Von Berlin zum Mond: Die Berliner Raumfahrt-Szene boomt

Gastbeitrag | Cem Avsar | TU Berlin & beSpace GmbH

 

Dass die Raumfahrt eine Revolution in der Kommerzialisierung erfährt, dürfte dank Firmen wie Elon Musks SpaceX bekannt sein. Doch ist auch bekannt, dass in Berlin so viele Facetten der Raumfahrt bedient werden wie sonst nirgendwo in der Welt?

03.09.2018 | New Space heißt die Welle auf der sich vielzählige Start-Ups in Berlin stützen. 

 

Der Bau von dutzenden Kleinsatelliten, die wachsende Szene internationaler Nachwuchskräfte und sogar der Bau von Robotern für den Mond sind in Berlin zur Normalität geworden.

Daneben bestehen weiterhin die etablierten Berliner Raumfahrt-Einrichtungen, die sich wie alle dieselbe Frage stellen: Wohin geht die Reise mit New Space?

Das Potenzial der Berliner Raumfahrt-Branche

 

Rund einhundert Firmen und Forschungseinrichtungen in der Hauptstadt sind an der Raumfahrt beteiligt. Und die Zahl steigt stetig weiter. Dabei ist die Landschaft an Aktivitäten so vielseitig wie auch der Nutzen für die Menschheit. Seien es Satelliten zur Früh-Erkennung von Katastrophen oder für die Verbesserung von landwirtschaftlichen Erträgen, Instrumente für Planeten und Asteroiden zur Sammlung von Erkenntnissen über unsere Entstehung oder medizinische Experimente auf der Internationalen Raumstation für bessere Therapien gegen Muskelerkrankungen; dies alles wird in Berlin entwickelt.

Dennoch steht Berlin vor großen Herausforderungen. Die Förderkultur ist in einigen Ländern wie den USA um einiges dynamischer. Längst sind es nicht nur Milliardäre wie Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson, die mit risikoreichen Ansätzen Innovationen in die Raumfahrt bringen. Investoren haben alleine im Jahr 2017 fast vier Milliarden Euro in Raumfahrt-Unternehmen investiert. Die Investitionen in die private Raumfahrt in Deutschland sind dagegen ernüchternd, gar fast vernachlässigbar.

Dabei hat die Berliner Raumfahrt-Branche ein großes Potenzial mit dem richtigen Anschub auf eine einzigartige Strahlkraft zu entwickeln. Das Ökosystem zieht sogar New Space Firmen aus dem Ausland in die Stadt. Da die Raumfahrt-Branche so umfangreich ist, können hier nur die Schwerpunkte und wenige ausgewählte Beispiele genannt werden.

Berlin – Welt-Hauptstadt der Kleinsatelliten

Schon die TU Berlin ist mit bald über 20 Satelliten im Orbit an der Spitze der universitären Raumfahrtforschung. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie etablierte Unternehmen wie Astro- und Feinwerktechnik Adlershof haben gemeinsam erfolgreich Kleinsatelliten entwickelt (beispielsweise für die Brandüberwachung). Andere Unternehmen wie Berlin Space Technologies setzen auf die Serienproduktion von Satelliten.

Derzeit gibt es nämlich einen Trend in Richtung Anwendungen, die mit Konstellationen aus vielen kleinen Satelliten zu erschließen sind. Dazu gehören zum Beispiel die tagesaktuelle Kartierung der Erde aus dem Weltall oder die Bereitstellung von Internet über Satelliten. Berlin bietet mit einer Struktur aus zahlreichen Zulieferern und Unternehmen mit Systemexpertise die ideale Basis, um die Produktion von Satelliten an einem Standort zu ermöglichen.

Satelliten zu bauen ist eine Sache. Der größere Markt ist jedoch im sogenannten Down-Stream Sektor, also den Anwendungen unter Nutzung der Raumfahrt. Als Software-Metropole bietet Berlin ein optimales Umfeld. Selbst Firmen wie das US-Amerikanische Planet haben ihren Betrieb nach Berlin verlagert. Am Kurfürstendamm betreiben sie eine Flotte von 150 Kleinsatelliten, die jeden Tag eine vollständige Aufnahme der Erde machen. Wenn man bedenkt, dass es im Jahr 2010 weniger als insgesamt 1.000 aktive Satelliten im Weltall gab, dann ist das schon ein beachtlicher Sprung für einen einzelnen Betreiber. In Berlin gibt es eine Reihe von Start-Ups die sich dem Thema widmen, Daten aus dem All für neue Geschäftsmodelle zu nutzen.

