• Brain City Berlin, Prof. Dr. Sonja Jähnig, Dipl.-Ing. Regina Gnirß, Prof. Dr. Jochen Rabe

    Folge 2: „Wasser – Zukunftsressource für Natur und Mensch“

Wasser ist für Menschen, Pflanzen und Tiere ein lebenswichtiges Element. Angesichts immer heißerer Sommer, längerer Trockenperioden und plötzlich aufkommender Starkregenereignisse, stellt sich die Frage: Wie sicher ist die Wasserversorgung in Städten wie Berlin? Zu Gast in der zweiten Folge des LNDW-Podcasts sind drei Wasser-Expert*innen: Dipl.-Ing. Regina Gnirß, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung der Berliner Wasserbetriebe, Prof. Dr. Jochen Rabe, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Wasser Berlin (KWB) und Prof. Dr. Sonja Jähnig, Leiterin der Arbeitsgruppe.

Berlin – das mag mache erstaunen – ist eine Wasserstadt. Rund 60 Quadratkilometer der Stadtfläche bestehen aus Gewässern. Ungewöhnlich für eine Metropole wie Berlin ist außerdem: Das gesamte Trinkwasser wird aus dem Grundwasser gewonnen. Ein Viertel der Stadtfläche ist daher Wasserschutzgebiet. Kein Wunder, dass das Wasser in der Brain City Berlin auch als Forschungsthema eine wichtige Rolle spielt. „Wasser ist Lebensmittel, Erholungs- und Freizeitraum und auch ein ganz wichtiger Faktor zum Erhalt unserer Gesundheit“, erläutert Dipl.-Ing. Regina Gnirß, Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung bei den Berliner Wasserbetrieben. 

„Flusshygiene“ – Frühwarnsystem für Badegewässer

Im Projekt „Flusshygiene“  beispielsweise arbeiteten die Berliner Wasserbetriebe mit Forschern verschiedener Disziplinen und Bundesländern zusammen. Durchgeführt wurde das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Vorhaben am Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB). Eine der Zielsetzungen des Projekts: plötzliche Verschmutzungsereignisse in Gewässern vorhersagbar zu machen. Auftreten können solche Verunreinigungen zum Beispiel bei Starkregen, wenn das Regenwasser sich im Kanalsystem mit dem Abwasser mischt und die Kanalisation zum Überlaufen bringt. „Die Berliner Wasserbetriebe können inzwischen vorhersagen, wann eine Verunreinigung der Badegewässer durch die Überläufe eintritt“, so Wasser-Expertin Renate Gnirß. Ein auf Online-Messungen basierendes Frühwarnsystem macht dies möglich. 

 

 

Von den Ergebnissen des Projekts profitieren vor allem die badefreudigen Berliner*innen. Denn unter www.badegewasser-berlin.de können sie sich aktuell darüber informieren, wie es um die Wasserqualität in den Berliner Badegewässern bestellt ist. Grundsätzlich ist die Badequalität der Seen und Gewässer in Berlin inzwischen gut. Vor einigen Jahren noch war das nicht überall der Fall. Gewässer wie beispielsweise der Tegeler See oder der Halensee galten als so belastet, dass vom Schwimmen darin dringend abgeraten wurde. Inzwischen wurden sie von den Berliner Wasserbetrieben u.a. durch spezielle Bodenfilter wieder aufbereitet.

„Selbst die Spree ist grundsätzlich zum Baden geeignet. Das haben die Messungen der Berliner Wasserbetriebe gezeigt“, erläutert Renate Gnirß, fügt aber leicht einschränkend hinzu. „Das ist allerdings nicht immer so. Mit unseren Online-Messungen können wir die Bürger*innen aber darüber informieren, wann sie nicht in den Fluss springen sollten.“ Der Erfolg des Projekts hat sich inzwischen rumgesprochen. „Dieses in Berlin etablierte Frühwarnsystem exportieren wir auch nach Paris, wo es 2024 zu den Olympischen Spielen eingesetzt werden wird.“  

80 Prozent der Süßwassertiere vom Aussterben bedroht

Seen und Flüsse sind nicht nur beliebte Freizeitareale, sondern auch Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen. Mit den Auswirkungen des Klimawandels und anderer globaler Veränderungen auf unsere Flüsse beschäftigt sich Prof. Dr. Sonja Jähnig, Leiterin der Arbeitsgruppe Aquatische Ökogeographie der Abteilung Ökosystemforschung am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) am Müggelsee. Ihr Spezialgebiet ist die „Limnologie“, die Wissenschaft von den Binnengewässern als Ökosysteme. Innerhalb dieses Forschungsgebiets interessiert sie sich insbesondere für die Süßwasser-„Megafauna“. Dazu zählen große aquatische Lebewesen wie Biber, Flussdelfine, Riesensalamander oder Störe in Flüssen, Bächen und größeren Strömen. Als „Flaggschiff-Arten“ eignen sich diese besonders gut, um die Auswirkungen des globalen Wandels auf Süßwasser-Ökosysteme zu untersuchen und verdeutlichen.

