-
© Arne Sattler
05.11.2025Prof. Dr. Sina Bartfeld, Technische Universität Berlin
Ein Grenzbereich hat es Prof. Dr. Sina Bartfeld besonders angetan: die Schnittstelle zwischen dem menschlichen Körper und der Außenwelt. Die Brain City Botschafterin leitet das Fachgebiet Medizinische Biotechnologie an der Technischen Universität Berlin und ist Co-Sprecherin des Forschungszentrums „Der Simulierte Mensch“.
„Mich interessiert, wie unser Körper sich gegen Eindringlinge verteidigt und wie durch die ganz besonderen Bedingungen an solch einer Grenzschicht Krankheiten entstehen können“, erläutert Brain City Botschafterin Prof. Dr. Sina Bartfeld ihren Forschungsschwerpunkt. Im Bartfeld Lab auf dem Gelände des Technologie-Parks Humboldthain Berlin dreht sich alles um die molekularen Grundlagen von Krankheiten an der Schnittstelle von Infektionsbiologie, Immunologie und Krebsforschung.
Als Beispiel für eine solche Schnittstelle ist der Magen-Darm-Trakt: „Dieser ist eigentlich nur ein etwas kompliziertes Rohr“, sagt Sina Bartfeld. „Die Epithelzellen, die dieses Rohr auskleiden, sind schwierigen Bedingungen ausgesetzt. Sie befinden sich in ständigem Austausch mit der Außenwelt; sie müssen Nährstoffe aufnehmen, aber auch Krankheitserreger abwehren. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, können chronische Entzündungen und sogar Krebs entstehen.“ An den Epithelien des Magen-Darm-Traktes lassen sich daher grundlegende Fragen verfolgen. Sina Bartfeld und ihr Team nutzen dafür Miniatur-Organmodelle aus dem Labor, sogenannte Organoide. Bartfeld: „Je besser diese Modelle werden, desto mehr können wir dazu beitragen, Tierversuche zu reduzieren.“
Seit 2021 leitet Sina Bartfeld das Fachgebiet Medizinische Biotechnologie an der TU Berlin. Und seit 2023 ist sie auch Co-Sprecherin von „Der Simulierte Mensch“ (Si-M). In dem noch im Bau befindlichen gemeinsamen Forschungszentrum von Charité – Universitätsmedizin Berlin und TU Berlin sollen neue Technologien entwickelt werden, die Funktionen menschlicher Zellen und von Gewebe nachahmen und so Tierversuche reduzieren oder ersetzen können.
Ihre Leidenschaft für die biomedizinische Forschung im Bereich Krebs, Immunologie und Infektionen packte Sina Bartfeld bereits während ihres Biologiestudiums im Hamburg, Berlin und Melbourne. „Ich habe damals so viel wie möglich in Forschungsgruppen mitgearbeitet. Nach meiner Doktorarbeit am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie im Berlin hat es dann Klick gemacht. Von da aus sind die Fragen immer größer geworden.“ Seit dieser Zeit forscht Sina Bartfeld am Magenepithel, im Bereich der Immunerkennung durch das Epithel sowie am Magenkeim Helicobacter pylori, der chronische Infektionen und auch Krebs verursachen kann. Zunächst als Postdoc bei dem niederländischen Molekulargenetiker Professor Hans Clevers am Hubrecht Institute der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften (KNAW) in Utrecht und anschließend als Leiterin einer Juniorgruppe an der Universität Würzburg.
Berlin bietet viele Möglichkeiten für Austausch und Kooperation. Besonders wertvoll finde ich die enge Verbindung von TU Berlin und Charité-Universitätsmedizin Berlin im Forschungsbau „Der Simulierte Mensch“. Hier entstehen Räume, in denen Technik und Medizin wirklich zusammenkommen. Das ist genau das Umfeld, das wir für die Entwicklung neuer, menschlicher Modelle brauchen.
Vor vier Jahren zog es Sina Bartfeld zurück in ihre Geburtsstadt Berlin. Für die Professur am Institut für Biotechnologie der TU Berlin bewarb sie sich gezielt. „Ich bin für den Forschungsbau ‚Der Simulierte Mensch‘ nach Berlin gekommen. Dieses Gebäude ist ein Inkubator, in dem medizinische Fragen auf technische Entwicklungen treffen. Dort arbeiten Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der TU Berlin Seite an Seite zusammen. Das ganze Haus ist auf Kooperationen ausgelegt, um bessere menschliche Modelle für medizinische Fragestellungen zu entwickeln. Das finde ich spannend. Ich wollte Teil davon sein.“
Ein weiteres Plus der Brain City Berlin ist die hohe Forschungsdichte. Sina Bartfeld und ihr Team nutzen die Vernetzung am Standort intensiv. „Kliniker, Immunologen, Chemiker, kooperierende Firmen – die kritische Masse für meine Themen ist da“, sagt Sina Bartfeld und spezifiziert: “Generell sind für uns die medizinisch ausgerichteten Kooperationspartner an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und am Berlin Institute of Health (BIH) essentiell, besonders in der Chirurgie, Gastroenterologie, Immunologie, Pädiatrie und Pathologie. Auch mit der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin (MDC), den beiden Max-Planck-Instituten und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kooperieren wir. Und natürlich mit in Berlin ansässigen Unternehmen wie Bayer, TissUse oder Cellbricks. Die Erforschung grundsätzlicher biologischer Fragen macht es oft erforderlich, dass man die eigene Komfortzone verlässt.“
Ein Beispiel für eine solche Kooperation ist „SFB 1449“. Der Sonderforschungsbereich „Dynamische Hydrogele auf biologischen Grenzflächen“ wird von der FU Berlin koordiniert. Andere Institutionen wie das BIH, die Charité-Universitätsmedizin Berlin oder das MDC sind daran beteiligt. „Wir tragen unsere Schleimproben aus dem Magen-Darm-Trakt zu den Partnern, mit denen wir dann gemeinsam Analysen durchführen. Ohne sie könnten wir das nicht“, erläutert Bartfeld. Für die molekulare Feinanalyse von Zucker-Anhängseln an Proteinen im Epithelschleim kooperiert das Bartfeld Lab mit der Universität Kopenhagen auf europäischer Ebene. „Im Netzwerk TOP-GUT werden Organoide des Magen-Darm-Traktes systematisch charakterisiert und zu komplexeren Modellen weiterentwickelt. 20 Partner aus der Europäischen Union und der Schweiz sind darin eng verzahnt.“
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern rät Sina Bartfeld, den eigenen Interessen zu vertrauen und sich nicht zu sehr an aktuellen Trend zu orientieren. „Was treibt euch an? Was wollt ihr herausfinden? Natürlich muss man in eine bestimmte Forschungslandschaft reinpassen. Aber Forschung funktioniert, glaube ich, mehr über echte intrinsische Interessen als über Anpassung.“ Sina Bartfelds zweiter Rat: „Geht dorthin, wo ihr eure Ideen am besten umsetzen könnt. Wenn das Berlin ist, prima.“ Wer mit Leidenschaft und Ausdauer arbeite – so die Erfahrung der Brain City Botschafterin – finde in Berlin viele Möglichkeiten, etwas aufzubauen: „Die Berliner Forschungslandschaft ist offen für neue Ideen, nutzt das. Sucht euch Mentorinnen und Mentoren, Teams und wissenschaftliche Freunde. In Berlin hilft man sich gegenseitig – wenn man den ersten Schritt macht.“ (vdo)