In Berlin geht es aber auch bis zum Mond und sogar darüber hinaus. Das Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt erfolgreich Instrumente zur Erkundung von Planeten. Gleich zwei Instrumente hat es für die BepiColombo Mission zum Merkur entwickelt. Das Unternehmen PTScientists hat es sich dahingegen zum Ziel gesetzt, Nutzlasten wie Roboter auf dem Mond abzusetzen. Die Unternehmensleitung sieht im Mond heute ein Geschäftsfeld mit viel Potenzial für die Zukunft. Bekannt wurden sie auch durch den Gewinn von Meilensteinen beim Google Lunar X-Prize, in welchem Teams aus allen Teilen der Welt darum wetteifern, einen Roboter auf den Mond zu bringen.

In der Raumfahrt-Ausbildung hat Berlin für alle Ausbildungsgrade klar die Nase vorn.

Die Technische Universität Berlin (TUB) hält den ältesten Lehrstuhl für Raumfahrt in Deutschland. Die Absolvent*innen finden sich in allen Schichten der Raumfahrtbranche. Auch betreibt die TUB seit 2015 den internationalen Studiengang Master of Space Engineering in Public-Private-Partnership mit dem Berliner Unternehmen beSpace.

Der besonders praxisnahe Studiengang ist bereits vielfach überzeichnet und bereichert die Region mit internationalen Nachwuchskräften. Selbst Kinder werden in Berlin bereits früh mit der Raumfahrt in Kontakt gebracht. Hierfür gibt es die School Labs vom DLR sowie das orbitall im FEZ Berlin, welche wunderbare Mitmach-Experimente anbieten.

Nicht zuletzt bietet Berlin weitere Forschung und Dienstleistungen u. a. in der Weltraummedizin, der Vermittlung von Raketenstarts, dem Test von Raumfahrtsystemen und der Fertigung von Bauteilen speziell für die Raumfahrt. Raumfahrt-Konferenzen und Veranstaltungen locken regelmäßig internationales Fachpublikum in die Stadt.

Die Berliner Raumfahrt tut sich im Rahmen einer Initiative von Berlin Partner zusammen, um auch politisch mehr Gewicht zu erlangen und international gemeinsam stärker aufzutreten. Selbst Business Acceleratoren mit Schwerpunkt Raumfahrt schlagen in Berlin auf, weil sie das Potenzial in der Region erkennen. Man kann definitiv von einer regelrechten globalen NewSpace Welle reden, die starke regionale Auswirkungen hat. Trotz dieser Vielfalt an Einrichtungen, der aktuell starken Aktivität in der Region und der Erkenntnis über den potenziellen Nutzen von NewSpace-getriebenen Geschäftsmodellen bleibt die Frage offen, wie viele der Geschäftsmodelle sich auch langfristig behaupten werden. Stand heute steht dies wohl noch in den Sternen.

Gastbeitrag von Cem Avsar

 

Technische Universität Berlin | Chair of Space Technology

 

Cem Avsar ist Geschäftsführer der beSpace GmbH, einem Berliner Raumfahrtunternehmen, welches sich der Raumfahrt-Ausbildung verschrieben hat. Er ist Studiengangs-Manager im internationalen Studiengang Master of Space Engineering und genießt es in dieser Funktion täglich mit jungen Talenten verschiedener Kulturen zusammenzuarbeiten.

Zuvor hat er an der TU Berlin an Satelliten und Robotern geforscht und einige Forschungs- und Ausbildungsprojekte geleitet. Seine Leidenschaft für praxisnahe Lehre wurde während seines Studiums und seiner Tutorentätigkeit an der TU Berlin weiter gestärkt.

Das macht Cem Avsar zudem zu einem hervorragenden Botschafter für die Brain City Berlin.

www.bespace.de

www.mse.tu-berlin.de

Über das Fachgebiet Raumfahrttechnik der TU Berlin: