Die Zukunft des Museums für Naturkunde Berlin - Interview mit dem Generaldirektor Prof. Johannes Vogel

660 Millionen Euro in 10 Jahren: Das Museum für Naturkunde Berlin erhält finanzielle Unterstützung für die Weiterentwicklung der Erforschung der Natur- und Lebenswissenschaften in Berlin.

Im Interview mit Generaldirektor Prof. Johannes Vogel geht es um die Zukunft des prestigeträchtigen Museums im Herzen der Stadt.

Der Bundestag hat gemeinsam mit dem Land Berlin eine finanzielle Zuwendung in Höhe von 660 Millionen Euro bewilligt. Das ermöglicht dem Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, in den nächsten 10 Jahren die Entwicklung eines Forschungs- und Kommunikationsforums für Natur- und Lebenswissenschaften zu realisieren. Darüber sprachen wir mit Prof. Vogel.
 

Brain City Berlin: Prof. Vogel, viele kennen das Museum für Naturkunde Berlin als Dinosaurier-Museum. Was gibt es bei einem Besuch denn alles zu entdecken (auch hinter den Kulissen)?

Prof. Johannes Vogel: Wir haben hier ein immenses Archiv der Natur und des Wissens der Menschheit: 30 Millionen Objekte, die aus unterschiedlichsten Perspektiven – sei es biologisch, gesellschaftspolitisch, wirtschaftlich oder kulturhistorisch -  betrachtet werden können.  Herausragende Beispiele sind der berühmte Urvogel Archaeopteryx lithographica, hunderte Objekte, die Alexander von Humboldt gesammelt hat, aber auch die Mineralstufe, an der das Element Uran entdeckt wurde.

Brain City Berlin: Das Museum ist ein fester Bestandteil der Berliner Wissenschaftslandschaft. Welche wissenschaftlichen Kooperationen unterstützt das Naturkundemuseum Berlin genau?

Prof. Johannes Vogel: Wir unterhalten wissenschaftliche Beziehungen in über 40 Länder und haben Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler aus über 30 Ländern bei uns. Das ist gut für die internationale Sichtbarkeit der Wissenschaftsstadt Berlin. Wir forschen gemeinsam, wir bilden aus, wir lassen uns inspirieren und erforschen gemeinsam die Erde und das Leben im Dialog mit den Menschen – für Natur.

 

Brain City Berlin: Die Investitionen des Bundestags und des Landes Berlin in das Museum für Naturkunde Berlin sind ein großartiger Beitrag zur Förderung der Erforschung der Natur- und Lebenswissenschaften. Können Sie für uns kurz zusammenfassen, wie sich das Museum dank der finanziellen Zuwendung in den nächsten Jahren weiterentwickeln soll?

Prof. Johannes Vogel: Danke für den großzügigen Mut des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses. Wir sind dankbar und uns der großen Herausforderung bewusst. Zwei Drittel der Investitionen werden genutzt, um das Gebäude zu sanieren. In den letzten Jahren haben wir 10% des Gebäudes sanieren und die Nass-Sammlungen optimal unterbringen können. Jetzt haben wir die Möglichkeit, auch die anderen 90% der Sammlung auf den aktuellsten Stand zu bringen und digital zugänglich zu machen. Dafür wird ein weiterer großer Teil der Mittel verwendet. Wir sind einer der wichtigsten Orte für Natur: 180 000 Typen von derzeit bekannten Organismen haben wir bei uns im Museum, das sind 10% aller beschriebenen Arten - weltweit! Fast alle beschriebenen Arten sind in fünf großen naturwissenschaftlichen Museen weltweit untergebracht – daher müssen diese Wissensspeicher für die Nachwelt erhalten bleiben. Berlin ist dabei der Ort, wo Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zusammenkommen und darüber verhandeln, wie wir mit diesem einzigartigen Planeten in Zukunft umgehen. Das können wir, weil Menschen uns lieben, zu uns kommen und bereit sind, mit uns darüber in Dialog zu treten.

 

Brain City Berlin: Die Weiterentwicklung des Museums für Naturkunde ist sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene interessant und macht Berlin für Forscher weltweit noch attraktiver. Rechnen Sie mit weiteren Kooperationen, auch auf internationaler Ebene?

Prof. Johannes Vogel: Einen Teil der Mittel werden wir dafür verwenden, ein offenes Forschungsmuseum zu schaffen. Wir wollen die Sammlung digitalisieren und die Prozesse der Kommunikation und Partizipation öffnen. Wir müssen mit der Wirtschaft und Gesellschaft darüber reden, welche Interessen sie an einem Forschungsmuseum haben und welche Bedürfnisse. Darüber können wir Prioritäten setzen, wie wir Wissenschaft betreiben und Sammlungsobjekte öffentlich machen. Wir werden es vielleicht schaffen, alle Objekte zu digitalisieren und in Datenbanken zu stellen, aber wir werden nicht von allen Objekten DNA Analysen oder CT-Scans bereitstellen können. Wir werden mit dem Geld Prioritäten erledigen können und wenn wir uns mit Wirtschaft und Gesellschaft vernetzten werden wir die Basis schaffen, um gesellschaftlich relevant forschen können.

 

Brain City Berlin: Können Sie uns sagen, was Sie sich persönlich für die Zukunft des Museums für Naturkunde Berlin wünschen?

Prof. Johannes Vogel: Von über 29 Millionen Objekten bei uns wissen wir noch nicht, wie sie die Welt verändern werden. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass das in den nächsten 200 Jahren unter optimalen Bedingungen erforscht wird und das dieses Wissen weltweit zugänglich gemacht wird. Wir haben nur eine Erde und ich wünsche mir, dass wir es gemeinsam schaffen, wissenschaftliche und gesellschaftliche Lösungen zu erarbeiten, um das Leben auf der Erde weiter lebenswert zu halten.

Einblick in das Naturkundemuseum Berlin