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27.11.2024Prof. Dr. Stefan Hecht, Center for the Science of Materials Berlin
Photoreaktive Materialien sind für ihn Steckenpferd und Forschungsschwerpunkt zugleich: Brain City Botschafter Prof. Dr. Stefan Hecht ist Einstein-Professor für Organische Chemie und funktionale Materialien am Institut für Chemie der Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) und Gründungsdirektor am Center for the Science of Materials Berlin (CSMB).
Manche Leidenschaften finden sich früh. So auch bei Prof. Dr. Stefan Hecht. „Licht hat mich schon immer fasziniert“, sinniert der Brain City Botschafter. Ein erster Beleg: 1991 gewann er beim Landeswettbewerb „Jugend Forscht“. Sein Thema: Biolumineszenz. Sprich, die Fähigkeit, Licht chemisch zu erzeugen – wie sie beispielsweise Glühwürmchen haben. Auch heute ist Licht ein zentrales Forschungsthema von Stefan Hecht. Als Gründungsdirektor des Center for the Science of Materials Berlin und Einstein-Professor für Organische Chemie und funktionale Materialien am Institut für Chemie der Humboldt-Universität beschäftigen er und sein interdisziplinär zusammengesetztes Team sich mit „Stofflichkeit“. Präzisierend erläutert er: „Unsere Spezialität ist es, Materialien herzustellen, die aus kleinsten Molekülbausteinen bestehen. Im Grunde ähnelt unsere Tätigkeit dem Kochen. Wir benutzen dafür allerdings nicht Topf oder Pfanne, sondern Glaskolben. Darin erhitzen und bearbeiten wir die Moleküle, um ihre Eigenschaften zu verändern. In unserem Falle heißt das: Wir möchten Moleküle so gestalten, dass sie auf Licht reagieren.“ Ein Molekül sei wie ein Photoschalter auf nanoskaliger Ebene, erläutert Stefan Hecht. „Wir können damit Eigenschaften mithilfe von Licht fernsteuern, beispielsweise Stoffe isolierend, halbleitend oder leitend machen.“
Ein klassisches Beispiel für den Einsatz photoschaltbarer Materialien im Alltag sind selbsttönende Sonnenbrillen oder Glasscheiben in Gebäuden. Stefan Hecht gelangen aber bereits weit spektakulärere „Kochversuche“. So entwickelte er etwa gemeinsam mit einem Kollegen von der Freien Universität ein Material, das an „Mission Impossible“-Filme erinnert: Es lässt sich per Licht auf molekularer Ebene mit Informationen „beschreiben“, die sich beim Auslesen von selbst wieder löschen. „Das Projekt haben wir gerade zur Publikation eingereicht“, so Hecht.
Bereits auf dem Markt in Anwendung ist „Xolographie“. Die neuartige 3-D-Drucktechnologie nutzt zwei unterschiedliche Wellenlängen des Lichts, um hochauflösende Strukturen zu erzeugen. Das Prinzip verdeutlicht Stefan Hecht anhand einer Star-Wars-Analogie: „Zwei Laser treffen wie Lichtschwerter in einer Art Aquarium aufeinander, das mit flüssigen Materialmolekülen gefüllt ist. Dort, wo die Laserschwerter aufeinanderprallen und beide Laserstrahlen sich durchdringen, härtet das Material aus. So lassen sich sehr präzise und schnell auch komplexe Strukturen drucken – etwa eine Kugel in einer Kugel, optische Linsen oder Organmodelle in kleinem Maßstab. Letztere könnten beispielsweise helfen, Tierversuche zu reduzieren.“
Die innovative 3D-Druck-Technologie hat Stefan Hecht zusammen mit dem Physiker Prof. Dr. Martin Regehly von der Technischen Hochschule Wildau entwickelte. Im Team mit dem gründungserfahrenen Wirtschaftswissenschaftler und Juristen Dirk Radzinski wagten die beiden 2019 mit dem Start-up xolo eine Ausgründung. „Inzwischen haben wir ein Team von rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, so Stefan Hecht. „Wir produzieren und vertreiben die Drucker und entwickeln verschiedenste Materialien – machen sie quasi druckbar – oft auch mit anderen Firmen zusammen. Was mich besonders freut: Durch xolo finden ‚Photoschalter‘ zum ersten Mal eine konkrete und skalierbare Anwendung in der Praxis.“
Berlin ist eine Weltstadt. In der Wissenschaft gibt es hier für jedes Thema ausgewiesene Expertinnen und Experten. Durch die hohe Konzentration von jungen Menschen in ihrer ‚Sturm-und-Drang-Zeit‘ war Berlin auch schon immer eine Keimzelle für Veränderung: ein besonderer Ort für neue Ideen und unkonventionelle Wege.
