Prof. Dr. Christian Drosten
Charité – Universitätsmedizin Berlin

Brain City Berlin Botschafter: Prof. Dr. Christian Drosten (Charité – Universitätsmedizin Berlin)

 

Prof. Dr. Christian Drosten ist Leiter des Instituts für Virologie an der Charité – Universitätsmedizin, baut eine Forschungseinheit „Virologie“ am Berlin Institute of Health auf und ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des World Health Summit.

 

  

Interview

Brain City Berlin: Prof. Drosten, wie würden Sie Ihr Forschungsgebiet beschreiben?

Prof. Drosten: Virologie ist ein sehr breites biologisches Fach. Ich widme mich den medizinischen Aspekten, also beispielsweise Viruskrankheiten wie Hepatitis oder Influenza. Mein Team befasst sich aber auch mit der Evolution und Diversität von Viren an sich. Das ist nötig, um Krankheiten zu erkennen, die mit neuartigen Viren zu tun haben – oft solche, die aus Tieren stammen und in tropischen Ländern vorkommen. Darunter können manchmal Viren sein, die die Gesundheit ganzer Bevölkerungen bedrohen. In den letzten Jahren haben wir beispielsweise an dem neuen Erreger von MERS (Middle East Respiratory Syndrome) gearbeitet. Durch unsere Forschung ist jetzt klar, dass dieser Erreger vom Kamel stammt und eine übertragbare Lungenentzündung hervorruft, mit einer gewissen Pandemiegefahr wie bei der Influenza. Außerdem hoffen wir, durch den Einsatz neuester Technologien Viren zu entdecken, die schon lange beim Menschen vorkommen, ohne dass die Medizin dies bisher bemerkt hat – weil diese Erreger so wenig Ähnlichkeit mit bereits bekannten Viren besitzen. Das, was mich antreibt und motiviert, ist die Medizin, die unbekannte Diagnose beim seltenen Patientenfall. Als Arzt sehe ich den Patienten, der eine Krankheit hat: Könnte man hier noch eine Diagnose finden, die ein normales Allgemeinlabor nicht finden kann? Ich arbeite beispielsweise gerade an einem Projekt, in welchem die vielfältigen Viren der Insekten mit menschlichen Viren verglichen werden. Vielleicht werden ja Erkrankungen des Menschen durch solche Viren hervorgerufen.

 

Brain City Berlin: Sie werden Leiter von Charité Global Health, das sich gerade im Aufbau befindet. Was sind die Ziele dieser wissenschaftlichen Einrichtung?

Prof. Drosten: Die Charité ist groß. Sie betreibt eine Vielzahl von Studien und Forschungsprojekten und bietet enorme Kompetenzen in der Patientenversorgung. Sie ist auch eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für alle Gesundheitsberufe. Im Bereich der Globalen Gesundheit müssen die vielen vorhandenen Kompetenzen besonders gut organisiert werden, denn Global Health ist ein echtes Querschnittsfeld. Charité Global Health ist daher auch kein eigenes Forschungsinstitut, sondern vielmehr eine Koordinationsplattform, die die Zusammenarbeit nach innen und nach außen erleichtern soll. Charité Global Health hat großes Interesse daran, Globale Gesundheitsforschung und Global Health Anwendungen im Berliner Umfeld zusammenzuführen und zu verbinden. Wir wollen die Charité als Ganzes mit der Berliner Forschungslandschaft verbinden – perspektivisch auch über die Grenzen der Stadt hinaus. Es gibt hervorragende Global Health Forschungseinrichtungen in Berlin: zum Beispiel das Robert-Koch-Institut mit einem eigenen Global Health Programm, die Freie Universität Berlin, die gleich mehrere interessante Bereiche hat, die Humboldt-Universität zu Berlin und die Technische Universität Berlin. Allesamt Einrichtungen, die ihre eigenen Profile im Bereich Global Health schon gebildet haben; einem Bereich, der längst nicht nur (wie der Begriff impliziert) für Mediziner*innen, sondern auch für Sozialwissenschaftler*innen, für Techniker*innen oder für Kulturwissenschaftler*innen bedeutsam ist. Die Liste von Disziplinen, die sich im Bereich Global Health engagieren, ist lang. Jetzt ist es an der Zeit, sich kennenzulernen und Kristallisationspunkte zu finden.

 

Brain City Berlin: Im Oktober findet der nächste World Health Summit statt. Können Sie schon sagen, was Sie sich von der Veranstaltung erhoffen?

Prof. Drosten: Der World Health Summit hat eine lange Tradition und einen ganz eigenen Anstrich. Als wissenschaftliche Veranstaltung der internationalen Forschung bzw. der internationalen Gesundheit hat der World Health Summit eine sehr hohe Flughöhe. Es ist keine wissenschaftliche Veranstaltung, bei der es um eine einzelne Krankheit geht. Themen werden hier auf einer übergeordneten Ebene adressiert. Insbesondere auch politische Probleme, was im Global Health Bereich sehr wichtig ist. Beschäftigt man sich mit Global Health, werden politische Aspekte schneller relevant als in anderen Gebieten der Medizinforschung. Diese politische Komponente und die Ansprechbarkeit politischer Ebenen, das ist etwas, dass der World Health Summit ziemlich einzigartig umsetzt.

