• LNDW Podcast, Brain City Berlin

    Folge 8: „Fakten, Fakes und Sensationen“ zur Rolle der Wissenschaftskommunikation (6. Januar 2021)

Corona macht es deutlich: Wissenschaftskommunikation ist gerade in Krisen-Zeiten ausgesprochen wichtig. Um die Kommunizierbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse im Kontext von Fake News und Verschwörungstheorien geht es in der 8. Folge des LNDW-Podcasts.  Zu Gast in der Sendung mit rbb-Moderator Thomas Prinzler: Prof. Dr. Gwendolyn Sasse, Wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), Josef Zens, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ), Torsten Lipski, Fachbereichsleiter Sozialkunde an der OSZ Lise Meitner-Schule für Naturwissenschaften und Stefan Gotthold, kommissarischer Leiter der Bildungsabteilung der Stiftung Planetarium Berlin.

Selten war das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach wissenschaftlichen Fakten – und nach Personen, die diese Erkenntnisse erklären können – so groß wie zurzeit. Die Corona-Pandemie hat vor allem das Interesse an Fachgebieten wie Virologie, Epidemiologie und Medizin verstärkt. Dabei forschen auch andere Wissenschaftsbereiche an Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Krebs oder Verkehrskollaps.

Zugleich macht Corona deutlicher denn je, wie wichtig Wissenschaftskommunikation gerade in Krisen-Zeiten ist. Nicht von ungefähr lautete das Kampagnenmotto, das die LNDW 2020 begleiten sollte „Wissenschaft als Antwort auf Fake-News“. Zwar ist das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung in Deutschland weiterhin hoch: Laut dem aktuellen „Wissenschaftsbarometer“ der Initiative „Wissenschaft im Dialog“ aus dem Dezember 2020 vertrauen nach wie vor rund 60 Prozent der Bundesbürger*innen Wissenschaft und Forschung. Aber es gibt auch Zweifler*innen. Nach der Studie neigen rund 10 Prozent der Deutschen zu Verschwörungstheorien bzw. verlassen sich lieber auf das eigene Urteil. „Was hilft gegen die Verbreitung von Fake News und Verschwörungserzählungen?“, „Auf welche Mittel darf Wissenschaftskommunikation im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit setzen?“ und „Wie dringen die Wissenschaften mit ihren Themen zu einer breiten Öffentlichkeit vor?“ Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die 8. Folge des LNDW-Podcasts. 

„Zwischen Politikberatung und Wissenschaftskommunikation“

„Die Corona-Zeit hat einen ambivalenten Effekt auf das Vertrauen in Wissenschaft. Zum einen werden wir alle nahezu täglich mit dem Prozess konfrontiert, wie Wissenschaft funktioniert. Dass es etwa ein normaler Prozess in der Wissenschaft ist, dass Thesen auch einmal revidiert werden müssen. Zum anderen sind dadurch aber auch die Unsicherheiten der Wissenschaften wesentlich deutlicher. Und das beflügelt die zehn Prozent in der Bevölkerung, die zu Verschwörungstheorien neigen“, so Prof. Dr. Gwendolyn Sasse. In ihrer Forschung hat die Wissenschaftliche Direktorin  des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) viel mit autoritären Regimen zu tun. Sie weiß daher, wie rasch Wissenschaft für politische Zwecke missbraucht werden kann. In Deutschland wiederum begegnet sie Klischeevorstellungen über Osteuropa, die nichts oder nur wenig mit der Wirklichkeit zu haben. „Man wünscht sich natürlich immer, dass die eigene Arbeit mehr Beachtung findet. Viele Journalist*innen aus Osteuropa sind oft frustriert darüber, wie wenig sie unterbekommen. Sie melden sich bei uns und wir bauen sie in unsere Veranstaltungen ein“, sagt sie und ergänzt. „Wir machen das im ZOiS zum Beispiel über Veranstaltungen, die einen kulturellen Einstieg ermöglichen, etwa überb einen Dokumentarfilm oder eine Lesung. Für Sozial- und Geisteswissenschaften ist sehr viel schwieriger auf Wissenschaftsseiten von Zeitungen zu kommen als für die Naturwissenschaften. Das ist ein wunder Punkt.“