Das Unternehmen xolo und das CSMB sitzen an einem Berliner Zukunftsort, dem Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof. Für Stefan Hecht ein großer Vorteil. „Wissenschaft ist sehr international. Und Adlershof hat eine hohe Dichte an Forschenden aus aller Welt. Nicht nur die HU Berlin ist hier mit verschiedenen naturwissenschaftlichen Instituten vertreten. Es gibt in Adlershof auch hochkarätige außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wie das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) und viele andere Menschen, die im Bereich Energiewandel unterwegs sind. Am CSMB orientieren wir uns allerdings berlinweit. Unser zentrales Thema sind nachhaltigere Materialien – insbesondere im Energiebereich. Um deren Entwicklung zu beschleunigen, arbeiten bei uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Chemie und Physik sowie Mathematik und Informatik, aber auch aus den Kulturwissenschaften und der Biologie, eng zusammen.“
Stefan Hecht ist waschechter Ost-Berliner: „Ich habe immer viel Glück gehabt mit dem Timing“, sagt er. „Ich war 15 Jahre alt, als die Mauer fiel. Jung genug, um von der Wiedervereinigung maximal zu profitieren.“ Zunächst studierte er an der HU Berlin, dann zog es ihn aus seiner Heimatstadt hinaus. Die Stationen: Promotion an der University of California in Berkeley, später eine Gruppenleitung am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr, danach dann wissenschaftlicher Direktor des DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und Lehrstuhlinhaber für Makromolekulare Chemie an der RWTH Aachen. Drei Mal verließ Stefan Hecht Berlin – und drei Mal kehrte er zurück: 2001 übernahm er eine unabhängige Arbeitsgruppe an der Freien Universität Berlin, 2006 wurde er als damals jüngster W3-Professor für Chemie in Deutschland und Inhaber des Lehrstuhls für Organische Chemie und funktionale Materialien an die HU Berlin berufen. 2022 übernahm Stefan Hecht die Leitung des CSMB. „Als Berliner ist es enorm wichtig, die Stadt auch mal zu verlassen. Ich habe mit jeder Auswärtsetappe unglaublich viel dazu gelernt“, erläutert er. Die beruflichen Vorteile seiner Heimatstadt schätzt der Brain City Botschafter heute umso mehr: „Berlin ist eine Weltstadt. In der Wissenschaft gibt es hier für jedes Thema ausgewiesene Expertinnen und Experten. Durch die Konzentration von jungen Menschen in ihrer ‚Sturm-und-Drang-Zeit‘ war Berlin schon immer eine Keimzelle für Veränderung: ein besonderer Ort für neue Ideen und unkonventionelle Wege.“
Jungen Menschen, die eine Karriere in der Wissenschaft verfolgen, empfiehlt Stefan Hecht, was auch seinen Weg immer klar bestimmt hat: „Follow your passion! Wenn man für ein Thema brennt und diese Leidenschaft konsequent verfolgt, kommt der Erfolg von ganz allein.“ Wichtig sei es außerdem, auszuprobieren und von anderen zu lernen. „Eines meiner Key Learnings: Man sollte stets mit einer offenen Erwartungshaltung an Neues rangehen.“ Es gehe darum, den Blick breit zu halten und sich nicht zu schnell im Detail zu verlieren. Stefan Hecht. „Es gibt dazu ein schönes Zitat von Louis Pasteur: ‚Chance favors the prepared mind.‘ Das kann ich voll und ganz bestätigen.“ (vdo)