 

Brain City Berlin: Sie sind 2017 aus Bonn nach Berlin gekommen. Warum haben Sie sich für diesen Wechsel entschieden?

Prof. Drosten: Das hatte verschiedene Gründe. Das Institut in Bonn war sehr erfolgreich. Nach zehn Jahren wollte ich aber einfach etwas Neues machen. Und es ist natürlich so, dass die Charité eine besondere Anziehungskraft auf jeden Mediziner hat. Die Charité ist sicher kein sanftes Ruhekissen, sondern ein Ort, wo man etwas bewegen muss – aber auch kann und darf. Das ist deutschlandweit bekannt, weswegen eine Professur an der Charité sowohl eine Herausforderung als auch eine Auszeichnung ist. Der Gang nach Berlin war aber auch eine private Entscheidung. Ich bin auf einem norddeutschen Bauernhof groß geworden, habe dann in Münster und Frankfurt studiert und schließlich ging es weiter nach Hamburg. Irgendwann habe ich gemerkt, dass eine große Stadt ein Stimulus ist, den ich im Leben brauche – und da ist Berlin natürlich die beste und zweifelsfrei interessanteste Stadt in Deutschland. Die Chance nach Berlin zu gehen, musste ich einfach ergreifen. Für meine Partnerin war es genau dasselbe. Die hat sogar ein paar Jahre vorher mal in Berlin gelebt und wollte gerne zurück. Ja, wir fühlen uns ziemlich wohl hier.

 

Brain City Berlin: Was gefällt Ihnen besonders am Leben in Berlin?

Prof. Drosten: Bisher habe ich nur in Westdeutschland gelebt, in ganz unterschiedlichen Gegenden. Ich war lange in Hamburg, lange in Frankfurt, lange im Rheinland, auch in Dortmund und im Münsterland. Berlin ist von all diesen Orten gleich weit entfernt und doch als Hauptstadt sehr eng mit allem verbunden – das ist vor allem im beruflichen Leben eine sehr interessante Perspektive. Mich interessieren aber auch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern: diese Ländlichkeit, die so unverändert ist, sieht ganz anders aus als Westdeutschland. Das finde ich reizvoll. Und dann ist da das Leben in der Stadt. Wir wohnen im Prenzlauer Berg und haben noch immer ein Auto, das wir nie benutzen (das muss demnächst mal weg). Das Leben ist anders, wenn man nicht im Stau steht, wenn man jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und doch alles findet, was man braucht. Diese Vielfältigkeit, die Berlin bietet, finde ich sehr reizvoll. Es ist etwas ganz Eigenes und vor allem anders, als die anderen deutsche Großstädte, die ich kenne. Hamburg und Frankfurt kenne ich zum Bespiel sehr gut und es sind schöne Städte. Aber dieses Eigene fehlt, dieser Charakter, den Berlin aufgrund seiner Vielfältigkeit hat.

 

Brain City Berlin: Was ist Ihr bisheriger Eindruck von der Wissenschaftslandschaft Berlins? Wie nehmen Sie sie im Vergleich zu den Standorten, an denen Sie vorher gearbeitet haben?

Prof. Drosten: Aus der Perspektive eines Professors kenne ich den Standort Bonn sehr gut. Im Vergleich ist Bonn natürlich ein kleiner Standort. Das hat Vor- und Nachteile. Genau wie Berlin auch Vor- und Nachteile hat. Arbeitet man an einem kleinen Standort, lernt man relativ schnell alle Akteure kennen. Man weiß, welche Ressourcen verfügbar sind und man kennt seinen Handlungsspielraum. Während die Möglichkeiten hier in Berlin kaum zu Ende gehen. In Berlin orientiert man sich nicht an den begrenzten Möglichkeiten des Ortes. Es gibt für alles, was man machen will, immer einen Partner. Allein die Größe der Berliner Forschungslandschaft ist erstaunlich. Diese Forschungslandschaft hat eine ganz eigene Energie. Die Kolleginnen und Kollegen, sowohl hier in der Charité als auch in anderen Forschungseinrichtungen, sind sehr zugänglich und nahbar, ohne jeden Vorbehalt. In Berlin begegnen einem viele interessante Charaktere, die ich persönlich sehr sympathisch finde. Und ich bin mir sicher, dass die Stadt ihren Anteil daran hat. Die Menschen haben sich irgendwann dafür entschieden, nach Berlin zu gehen. Wer etwa in den 90er Jahren nach Berlin gegangen ist, musste mancherorts improvisieren und Pionierarbeit leisten. Ich glaube, dieser Geist ist in der Berliner Wissenschaftslandschaft weit verbreitet. Das macht es so angenehm hier. In Berlin gibt es viele Wissenschaftler, die sich nicht zum Zeitpunkt ihrer Ankunft in ein gemachtes Nest gesetzt haben, wo bereits alles vorbereitet ist und man keine Umwälzungsenergie benötigt. Eine Energie, die man in Berlin auch jetzt noch überall spürt.