„Wissenschaft und Journalismus – Aufklärung oder Sensationsgier“

„Corona zeigt wie in einem Brennglas die Mechanismen von Zweifel, vom professionell geschürten Zweifel an Fakten und Versicherung“, sagt Josef Zens. Der Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Helmholtz-Zentrum PotsdamDeutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) spricht aus doppelter Erfahrung, denn er ist auch gelernter Zeitungsjournalist. In seiner Arbeit am GFZ ist er täglich damit konfrontiert, einen Zwiespalt in Einklang zu bringen: zwischen dem Bedürfnis des Journalismus nach Quote und dem der Wissenschaften nach Kenntnisnahme von Fakten. Wissenschaftler*innen sieht er in der Pflicht, Fake News nicht einfach stehenzulassen, sondern ihnen zu widersprechen. „Sonst pflanzen sie sich fort.“ Wichtig ist es seiner Ansicht nach vor allem, den Teil der Bevölkerung gezielt anzusprechen, der mit Wissenschaft auch erreicht werden kann. „Die Kontroverse ist dabei wie eine Droge, es sollte aber darum gehen, die 90 Prozent in einer sachlichen Form zu erreichen.“ Dabei darf seiner Ansicht nach die Wissenschaft durchaus auch Erlebnisse bieten – wie ein Theater. Die Leute wollten dort ja auch nicht sehen, wie geprobt wird, sondern das Ergebnis betrachten. „Dass hinter der Wissenschaft totlangweilige Arbeit steckt, muss die Wissenschaftskommunikation nicht zeigen. Der Weg ins Hirn führt übers Herz. „

„Früh übt sich – Unterscheidung von Fake News und Fakten in der Schule“

„Natürlich höre ich auch in der Schule Fake News und Verschwörungstheorien – alles, was es in der Gesellschaft gibt, findet sich auch in der Schule“, erzählt Torsten Lipski. Populistischen Debatten und Positionen aus den Medien, so der Fachbereichsleiter Sozialkunde an der OSZ Lise Meitner-Schule für Naturwissenschaften, übernähmen Schüler*innen häufig auch im Sozialkunde-Unterricht. „Das ist für sie leichter, erschwert aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen wie dem Asylrecht“, erläutert der Pädagoge. „In der Schule geht es uns darum, dass Schüler*innen wissenschaftliche Methoden erlernen und dann auch in öffentlichen Debatten erkennen können, dass es um einen Diskurs und nicht um einen Streit geht.“ Die Frage, ob Schüler*innen anfälliger für Verschwörungstheorien seien, bejaht Torsten Lipski prinzipiell. Zugleich verweist er aber auf den großen Vorteil der Schule: „Sie hat es mit Lernenden zu tun, diese können wissenschaftliches Handwerkzeug noch erlernen.“

„Wissenschaft als Theater“ – wie unterhaltsam darf Wissenschaft sein?“

„Die Aufgabe der Wissenschaftskommunikation ist es, wissenschaftliche Fakten so aufzubereiten, dass sie verständlich sind“, sagt Stefan Gotthold. Er ist verantwortlich für die Archenhold-Sternwarte der Stiftung Planetarium Berlin und kommissarischer Leiter der Bildungsabteilung der Stiftung. Mit seinen Vorträgen begeistert er Menschen jeden Alters für die Naturwissenschaften. Auch wenn Wissenschaft methodischen Regeln folgen müsse – so lautet sein Credo – heiße das nicht, dass sie ernst ist. Darum bezeichnet sich die Stiftung Planetarium auch als „Wissenschaftstheater“:  „Wir wollen wissenschaftliche Erkenntnisse richtig darstellen, aber immer auch Begeisterung wecken und leuchtende Augen erzeugen.“ Ein Problem, mit dem Stefan Gotthold bei seinen Vorträgen in der Sternwarte öfter konfrontiert wird: Der Wunsch nach Sensation verdrängt häufig das wissenschaftliche Interesse. „Das bemerken wir im Planetarium etwa daran, dass gefragt wird, wann denn der nächste Asteroid auf die Erde einschlägt.“ Gelegentlich erreichen ihn auch Anfragen zu Theorien über astronomische Darstellungen, die sich wissenschaftlich nicht halten lassen.Um dagegen anzugehen, braucht es Zeit und Geduld“, so Stefan Gotthold. Verschwörungsanhänger mit wissenschaftlichen Fakten zu überzeugen, ist auch für ihn nicht leicht. Denn  Verschwörungsfragen sind häufig Glaubensfragen. „Was mich stört, sind die Daumen unter den entsprechenden YouTube-Videos. Mein persönliches Ziel ist, diese (YouTube-Nutzer*innen, Erg. d. Red.) zu erreichen.“ (vdo)

Die einzelnen Folgen des Podcasts – am 6. jedes Monats online 

LNDW-Podcast in der ARD-Audiothek 
LNDW-Podcast beim rbb Inforadio