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rbb/Gundula Krause 2020
04.12.2020Folge 7: „Trendsetter Internet? Angstmacher KI? Folgen der Digitalisierung“ (6. Dezember 2020)
Die Brain City Berlin gehört inzwischen zu den führenden Standorten der Informations- und Kommunikationswirtschaft in Deutschlands und gilt als ein Zentrum der Künstlichen Intelligenz. Doch die Digitalisierung birgt nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Die Folgen der Digitalisierung für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik thematisiert der 7. LNDW-Podcast in einer spannenden Runde. Zu Gast in der Sendung: Prof. Dr. Jeanette Hofmann, Leiterin der Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Prof. Dr. Eckart Uhlmann, Leiter des Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin und Sprecher des Leistungszentrums „Digitale Vernetzung“ sowie Prof. Dr. Sebastian Pokutta, Vizepräsident des Zuse Instituts Berlin (ZIB) und Professor für Mathematik an der Technischen Universität Berlin (TU Berlin). Sein Forschungsschwerpunkt: Künstliche Intelligenz und Optimierung.“
„Ich bin zu faul zum Rechnen“, gab Konrad Zuse gern als Grund dafür an, einen Computer zu bauen. Am 12. Mai 1941 stellte der damals 20-Jährige in Berlin-Kreuzberg die „Z3-Rechenmaschine“ vor, den ersten frei programmierbaren Computer der Welt. Das Original – groß wie ein Wandschrank – wurde 1944 während eines Bombengriffs auf Berlin zerstört. Aber Zuses Entwicklung war bahnbrechend. Was daraus folgte, ist gewaltig und beschäftigt uns bis heute: Längst durchdringt die Digitalisierung alle Lebensbereiche in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
25 Jahre nach Konrad Zuses Tod – er starb am 18. Dezember 1995 – zählt seine Geburtsstadt, die Brain City Berlin, inzwischen zu den führenden Standorten der Informations- und Kommunikationswirtschaft in Deutschland und gilt weltweit als ein Zentrum der Künstlichen Intelligenz. Zahlreiche Spitzenforscher*innen beschäftigen sich hier nicht nur mit der Weiterentwicklung der Digitalisierung und den damit verbundenen Chancen, sondern auch mit ihren Risiken.
Wie wirkt sich die Demokratie auf unser Verständnis von Demokratie aus?
„Was den Bereich Digitalisierung und Sozialwissenschaften angeht, sind wir in Berlin sehr gut aufgestellt. Wir forschen vor allem auch interdisziplinär. Das wäre vor zehn Jahren vermutlich nicht möglich gewesen.“
So wie Prof. Dr. Jeanette Hofmann. Am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) leitet sie die Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ und beschäftigt sich u. a. auch mit der Auswirkung der Digitalisierung auf das Verständnis von Demokratie. „Wir projizieren auf die digitale Technik viele Probleme, die da nicht hingehören“, erläutert sie und ergänzt: „Ja, wir haben ein Demokratieproblem, aber die Technik spiegelt das wider, sie verursacht das nicht“. Allerdings, so räumt die Politikwissenschaftlerin ein, hätten Empfehlungsalgorithmen im Internet oft eine Art fütternde Wirkung. „Diejenigen, die nach Skandalen suchen, bekommen diese jetzt auch viel häufiger vorgesetzt.“ Stimmen, die fordern, Facebook und andere Soziale Medien mit Qualitätslabeln zu bewerten, hält sie allerdings für rückwärtsgewandt. „Das Internet hilft uns zu sehen, wie viele Nicht-Demokraten es gibt. Und wir erkennen, dass wir uns um den Zustand unserer Demokratie kümmern müssen. Ich sehe Gefährdungen der Demokratie, aber ich denke nicht, dass wir das den digitalen Medien in die Schuhe schieben können.“
Setzen sich in der plattformbasierten Wirtschaft nur die Stärksten durch?
Als Fraunhofer-Gesellschaft haben wir es in Berlin geschafft, ein Leistungszentrum für Digitale Vernetzung mit allen Fraunhofer Instituten auf den Weg zu bringen. Wenn wir erfolgreich sein wollen, brauchen wir solche Gesamtsysteme. Wir haben hier eine hervorragende Ausgangssituation.
Prof. Dr. Eckart Uhlmann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin ist Sprecher des Leistungszentrums „Digitale Vernetzung“, einer Kooperation der vier Berliner Fraunhofer-Institute FOKUS, HHI, IPK und IZM. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das Thema Industrie 4.0 . „Bei der Digitalisierung geht es immer auch um große Investitionen. Daher besteht die Gefahr, dass wir die kleinen und mittleren Betriebe verlieren und der Mittelstand auf der Strecke bleibt“, so der Vernetzungs-Experte. Um KMUs am Standort in Sachen Digitalisierung zu unterstützen, hat das Fraunhofer IPK einen „Berliner Koffer für Industrie 4.0“ entwickelt – einen Baukasten für die digital integrierte Produktion. „Durch die Digitalisierung können sich die Unternehmen so miteinander vernetzen, dass sie zu Systemlieferanten werden (Crowd-Production) und sich so auch großen Unternehmen als Zulieferer anbieten.“ Und was bringt die Zukunft? Für Dr. Eckart Uhlmann wird die 5. Industrielle Revolution vor allem durch neue Geschäftsmodelle geprägt sein. „Wir werden beispielsweise davon weggehen, Produkte zu verkaufen und stattdessen den Nutzen der Produkte oder deren Verfügbarkeit. Das gilt auch für so traditionelle Geschäftsbereiche wie den Maschinenbau.“
Wie fair und gerecht können Algorithmen sein?
Der Wissenschaftsstandort Berlin ist wirklich gut. Am Transfer in die Industrie gibt es allerdings noch Stellen, an denen wir nachbessern müssen. Um das, was in der Wissenschaft erarbeitet wurde, besser in Innovationen überführen zu können.
„In der Vergangenheit ging es um Entscheidungen, die Einzelpersonen getroffen haben, jetzt habe ich Künstliche Intelligenz, die plötzlich über viele Leute homogen entscheidet und nehme mit einer Entscheidung viel mehr Einfluss“, sagt Prof. Dr. Sebastian Pokutta, Vizepräsident des Zuse Instituts Berlin (ZIB). An dem interdisziplinären Forschungsinstitut für angewandte Mathematik und datenintensives High-Performance-Computing mit Sitz auf dem Campus der Freien Universität Berlin geht es um Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Informationstechnik – in enger Kooperation mit den Berliner Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Dr. Sebastian Pokutta beschäftigt sich hier vor allem mit dem Thema „Künstliche Intelligenz und Optimierung“. Der Umgang mit der Digitalisierung ist für ihn immer auch eine Frage des Mindsets: „Habe ich ein Mindset der Möglichkeiten oder habe ich ein Mindset der Angst, das mich erst einmal über die Risiken nachdenken lässt?“ In seiner Arbeit versucht er daher, von Anfang an auch Fairness-Aspekte in die Algorithmen zu integrieren. „Die Frage ist immer: Wie viel Vertrauen, wie viel Automatisierung steckt man in ein System rein?“, erläutert er und zitiert dabei gern einen Kollegen aus den USA: „Wenn ich über ein System von Künstlicher Intelligenz spreche und in diesem Satz das Wort ‚Künstliche Intelligenz’ durch das Wort ‚Gott’ ersetze und sich die Bedeutung des Satzes nicht ändert, dann haben wir ein Problem.“