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© Stefan Schostok
14.07.2022Prof. Dr. Selin Arikoglu, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Als Professorin für Kinder und Jugendhilfe an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) bringt Brain City-Botschafterin Prof. Dr. Selin Arikoglu Theorie und Praxis bewusst miteinander in Einklang. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich vor allem mit den Lebensbiografien von Straffälligen und deren Angehörigen, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten – insbesondere für die Soziale Arbeit.
Die eigene Lebenserfahrung brachte Prof. Dr. Selin Arikoglu in die Wissenschaft. „Ich bin in einem sozialen Brennpunkt aufgewachsen und war mit straffälligen Verhalten von Nachbarskindern, Mitschülerinnen und Freunden konfrontiert.“ Die inhaltlichen Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen daher heute auf der Kinder- und Jugendhilfe sowie auf dem Thema Straffälligkeit. „Ich stelle mir zum einen die Fragen: Was erleben die Angehörigen der Straffälligen und wie bewältigen sie diese Erlebnisse? Zum anderen: Warum handeln Menschen grenzüberschreitend, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen? Und welche Bewältigungsstrategien fehlen oder müssen erlernt werden? Es geht mir darum, Handlungsempfehlungen für die Wissenschaft zu formulieren, insbesondere für die Soziale Arbeit in den Bereichen Kinder-und Jugendhilfe sowie in Strafvollzugsanstalten. Mit meiner Forschung möchte ich zur weiteren Professionalisierung der Sozialen Arbeit beitragen.“
Seit dem Frühjahr 2022 forscht und lehrt Selin Arikoglu als Professorin für Kinder- und Jugendhilfe an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB). Gezielt verknüpft sie dabei die Theorie mit der Praxis: „In meinen Lehrveranstaltungen und Projekten kommen Betroffene zu Wort, zum Beispiel ehemalige Inhaftierte oder Careleaver. Sie erhalten die Möglichkeit, angehenden Fachkräften über ihre Erlebnisse zu berichten. Dadurch erwecke ich das Interesse der angehenden Sozialarbeiterinnen und Sozialpädagogen für die Handlungsfelder Straffälligenarbeit und Kinder- und Jugendhilfe“. Neben der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Thema, können die Studierenden in den Lehrveranstaltungen von Selin Arikoglu mit Gastreferierenden diskutieren – etwa mit ehemaligen Inhaftierten, Mitarbeitenden des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), Bewährungshelferinnen und -helfern oder Juristinnen und Juristen.
Selin Arikoglu selbst bringt ebenfalls fundierte berufliche und ehrenamtliche Erfahrung in ihre Forschungs- und Lehrtätig ein. Mehre Jahre lang arbeitete sie im Jugend und -Erwachsenenstraffvollzug für Männer sowie im Jugendamt als Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin. Und weitere acht Jahre unterrichtete sie als Lehrbeauftragte an verschiedenen Fachhochschulen in Niedersachsen. Darüber hinaus engagierte sie sich als Kommunalpolitikerin unter anderem im Bereich Jugendhilfe, Gleichstellung und Integrationsausschuss. Und nach wie vor ist sie ehrenamtliche Beirätin in zwei Justizvollzugsanstalten in Niedersachsen. 2019 gründete Selin Arikoglu außerdem einen gemeinnützigen Verein: die „OYA e.V. Straffälligen/-Angehörigenhilfe“– benannt nach ihrer Mutter, die ihr vorgelebt hat, allen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. OYA soll demnächst auch in Berlin verortet sein. Das hat einen besonderen Grund. „Unter den Studierenden sind Angehörige ehemaliger und aktuell Inhaftierter. Diese haben den Wunsch geäußert, sich aufgrund ihrer Vorerfahrungen ehrenamtlich zu engagieren.“
Berlin bietet multiplexe Forschungsschwerpunkte an. Das macht die Stadt noch attraktiver und interessanter.
Die Stadt Berlin hat Selin Arikoglu bisher als eindrucksvoll, weltoffen und divers erlebt. „Berlin begegnet Menschen vorurteilsfrei, das heißt unabhängig vom Alter, dem Geschlecht, der Herkunft, dem Aussehen, der religiösen Haltung oder dem sozialen Status. Die Stadt lässt außerdem wissenschaftliche Träume wahr werden – ebenso wie eine Vernetzung unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.“ Die Vielfältigkeit der Stadt spiegelt sich nach Erfahrung von Selin Arikoglu auch im breiten Angebot der Berliner Fachhochschulen wider. „Forschende haben hier die Möglichkeit, Theorie und Praxis in Einklang zu bringen. Studierende werden so auf wissenschaftlicher Grundlage praxisorientiert ausgebildet. Berlin bietet außerdem multiplexe Forschungsschwerpunkte an. Das macht die Stadt noch attraktiver und interessanter.“ Die Hochschulen seien bildungswichtige Orte in der Stadt, „weil sie für eine kritische, vorurteilsfreie und interdisziplinäre Vermittlung von Wissen stehen. Auch das spricht für Berlin.“
Jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerin, die nach Berlin kommen möchten, rät Selin Arikoglu vor allem zur Offenheit gegenüber der Stadt und ihren Menschen: „Seien Sie gespannt auf eine vielfältige Wissenschaft und eine Stadt die sich vor Veränderungen nicht scheut. Seien Sie mutig und bringen sie ihr Forschungsvorhaben und Praxisprojekte in unterschiedliche Ebenen ein. In Berlin haben sie vielfältige Vernetzungsmöglichkeit, ein Beispiel hierfür ist die Brain City Berlin.“ (vdo)