„Der Rückgang von Arten in Süßwasser ist mit rund 80 Prozent etwa doppelt so hoch wie in anderen Ökosystemen – und das über verschiedene Wirbeltierarten hinweg. Bei den großen Tieren sind es sogar 88 Prozent“, sagt Sonja Jähnig. Im Fall der Störe hat das IGB inzwischen ein Programm ins Leben gerufen, um deren Wiederansiedlung zu erforschen. „Die europäischen Störe waren im 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts in allen großen Flüssen Deutschlands verbreitet. Zum Laichen sind sie dann in Rhein, Weser oder Elbe geschwommen. Jetzt sind sie vom Aussterben bedroht. Wir versuchen, junge Störe wieder einzusetzen.“ 

Prof. Dr. Sonja Jähnig © David Ausserhofer

Um die Öffentlichkeit auf den Rückgang der Süßwasser-Diversität aufmerksam zu machen, hat Sonja Jähnig in Vernetzung mit Akteur*innen aus Wissenschaft, Naturschutz und Politik die internationale Alliance for Freshwater Life ins Leben gerufen. „Der Rückgang der Süßwasser-Diversität ist so groß, dass die Forschung allein den Niedergang nicht aufhalten wird. Es braucht ein Bewusstsein dafür, was wir für Tiere im Wasser haben, welche Funktionen sie haben und wie man sie schützen kann“, so Sonja Jähnig. 

Blau-grüne Infrastrukturen und Digitalisierung

Im Fokus von Politik, Städteplanung und Wissenschaft steht angesichts immer heißerer Sommer, längerer Trockenperioden und plötzlich aufkommendem Starkregen der Ansatz, das Thema Wasser ganzheitlich zu betrachten und zu steuern. „Berlin lebt wie viele Städte von dem Wasserhaushalt, den wir hier vorfinden. Das Wassersystem findet nicht nur in den Röhren statt, die zu den Häusern und von ihnen wegführen, sondern es erstreckt sich über die ganze Stadt. Das hat positive Auswirklungen, aber auch negative – wie bei den Starkregenereignissen“, erläutert KWB-Geschäftsführer Jochen Rabe. Blau-grüne Infrastrukturen (BGI), die in der städtischen Landschaftsgestaltung Wasserelemente mit Parks, grünen Auffangflächen oder auch begrünten Dächern verbinden, sollen Schutz vor Überschwemmungen bieten und weitere Auswirkungen des Klimawandels wie starke Trockenheit eindämmen helfen.

„Blaue und grüne Infrastrukturen leisten einen Service, der nicht zu verachten ist. Die graue, gebaute Infrastruktur stößt zunehmend an ihre Grenzen.“ Große Hoffnungen setzt Jochen Pape in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeiten der Digitalisierung. „Die Digitalisierung trägt dazu bei, den Wasserkreislauf in der Stadt viel feinschichtiger zu verstehen. Durch dieses bessere Verständnis werden wir den Wasserkreislauf dann später hoffentlich auch besser kontrollieren und auf Extremwetterlagen besser reagieren können.“ 

In interdiziplinärer Vernetzung Probleme gemeinsam lösen

Ein wirksames Instrument der Berliner Wasserforschung ist die persönliche Vernetzung. Hier ist die Brain City Berlin bereits sehr gut aufgestellt, wie Regina Gnirß betont: „Wir haben in Berlin ein sehr gutes Netzwerk im Wasserbereich. Dazu gehören beispielsweise die Hochschulen, die an der LNDW teilnehmen. Wir sind aber auch sehr eng vernetzt mit anderen Städten, die ähnliche Probleme haben, sowie mit der internationalen Wissenschaftsszene.“ Grundsätzlich gehe es darum, Probleme nicht allein zu lösen, sondern in der Gemeinschaft. „Dazu gehört auch das Kompetenzzentrum Wasser Berlin, an dem wir beteiligt sind. Wir sind sehr stolz auf das, was wir hier in der Stadt zusammen leisten.“ (vdo)

Zahlen zum Wasser in Berlin

  • 6,5 Prozent des Berliner Stadtgebiets sind Wasserfläche ( 60 von 892 km²)
  • 13 Seen gibt es innerhalb oder am Rande des Berliner Stadtgebiets
  • 5 Flüsse durchziehen die Stadt: Spree, Havel, Dahme, Panke und Wuhle
  • ¼ der Stadtfläche von Berlin ist Wasserschutzgebiet
  • 56 Jahre beträgt das Durchschnittsalter der Berliner Wasserrohre
  • 360 Kilometer lang ist die Uferlinie entlang der Berliner Flüsse und Kanäle
  • 100 Prozent des Berliner Trinkwassers stammen aus dem Berliner Grundwasser
  • 7917 Kilometer lang ist das Rohrnetz der Berliner Wasserbetriebe
  • 9710 Kilometer umfasst das Kanalnetz der Berliner Abwasserversorgung

Quelle: Berliner Wasserbetriebe (bezogen auf 2016)

 

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