• Prof. Dr. Antje Rothe, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, Brain City Berlin

    Prof. Dr. Antje Rothe, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin

Die individuelle und kollektive Identität sowie die Professionalisierung kindheitspädagogischer Fachkräfte, die beispielsweise in Kitas arbeiten, untersucht Prof. Dr. Antje Rothe. Ein weiterer ihrer Forschungsschwerpunkte ist das Thema Inklusion im kindheitspädagogischen Zusammenhang. Die Brain City Botschafterin lehrt als Professorin für Kindheitspädagogik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) und ist Leiterin des Bachelor-Studiengangs Kindheitspädagogik.

„Für die pädagogische Arbeit mit Kindern sind individuelle Motive und das kollektive Verständnis innerhalb des Teams sehr wichtig. Für Studierende, die in diesem Bereich arbeiten möchten, ist daher kontinuierliche Selbstreflexion unumgänglich: Wo komme ich her? Was treibt mich an? Was interessiert mich?“ sagt Prof. Dr. Antje Rothe. Sie selbst führt diesen inneren Dialog immer wieder. Und das bereits seit dem Studium der Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Lehr-, Lern- und Trainingspsychologie an der Universität Erfurt. „Besonders spannend fand ich schon damals den biografischen Ansatz: Wie werden Erziehungserfahrungen von einer Generation an die andere vermittelt? Und daran anknüpfend die Frage, inwiefern eigene biografische Erfahrungen die professionelle Identität kindheitspädagogischer Fachkräfte prägen.“  

Seit 2022 arbeitet Antje Rothe als Professorin für Kindheitspädagogik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Gleichzeitig leitet sie an der KHSB den Bachelor-Studiengang Kindheitspädagogik. „Infolge des ‚PISA-Schocks‘, hervorgerufen durch das unterdurchschnittliche Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler in der ersten PISA-Studie im Jahr 2000, wurden nicht nur in Deutschland umfängliche Bildungsreformen angestoßen, die vor allem auch den vorschulischen Bereich betrafen“, erläutert Antje Rothe. „Damit kam auf die Fachkräfte eine Vielzahl von Orientierungsangeboten zu. Wie Kita-Teams damit umgehen, ist die Kernfrage meines Habilitationsprojekts.“

Auch das Thema Inklusion – „in einem weiten, intersektionalen Verständnis“– ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Forschung. Ausgangspunkt war die Mitarbeit in einem qualitativen Projekt zu Kindern aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, die kurz vor dem im Übergang in die Grundschule standen. Untersucht wurden beispielsweise Exklusions- und Selektionsmechanismen, die etwa dazu führten, dass die Kinder auf die Förderschule überwiesen oder in einen Schulkindergarten zurückgestellt wurden. „Wie die Forschungsergebnisse des Projekts zeigen, bahnen sich Selektionsentscheidungen im Übergangsprozess bereits weit vor der Einschulung an. Kinder sozioökonomisch benachteiligter Familien sind besonders gefährdet und sind auch von mehreren Selektionsmechanismen nacheinander betroffen.“

Berlin ist charakterisiert durch die  Intersektionalität und Superdiversität kindlicher Lebenswelten. Kindheitspädagogische Fachlichkeit kann dazu beitragen, die Chancen dieser Vielfalt hervorzuheben, ohne sie zu einem reinen Euphemismus zu verkürzen.

Weitere Projekte, an denen Antje Rothe beteiligt war, untersuchten die Umsetzung inklusiver Bildung. Zum Beispiel an einer inklusiven Grundschule in Malawi oder im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitstudie zur sonderpädagogischen Grundversorgung in Niedersachsen. Die Kernerkenntnisse dieser Projekte: „Grundsätzlich begrüßen viele Fachkräfte die inklusive Entwicklung, benötigen aber auch angemessene Unterstützung“, so Rothe. Es sei wichtig, die eigenen pädagogischen Ideen und Vorstellungen gut zu reflektieren, um Kindern die Freiheit für eigene Erkenntnisprozesse zu geben. Forschungsergebnisse wie diese fließen auch in ihre Lehre an der KHSB ein. So etwa in das aktuelle Seminar „Werkstatt: Inklusive Didaktik und Organisation“.

Nach Berlin zog es Antje Rothe mit ihrer Berufung an die KHSB zurück. „Ich bin in Berlin geboren. Genauer gesagt, in Berlin-Pankow. Nach Stationen in Bonn, Erfurt und Hannover 30 Jahre später hierher zurückzukommen, war schon ein Neuanfang“, erinnert sie sich. „Auch beruflich schätzt die Brain City Botschafterin ihre Heimatstadt sehr. „Berlin bietet im kindheitspädagogischen Bereich viele Kooperationsmöglichkeiten. Es entstehen immer wieder neue Kontakte, die auch in der Lehre fruchtbar werden. Die Vielfalt Berlins ist einfach spannend und macht neugierig. Es kann hier immer etwas Neues um die Ecke kommen.“

Eng zusammen arbeitet Antje Rothe mit den Studiengangsleitungen der beiden anderen sozial ausgerichteten Berliner Hochschulen: der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) und der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH Berlin). Bereits seit 2017 ist sie außerdem Mitglied der Forschungswerkstatt von Prof. em. Ralf Bohnsack, dem Gründer des Arbeitsbereichs „Qualitative Bildungsforschung“ am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Und gemeinsam mit Dr. Mary Maloney vom Mary Immaculate College in Irland organisiert sie die Special Interest Group „Professionalism in Early Childhood Education and Care“ der European Early Childhood Education Research Association (EECERA). „Einmal im Jahr treffen wir uns, tauschen uns wissenschaftlich aus und veröffentlichen anschließend die Ergebnisse“, so Rothe. Auch mit zwei Kolleginnen, Dr. Chandrika Devarakonda an der University of Chester (UK) und Dr. Run Tan, Assistant Professor an der University of Groningen steht die Brain City Botschafterin über ein internationales Netzwerk zum Thema „Early Education“ in enger fachlicher Verbindung. „Berlin bietet eine Menge Möglichkeiten, eigene Ideen einzubringen und sich weiterzuentwickeln.“

Antje Rothes Tipp für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in der Brain City Berlin durchstarten möchten: „Versucht so früh wie möglich herauszufinden, was ihr genau machen möchtet. Ein guter Weg dafür ist, sich Mentorinnen oder Mentoren zu suchen und sich mit ihnen auszutauschen. Das Angebot in Berlin ist riesig – man kann sich aber auch leicht darin verlieren.“ (vdo)

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