaftswissenschaften Geomatik der Hochschule Neubrandenburg analysiert insbesondere Resilienzmaßnahmen am Standort, entwickelt aber auch forschungsbasierte Maßnahmen, unter anderem im Bereich der blau-grünen Infrastruktur. Deren Wirksamkeit wird in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Klimatologie der TU Berlin anhand von Simulationen überprüft.
Aufgabe des in Adlershof ansässigen Reiner Lemoine Instituts (RLI) ist es, im Rahmen des Projekts „ResQEnergy“ ein klimaresilientes Open-Source-Energiesystemmodell für den Wissenschafts- und Technologiepark Berlin Adlershof zu erstellen, mit dem verschiedene Zukunftsszenarien für die Energieversorgung von Adlershof untersucht werden können. Das RLI entwickelt außerdem den Digitalen Zwilling für das Energiesystem von Adlershof auf Gebäudeebene weiter, um damit Quartiersszenarien zu vergleichen und zu optimieren. Spannend ist auch die Rolle des lokalen Energieversorgers BTB im Rahmen von „ResQEnergy": Mit dem Projekt „GeoSpeicherBerlin“ erforscht die BTB am Standort Adlershof bereits, inwiefern wasserführender Schichten des Untergrunds, sogenannte Aquifere, als klimaneutrale Wärmequelle und -speicher genutzt werden können. Für „ResQEnergy“ stellt die BTB unter anderem Daten bereit und bewertet Zukunftsszenarien.
Ende 2027 soll der „Masterplan für ein Klimaresistentes Technologiequartier“ stehen. Ab 2028 werden die Maßnahmen zu Hitzeschutz, Regenwassermanagement und Klimaanpassung im Quartier dann in die Umsetzung gehen. „Die Transformation hin zu einem klimaneutralen und klimafolgenangepassten Wissenschafts- und Technologiepark ist Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit “, sagt Stefan Bschorer. Und diese Transformation lässt keinen Aufschub mehr zu. Denn eines ist starkregenwasserklar: Die Auswirkungen des Klimawandels werden künftig auch in Berlin immer stärker zu spüren sein.
Autorin: Ernestine von der Osten-Sacken
Mehr Informationen
- Projektcluster TransformResQ
- Pressemitteilung der TU Berlin zum Projektstart
- Projektseite der „Stadtplanung und Bestandsentwicklung“/TU Berlin zum Projekt „TransformResQ“
- Projektseite der Klimatologie/TU Berlin zum Projekt „TransformResQ“
- Projektseite des Reiner Lemoine Instituts zum Projekt „ResQEnergy“:
- Konzeptstudie „Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Berlin" (AFOK)
- Digitaler Zwilling des Technologieparks Adlershof
- GeoSpeicherBerlin