Prof. Dr. Elke Greifeneder
Humboldt-Universität zu Berlin

Brain City Berlin

Brain City Berlin-Botschafterin: Prof. Dr. Elke Greifeneder (Humboldt-Universität zu Berlin)

 

Professorin für Information Behavior

 

Als Juniorprofessorin für Information Behavior (Informationsverhaltensforschung) untersucht Elke Greifeneder den Umgang der Menschen mit digitalisierten Informationen.

Was genau wissen sie über den Fluss der Informationen, die sie per E-Mail oder über soziale Medien verbreiten? Wer findet Zugang zu den Daten? Und wie werden sie ausgewertet? Elke Greifeneder lehrt seit 2014 am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Bevor sie eine Professur in Kopenhagen annahm, studierte und promovierte sie an der Berliner Humboldt-Universität.

Interview

Was sind die großen Herausforderungen der Informationsverhaltensforschung?

Die gesamten Informationswissenschaften werden sich zukünftig sehr stark mit einem Phänomen befassen, das in Deutschland erst in den letzten Monaten so richtig ins Bewusstsein gerückt ist. Auf Englisch heißt es "Datafication" und bezeichnet die Quantifizierung des gesamten Lebens. Das heißt: Alles, was wir machen, wird messbar gemacht - zum Beispiel die tägliche Bewegung zu Fuß oder im Auto.

 

Wen interessieren diese Daten?

Die Krankenversicherer in den USA zum Beispiel, weil sie die Tarife angleichen können bei Menschen, die besonders viel oder besonders wenig zu Fuß gehen. Wer ihnen die Daten über die täglichen Fußwege nicht liefert, muss bis zu 500 Dollar zusätzlichen Beitrag zahlen. Ich möchte gar nicht wissen, welche Daten mein Smartphone ständig sendet. Und es sendet immer Daten. Google Maps zum Beispiel freut sich über die Informationen von Autofahrern, weil sie ihre Stauvorhersagen ständig präzisieren und aktualisieren können.

 

Kann die Gesellschaft solche Trends noch stoppen?

Nein, sie gehören zur digitalen Welt dazu. Lernen kann man nur, damit umzugehen. Wie speichere ich meine Daten ab? Wie gehe ich bewusst mit den Daten um?

 

Werden die Daten auch missbraucht?

Das untersuchen wir. Weiß der Nutzer sozialer Medien, dass seine Daten analysiert werden? Weiß er, dass Forscher weltweit die Daten für Studien herunterladen dürfen? Inwieweit ist sich ein Nutzer bei Twitter bewusst, dass er eine Nachricht für die ganze Welt verbreitet und dass sie analysiert werden kann? Wenn ich in einer Bar sitze und mich unterhalte, darf niemand am Nachbartisch sitzen und zu Forschungszwecken ein Aufnahmegerät mitlaufen lassen. Da würde sich jeder beschweren. Bei Twitter jedoch entsteht eine sehr ähnliche Situation, die alle okay finden – zumal es ja in den Nutzungsbedingungen drin steht.

 

Passen die Menschen ihr Verhalten den neuen Gegebenheiten an?

Ja, natürlich. Die Menschen sind unterwegs und können überall, wo sie Zugang zum Internet haben, nach Informationen suchen. Es ist unglaublich, wie rasant sich in den letzten zehn Jahren das Informationsverhalten geändert hat. Einer unserer Schwerpunkte ist die Erforschung der Informationskompetenz. Die Schlüsselfrage: Inwieweit können die Menschen die Informationen, die sie erhalten und verbreiten, bewerten?

 

Welche Eigenschaften müssen Menschen mitbringen, die in die Informationsverhaltensforschung gehen?

Man muss vor allem unglaublich neugierig sein und immer noch ein bisschen mehr nachschauen wollen. Erhalte ich ein anderes Ergebnis, wenn ich meine Analyse mit einer zusätzlichen Variable ergänze? Die Abschluss-Arbeiten der Einser-Kandidaten zeichnen sich dadurch aus, dass die Verfasser immer noch diesen zusätzlichen Schritt weitergehen und ihre Daten und Ergebnisse tiefgreifend hinterfragen. Außerdem muss man im deutschen Forschungssystem auch ein guter Manager sein, weil man sehr viel organisieren muss.

 

Warum haben Sie sich entschieden, aus der Professur in Kopenhagen nach Berlin zu wechseln?

Die Humboldt-Universität hat mir die Möglichkeit geboten, einen eigenen Fachbereich Information Behavior aufzubauen. Das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland. Es wird zwar viel in diesem Bereich geforscht, aber einen gesamten Lehrstuhl bietet außer der Humboldt-Universität keine Hochschule.

 

Welchen Eindruck haben Sie vom Wissenschaftsstandort Berlin?

Berlin ist eine tolle Hauptstadt und eine tolle Metropole, viel weniger stressig als Paris zum Beispiel, das ich als Studentin erlebt habe. Die Qualität der Forschung in Berlin ist herausragend. Und es gibt nicht nur Platz für große Fachbereiche wie Medizin oder Ingenieurwissenschaften, sondern auch für kleinere wie die Bibliotheks- und Informationswissenschaften.