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© HTW Berlin | Alexander Rentsch
30.03.2020Prof. Dr. Phil. Jürgen Radel | Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW)
Veränderungsprozesse faszinieren Prof. Dr. Phil. Jürgen Radel besonders. Seit 2014 forscht und lehrt der Wirtschaftswissenschaftler im Bereich Human Resources Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. In seinen Projekten arbeitet er mit Unternehmen zusammen – um beispielsweise Dynamiken in Gruppen zu verstehen und Widerstände gegen Veränderungen aufzulösen.
Studium an der RWTH Aachen – danach Stationen im Sauerland, den U.S.A., Bremen und Hamburg. 2014 zog es Jürgen Radel nach Berlin. Genauer gesagt, an die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). Seitdem beschäftigt er sich dort im Fachbereich Wirtschafts- und Rechtswissenschaften mit Human Resources Management und Organizational Behavior. Aktuell forscht er an einem Thema, das uns alle bewegt – vor allem aber die Personaler: Veränderungsprozesse. Insbesondere die Frage, wie Widerstand gegen Veränderung entsteht, interessiert ihn. „Derzeit sind ja vielfach Organisationsmodelle gefragt, in denen agil gearbeitet wird. Das kann bedeuten, dass Führungskräfte auf einmal nicht mehr gefragt sind und Teams sich selbst organisieren sollen. Alte Rollen werden also abgewertet oder verschwinden gar. Oder es soll die Eigenverantwortung der Beschäftigten gestärkt werden. All das führt oft zu massiver Verunsicherung und passivem Widerstand gegen Autoritäten. Die Auswirkungen dessen schaue ich mir an“, erläutert Jürgen Radel seine Forschung.
Besonders spannend ist für Jürgen Radel, dass das Verhalten der Beschäftigten in Veränderungsprozessen oft von „gewaltsamer Freundlichkeit“ geprägt ist, wie er es nennt. „Vordergründig unterstützen alle die Veränderung, aber in der Realität passiert nichts. Das zieht wiederum viele spannende Themen nach sich. Als Oberbegriff könnte man hier den Begriff der ,Gruppendynamik’ nennen.“ In seinen Projekten arbeitet Jürgen Radel beispielsweise mit Unternehmen zusammen, die agile Teams einsetzen oder selbstorganisiert arbeiten. Seine Zielsetzung: „Unbewusste Dynamiken bewusst zu machen. Dann sind sie auf einmal weniger problematisch und die Leistung der Teams steigt drastisch an.“ Jürgen Radel selbst möchte Gruppendynamik verstehen lernen. Vor allem, wie den Beschäftigten dabei geholfen werden kann, neue Rollen schnell anzunehmen. Und wie passiver Widerstand – Immunität gegen Veränderung – aufgelöst werden kann.
Berlin ist ein einzigartiger kultureller und intellektueller Melting-Pot mit weltweiter Strahlkraft und vielen hochkarätigen Forschungsinstitutionen. Die hiesige Mischung aus Geschichte und Zukunft existiert aus meiner Sicht in keiner anderen Stadt.
Letztendlich, so der Veränderungsforscher, gehe es darum, Individuen zu helfen. Wichtig sei es aber auch, den Leistungsabfall für die Organisation in einer Transformationsphase, möglichst kurz zu halten. „Das gelingt, wenn man nicht nur in Prozessen denkt, sondern sich die weichen Faktoren anschaut. Gruppen scheitern oft bereits an ganz einfachen Aufgaben. Beispielsweise, wenn sie sich in Teams organisieren sollen. Bittet man darum, entsteht Angst vor Ablehnung. Oder auch die Sorge jemand anderen zu enttäuschen und dadurch die zwischenmenschliche Beziehung zu gefährden.“
Berliner Unternehmen hat Jürgen Radel bisher in der Zusammenarbeit als sehr offen erlebt – ebenso wie den Wissenschaftsstandort. Nach wie vor ist er von der Brain City fasziniert: „Dabei war Berlin, ehrlich gesagt, nie meine erste Standortwahl. Bis ich meine heutigen Kolleginnen und Kollegen kennenlernen durfte. Ich bin begeistert, wie viel Wissen hier geschaffen wird. Die Szene in Berlin ist sehr lebendig und vielfältig, es gibt hier viele tolle Forscherinnen und Forscher.“ Manchmal, so fügt er nachdenklich hinzu, habe er allerdings das Gefühl, „dass viele von uns - und damit kann ich mich nicht ausschließen - so fokussiert und spezialisiert sind, dass der Austausch darunter etwas leidet.“ Jürgen Radels Devise lautet daher: „Immer neugierig bleiben und entdecken!“
Für die Brain City Berlin erhofft sich Jürgen Radel vor allem eins: dass der offene wissenschaftliche Austausch in der Stadt erhalten bleibt. „Insbesondere sehr verschiedenen Meinungen setzen spannende Impulse.“ Die Freiheit der Forschung und der Wissenschaft sind für den engagierten Wissenschaftler hohe Güter. „Sie erzeugen viel Bewegung. Und diese wiederum erzeugt Reibung, die auch mal zu Hitze führen kann. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir, dass Debatten dem Menschen gegenüber wertschätzend und sachlich geführt werden, gleich welcher Meinung er sein mag.“